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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

letzterer Stadt hatte sich Tags zuvor das Hauptquartier des Kronprinzen von Sachsen befunden. Er hatte im Gasthause zur Pfalz sein Absteigequartier genommen und ihm zu Ehren war nicht nur dieser Gasthof reich mit Fahnen decorirt wie es Ihre an Ort und Stelle aufgenommene Abbildung zeigt, sondern auch fast jede Straße der Stadt. Wir selbst mußten freilich mit einem weniger behaglichen Quartier vorlieb nehmen, am 8. August langten wir auf dem zwischen Erbach und Homburg gelegenen, offenen, Wind und Wetter ausgesetzten Stoppelfelde an, und nachdem wir bei drohendem Regen schnell und ohne besondern Humor unsere körperlichen

Im Lager des sächsischen zweiten Ulanen-Regiments.

Im Bivouac bei Habkirchen am 9.–10. August.

Nach einer Skizze von Gey.

Bedürfnisse befriedigt hatten, warf man sich zeitig auf’s Lager. Da begann nun ein Regenguß, wie ich mich wenige erlebt zu haben erinnere. Eine Stunde lang trotzte ich ihm, in meinen Mantel gehüllt, auf spärlicher Streu. Als aber der Tümpel, der sich mit der Zeit unter mir gebildet, meine eine Seite vollständig durchweicht hatte, während die andere dem strömenden Regen nicht mehr widerstehen konnte, erhob ich mich, um durch herumlaufen und gewaltsame Bewegung meine erstarrten Glieder zu erwärmen. Mehr und mehr der anscheinend Schlafenden verließen ihr nasses Lager und bald sah man in der Dunkelheit schwarze fluchende Gestalten durcheinander wogen und Schutz bei den nur nothdürftig gelingenden Wachtfeuern suchen.

Da war es der Hauptmann meiner Compagnie, der wieder zur rechten Zeit eingriff, ein Mann, der hinter rauhem Wesen eine oft wahrhaft rührende Fürsorge für das Wohl seiner Compagnie verbarg; mein Hauptmann war es, sage ich, der auch in diesem Falle durch persönliches Aushalten im Unwetter und umsichtige Anordnungen die Entsetzlichkeiten der Nacht zu mildern wußte. Zuerst ließ er ungeheure Quantitäten Holzes herbeischaffen, so daß in Kürze mehrere gewaltige Brände zum Himmel emporloderten. Um einen derselben gruppirte sich der Hauptmann mit seinen Officieren, Unterofficieren und einem großen Theile der Compagnie und ein Fässchen vortrefflichen Weines, die Frucht einer vom Geldbeutel des Hauptmanns unterstützten Requisition der jüngsten Tage, wurde angestochen, worauf der Becher stetig unter der frostigen und nassen Gesellschaft circulirte. Dem strömenden Regen zum Trotze wurden alle die poetischen, theils lustigen, theils melancholischen Soldatenlieder hervorgesucht und aus einer so großen Zahl lustiger Männerkehlen brauste manch’ kerniges Lied zum Himmel – dazu in der Mitte die lodernden Flammen ringsum die grell beleuchteten gestalten in ihren langen schwarzen Mänteln und dahinter die undurchdringliche Nacht und das Plätschern des Regens.

Der schönste Augenblick war, als der Hauptmann, nachdem einer von uns in kurzen herzlichen Worten ein begeistertes

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_593.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)