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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

eine herzgewinnende Freundlichkeit verbreitete sich über sein edles Gesicht. „Man hat mir nicht zu viel von Ihnen gesagt!“

Alfred fühlte die ehrlich gemeinte Schmeichelei in diesen Worten und verneigte sich erröthend.

Der König sah es. „Und dabei noch so bescheiden!“ lächelte er. Wissen Sie, daß ich Ihnen sehr böse bin wegen Ihrer beharrlichen Entfernung vom Hofe? Sie sind schon vor Ausbruch des Krieges, wie ich höre, mehrere Wochen hier gewesen und haben sich nicht melden lassen – Sie, der Sohn unseres treuen Salten!“

„Majestät, ich wagte es nicht – welches Recht hätte ich gehabt, mich den allerhöchsten Herrschaften zu nahen? Wer in den auserlesensten Kreis der menschlichen Gesellschaft eintreten will, muß entweder durch Verdienste oder durch persönliche Vorzüge dazu berechtigt sein, bei mir war aber weder das Eine noch das Andere der Fall.“

„Nun, ich dächte, der alte ehrwürdige Name Salten hätte Ihnen in jedem Fall Recht genug gegeben!“

„Verzeihen Eure Majestät – dies wäre kein Recht – nur ein Vorrecht, und um letzteres geltend zu machen – bin ich zu stolz.“

Der König schaute den jungen Mann befremdet an: „Wie so?“

„Ich möchte die Gnade Eurer Majestät mir selbst – nicht der Zufälligkeit meiner Geburt zu danken haben; – sie ist zu kostbar, um so wohlfeilen Kaufes errungen werden zu dürfen.“

Der König drohte scherzhaft mit dem Finger: „Ein Feind des Adels?“

„Nein, Majestät, nicht des Adels, nur seiner Vorrechte. Denn unter ihrem Schutz spreizt sich auch die Unfähigkeit und nimmt dem Verdienst den Platz weg. Wer die Kraft in sich fühlt, sich einen ehrenvollen Platz selbst zu erringen, der wird zu stolz sein von einem Vorrecht Gebrauch zu machen; kann er dies nicht, dann soll er verzichten und nicht mehr beanspruchen, als ihm gebührt.“

„Das ist sehr groß gedacht!“

„Nur gerecht, Majestät.“

„Sie können aber nicht von Jedem eine Gerechtigkeit verlangen, die er auf Kosten seiner selbst üben muß. Es ist sehr schwer, alt angestammten Privilegien zu entsagen.“

Vor der Thür.
Probe aus dem neuerschienenen Weihnachtsbuche von Oskar Pletsch: „Auf dem Lande“.


„Ich habe das nicht gefunden, Majestät. Ich that es und erlitt dabei nicht die geringste Einbuße, ich fand eine innere Genugthuung darin, mich in die Reihen derer zu stellen, die sich ihr Brod und ihren Ruhm erringen müssen ohne die Stütze einer Protection oder eines Privilegiums, und ihnen zu sagen: ‚Seht, ich will nichts vor Euch voraus haben, will arbeiten wie Ihr und keinen andern Weg zu meinen Zielen einschlagen, als den, der auch Euch offen steht, den dornenvollen Pfad der Mühe.‘ Euer Majestät gaben mir mit diesem Ehrenzeichen den schönsten Beweis dafür, daß dieser Weg mich nicht zur Tiefe geführt. Ich habe mir die bevorzugte Stellung im Schweiße meines Angesichts erworben, welche mir meine Geburt mühelos angewiesen hätte, und deshalb werden selbst Diejenigen sie mir gönnen, die ich in dem gemeinschaftlichen Wettlauf überholte. Das, Majestät, ist mein ganzer Stolz und diesen Stolz fordere ich auch von meinen Standesgenossen.“

„Das können Sie von denen verlangen, welche Ihnen an Talent und Kraft ebenbürtig sind, aber die, welche nichts zu leisten vermögen, sind um so mehr auf die Vorrechte ihres Standes angewiesen.“

„Und verdienen sie um so weniger.“

„Ihre Vorfahren haben dieselben für sie verdient,“ sagte der König.

„Majestät, ich bin das Kind einer Zeit, die kein Recht gelten läßt, als das des eigenen Verdienstes.“

„Sie sind Demokrat,“ sagte der König.

„Im Gegentheil, Majestät, ich bin Aristokrat durch und durch; aber ich bekenne mich nur zu einer Aristokratie, es ist die des Geistes. Soweit an ihr der Adel Theil nimmt, soweit reicht auch sein Recht als bevorzugter Stand. Aber dies darf kein ausschließliches sein, es gebührt Jedem in gleichem Maße, der die gleichen Verdienste hat.“

„Und was verstehen Sie hauptsächlich unter dem Rechte bevorzugter Stände?“ fragte der König.

„Das schönste, das heiligste, Majestät, das, zwischen Fürst und Volk zu vermitteln.“

Der König blickte lächelnd vor sich hin. „Kommen Sie als moderner Posa zu mir?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 808. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_808.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)