Seite:Die Gartenlaube (1870) 594.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Hoch auf den Vater der Compagnie ausgebracht hatte, von der Ehre sprach, die es ihm sei, an der Spitze einer Compagnie, zu deren Tapferkeit er das festeste Vertrauen habe, den Feind des Vaterlandes zu bekämpfen, und auf die siegreiche Heimkehr derselben ein dreifaches Hurrah ausbrachte, ein Hurrah, das dreimal kurz und donnernd, drohend und frohlockend zugleich zum Himmel aufstieg. Ein neues Hoch auf den Hauptmann folgte, und noch lange hielt sich der fröhliche Kreis um das wärmende Feuer, bis zuletzt der fort und fort strömende Regen jede Regung der ermüdeten Körper und Geister unterdrückte und nur noch trüb hinschleichende schlafwandelnde Gestalten mit Sehnsucht dem endlich erscheinende Tagesgrauen und mit diesem neuen Strapazen entgegenblickten.

Donnerstag den 11. August war es endlich, als wir Quartiermacher des sächsischen Schützenregiments der französischen Grenze zuschritten. Das Wetter war regnerisch, grau lag der Himmel über der hügeligen Landschaft, und die Straße war mit tiefem Kothe bedeckt. Wir selbst, eine Abtheilung von achtundvierzig Unterofficieren und Soldaten, meist früheren Freiwilligen, unter Führung eines Officiers, waren, im Gegensatz zur trüben Stimmung des Wetters, außerordentlich angeregt und besprachen lebhaft die bevorstehenden Ereignisse. Daß wir in so starker Anzahl vorgingen, hatte seinen Grund darin, daß die Massacrirung einer Patrouille durch die fanatischen Landleute bekannt geworden war, und in Folge dessen ein strenger Befehl für alle Verrichtungen in Feindesland doppelte Besetzung anordnete. Endlich war das letzte Dorf Deutschlands, Habkirchen, erreicht; dort fanden wir noch die Spuren eines Bivouacs, das kaum vierundzwanzig Stunden vor uns Landsleute von uns, das sächsische zweite Ulanenregiment, in der Nacht vom 9. zum 10. August bezogen hatten und dessen Wiedergabe Ihrem Künstler in bester Weise gelungen ist. Nun zogen auch wir unsern wackern Cameraden nach, die bereits die Grenze überschritten hatten. Ohne Aufenthalt ging es durch das Dorf, und indem wir der Saarbrücke eilenden Fußes zuschritten, malte sich mehr und mehr auf den verschiedenen Gesichtern die wachsende Spannung. Jetzt war der bairische Grenzpfahl erreicht und jetzt, es war zwanzig Minuten vor acht Uhr Morgens, einige Schritte weiter der französische; über den französischen Adler hatte eine kecke Hand die Worte geschrieben: „Provinz Lothringen“. Dies schlug in die ohnehin ernsten Gemüther wie ein zündender Strahl, und von der Bedeutsamkeit des Momentes für uns gepackt, brach beim Betreten der Brücke die junge feurige Schaar in ein dreifach gewaltiges Hurrah aus, daß die Pfeiler wankten und die rothen Wellen der Saar schneller vorbeiflohen. Dann wurde mit einer Begeisterung, wie sie eben nur der Moment geben kann, „Die Wacht am Rhein“ angestimmt, und mit erhobenem Kopfe und dem Gefühle gerechten Stolzes nahmen wir die Blicke der Verwunderung und Sorge der Bewohner des französischen Grenzdorfes Mannberg entgegen.

Ernst Htg.





Auf den Schlachtfeldern von Weißenburg und Wörth.
Von J. Leyser.


Es ist ein herrlich Stück Erde, durch welches die Landstraße von Landau über Bergzabern nach Weißenburg führt: Hügel und Thalgründe voll üppiger Fruchtbarkeit, zahllose wohlhabende Dörfer mit ihren weißblinkenden Kirchthürmen, von einem Menschenschlag bewohnt, der noch ein scharf ausgeprägtes Volksleben besitzt; im Hintergrund die Häupter des Vogesus, von Reben und Kastanienwäldern bekränzt; auf den Bergen die Burgen: dort die einst so prächtige Madenburg mit ihrer berühmten Rundsicht, weiterhin Landeck, das älteste Schloß im Lande, mit seinen Erinnerungen an den guten König Dagobert. Kein Wunder, daß der wälsche Nachbar seit Jahrhunderten lüstern herüberblickt, und doch, und wär’s nur um den Wein, das Land soll deutsch verbleiben! Länger schon fielen die Schatten zur Erde, als wir zu Schweigen, dem letzten pfälzischen Dorfe, anlangten, das wahrhaft idyllisch auf einem sanft abfallenden Hügel zwischen Reben sich erhebt.

