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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


für Verwundete. Fast an allen Häusern bemerkt man weiße Fähnchen mit rothen Kreuzen darauf, ein Zeichen, daß Verwundete hier liegen, und es darf den Einwohnern zum Ruhme nachgesagt werden, daß sie dieselben, gleichviel ob deutsche, ob französische Soldaten, mit gleicher Sorgfalt pflegen. Frauen und Männer hatten noch vor kurzer Zeit den ausmarschirenden feindlichen Truppen von ihren Fenstern aus grimmig nachgeschaut – jetzt, wo diese theils auf Krücken gestützt, theils den Arm in der Binde oder den Kopf verbunden bleich und krank in die Stadt zurückkehrten, standen sie in ihren Hausthüren, schauten mitleidig auf sie herab, und jeder beeilte sich, ihnen hülfreich beizustehen. Wo das Unglück beginnt, da schwindet der Haß und macht nur Einem Gefühl Platz, dem Gefühl des Mitleids.

Das Kloster der barmherzigen Schwestern, jetzt deutsches Lazareth, in Pont à Mousson.
Nach der Natur aufgenommen.

So hat denn Pont à Mousson sein früheres freundliches Gesicht gänzlich verloren, die Bewohner sind meist geflüchtet, das Militär florirt, die Läden geschlossen, der Verkehr gestört; selbst die Stränge der Kirchenglocken sind auf Befehl der preußischen Verwaltung abgeschnitten und die Treppen zu den Thürmen abgebrochen. Diese Maßregel war eine Nothwendigkeit, da die Bewohner anderer französischer Ortschaften, zum Beispiel Gorze, die Thürme erstiegen, von dort aus die Stellung und Zahl der deutschen Truppen erspäht und dann dem Feinde verrathen haben, da auch die französischen Bauern von Paris aus aufgereizt worden sind, im Falle einer Niederlage sofort im platten Lande hinaus Sturm zu läuten. Das ist das traurige Bild einer sonst blühenden Stadt, ist Pont à Mousson im Kriege!



Aus den Tagen des Kampfes.
Wochen-Rapport Nr. 3 und 4. [1]

„Rache für Sadowa!“ – Wir mögen in den Geschichten aller Völker suchen, wir finden kein zweites Beispiel von so ungeheuerlicher Anmaßung, wie sie in diesen drei Worten ausgedrückt ist. Rache für einen fremden Sieg, nur aus dem Grunde, weil er größer ist als einer, den Frankreich je erfochten! Frankreich hat, im Bunde mit Italien, drei Monate gebraucht, um das alleinstehende Oesterreich in zwei Schlachten von sehr schwankender Entscheidung mit Hülfe einer kaiserlichen Lüge zum Frieden zu zwingen. Preußen hat, alleinstehend, gegen dasselbe Oesterreich und den kriegsmäßigsten Theil der deutschen Bundesarmee Krieg geführt und nach sieben Tagen die Entscheidungsschlacht von Königsgrätz geschlagen. Und dieser Sieg auf deutschem Boden über den ehemaligen Gegner Frankreichs ist eine Beleidigung der französischen Nation, für die sie um Rache schreit! Wo die Ehrgier bis zu solcher Raserei ausartet, da herrscht kein „europäisches Gleichgewicht“ mehr, da ist keines Volkes Friede mehr sicher. „Rache für Sadowa!“ schrie ganz Frankreich, ein Hohn, der alle Großmächte Europas zur Züchtigung solchen Frevels hätte aufwecken müssen. Sie schwiegen, sie sahen, in den schlappen Mantel der Neutralität gehüllt, dem ausbrechenden Rachekrieg gegen Deutschland zu. Gut! Wir bedürfen ihrer nicht. Deutschland hat’s allein vollbracht, es hat den Franzosen ihr Sadowa geliefert, und das heißt Metz!

Die Bedeutung dieser dreitägigen Schlacht ist die einer zweiten Auflage von Leipzig, selbst nach dem Datum der drei Schlachttage, nur daß diesmal der August die Ehren des October in Anspruch nahm. Ja, den Achtzehnten wollen wir preisen, er war nun zum vierten Male den deutschen Waffen hold: am 18. October 1813 Leipzig, am 18. Juni 1815 Waterloo, am 18. April 1864 Düppel und am 18. August 1870 Metz.

Die drei Schlachten vom 14., 16., und 18. August werden von den Franzosen nach Courcelles, Vionville und Gravelotte benannt; die

  1. Mangel an Raum verhinderte uns, den dritten Wochenbericht in der vorigen Nummer der Gartenlaube einzureihen; wir lassen ihn nun mit dem vierten verbunden nachfolgen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_605.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)