Hier beschlossen wir zunächst unser Quartier aufzuschlagen, da wir vernahmen, Weißenburg selbst, das in geringer Entfernung, drunten im sogenannten „Weißenburger Loch“ vor uns lag, sei von Truppen überfüllt. Die ersten Spuren der Verwüstung traten uns entgegen, als wir das Fremdenzimmer des ländlichen Gasthofs betraten: eine Granate hatte die Wand durchschlagen und war an der Decke des Zimmers crepiert. Der Großvater des Hauses schilderte uns in treuherziger Weise, noch sichtbar erregt von den Erlebnissen der letzten Tage, den Schrecken der Dorfbewohner, als am Morgen des vierten August in den Weinbergen vor ihrem Dörfchen die dunkeln Häupter der gefürchteten Turcos allüberall emportauchten. Von hier aus, von den Höhen links vor Schweigen, leitete der Kronprinz das Gefecht, den Generallieutenant von Blumenthal und die Officiere des Hauptquartiers an seiner Seite, von hier aus flogen die Adjutanten nach der Front. Hier hatten anfangs die Jäger des zehnten baierischen Bataillons im Kampf gegen die Uebermacht einen schweren Stand. „Der baierische Oberst,“ erzählte jener gute Alte, „kam in’s Dorf geritten und sagte: ‚Wenn die Preußen nicht bald kommen, sind wir verloren.‘“ Und die Preußen kamen. „Es war wie eine Treibjagd,“ sagte mir ein preußischer Officier, „als die Turcos mit ihren weißem Gamaschen in wilder Flucht sich nach Weißenburg hinabwälzten und unsere Leute ihnen wacker auf den Pelz brannten.“

Wiewohl die müden Glieder nach Ruhe sich sehnten, so konnten wir uns doch den Wunsch nicht versagen, die Stadt Weißenburg im Dämmerlichte uns zu betrachten. An einer ununterbrochenen Wagenburg vorüber gelangten wir an den Festungsgürtel, der das Städtchen umschließt. Das deutsche Thor, durch welches man hier die Stadt betritt, zeigte in erschütterndem Bilde die verheerende Gewalt der deutschen Batterieen: der rechte Pfeiler desselben nebst einem Theile der Zugbrücke lag drunten im Stadtgraben, wie von einer riesigen Hand hinabgefegt. In den Straßen der Stadt, die noch vor Kurzem von Trümmern und Leichen, von Blut und Pulverdampf erfüllt waren, wimmelte es von Soldaten aller Waffengattungen und Volksstämme, Preußen, Baiern, Würtemberger. Verschiedene öffentliche Locale waren noch immer geschlossen; die Einwohner hielten sich meistens scheu in ihren Wohnungen zurückgezogen; Einzelne huschten hastigen Schrittes an den Häusern vorbei, oder ein paar Köpfe zeigten sich vorübergehend an den Fenstern, wenn eine Truppe deutscher Krieger unter wirbelndem Trommelschlag vorbeizog. Die Angesichter verriethen Angst und Niedergeschlagenheit, doch auch Verbissenheit und Trotz. Das sind die Nachkommen jener Väter, deren Notschrei einst so verzweifelnd über den Rhein tönte, als der wälsche Geier seine scharfe Fänge nach diesem gesegneten Lande ausstreckte. Im Gasthof zum „Engel“, wo wir in Gesellschaft einiger Officiere an köstlichem Rotwein uns labten, ward denn bereits die Revision der Landkarte allen Ernstes in Erwägung gezogen und die neuen Grenzen zu allgemeiner Zufriedenheit festgesetzt.

Golden stieg die Sonne aus Nebel und Dunst, als wir am nächsten Morgen zum zweiten Male aus dem reizend gelegenen Schweigen hinausschritten. Wie so still und friedlich lag’s nun vor uns, dies Weißenburg, einst eine gute Reichsstadt und reich an historischer Erinnerung!

Wir lenkten unsere Schritte zunächst nach dem Bahnhofe, vor wenigen Tagen der Schauplatz eines furchtbaren Handgemenges, in welchem Leichenhügel sich thürmten. Nur die zerbrochenen Fensterscheiben erinnerten noch an den Kugelregen, unter dem die Preußen und Baiern hier unwiderstehlich vorwärts drangen. Die zerstörten Geleise waren wieder hergestellt, ein geordneter Dienst im Gange, auf dem Perron wogte es hin und her von Soldaten, meist Landwehr, welche die eroberten Orte besetzen sollte. In der Nähe des Bahnhofes war ein Theil der Trophäen aufgestellt, welche in den stolzen Ehrentagen von Wörth genommen worden waren: vier Mitrailleusen (le géneral Dogerau, le géneral Gassendi, le géneral Perrodon, le géneral Hanique), sowie in stattlicher Reihe einige zwanzig Geschütze nebst Munitionswagen. Der Landstraße entlang, die nach Altenstatt am Saume des Bienwaldes hinführt, erhebt sich ein großer und viele kleinere Grabhügel, zum unabweisbaren Zeugniß, wie theuer der Sieg erkauft worden. Das schnaubende Dampfroß eilt an denselben vorüber, bald werden

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_594.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)