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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Mitrailleuse erfunden habe. Er legte keinen besondern Werth auf dies als Popanz benutzte Geschütz, da es nur auf sechs- bis achthundert Schritt wirklich wirksam sei. Von der Bespannung der Artillerie und der Cavallerie hielt er sehr wenig und am allerwenigsten von der veralteten Taktik der Franzosen. Ihre Aufstellung in Schlachtordnung sei noch dieselbe wie ungefähr im siebenjährigen Kriege.

Man hatte ganz bestimmte Nachrichten aus Frankreich, daß die französische Armee an einem bestimmten, sehr frühen Tage über die deutschen Grenzen rücken wolle, und fürchtete das insofern, als man mit dem Mobilisiren der Armee noch nicht fertig war. Nun war jedoch alle Besorgniß vorüber und blieben die Franzosen, hieß es, nur vier bis fünf Tage ruhig, dann sei die ganze Armee in Position.

Ein Nachtschmetterling, ein sogenanntes Ordensband, setzte sich zufällig auf die Uniform eines Adjutanten des Obersten, eines Capitains. „Ein gutes Omen!“ rief ich; und der Capitain schien es so anzusehen und versprach, sich Mühe zu geben, das von dem Könige für diesen Krieg wieder auferweckte Eiserne Kreuz zu verdienen.

Die Reise nach Mainz ging ohne Störung vor sich. Der Rhein ist außerordentlich seicht, und die Schiffer lachten sehr über die Idee, Panzerschiffe auf den Fluß zu bringen. Vor Mainz ist eine zweite Schiffbrücke geschlagen worden. In Mainz war es außerordentlich lebhaft. Es gelang mir noch spät Abends mit einem Zuge nach Frankfurt zu kommen, was ein Glück war, da die großen Militärzüge bereits begonnen hatten. Am 27., dem Bettage, kamen unendlich lange Züge den Main entlang durch die Stadt und wurden von den Einwohnern mit Jubel begrüßt, was den Soldaten sehr zu gefallen schien. Heute ist es Dienstag und seit jener Zeit sind ununterbrochen, Tag und Nacht, Militärzüge hier durchgegangen Vorgestern und gestern das zwölfte Armeecorps, Sachsen.

Man spricht hier von allerlei Vorpostengefechten und Soldatenbriefe enthalten auch mancherlei wahrscheinlich unrichtige Nachrichten. Die Turcos sollen Hunde bei sich haben, welche den Pferden an die Nase springen. Sie werden wohl nicht lange springen. Gegen katholische Geistliche auf dem Lande hier in der Nachbarschaft, die für Napoleon gesprochen haben, hat das Volk Justiz geübt und sie verjagt. Der Geist ist überall trefflich, wenn man auch mit Sorge der kommenden Schlacht entgegen sieht. Ich denke, sie muß in ein, zwei Tagen stattfinden. Ich zweifle nicht an dem Siege.

Entschuldigen Sie diesen flüchtigen Brief; allein ich bin im Begriff, in einer halben Stunde nach Bingen und von da so weit als möglich vorzugehen.




Der Schutz unserer deutschen Küsten.
Von M. E. Plankenau.
Die Franzosen in den deutschen Meeren. – Panzerschiffe im Kampfe mit Strandbatterien. – Sperrung der Häfen. – Torpedos. – Einrichtung und Füllung derselben. – Selbstthätige Torpedos. – Das Explodiren. – Aussichten der französischen Flotte in der Ostsee.

Unsere sanguinischen Erbfeinde, deren militärischer Spaziergang nach Berlin schon im Aussetzen so jämmerlich mißglückte, schwärmten in gleicher Selbstüberhebung für eine den Krieg entscheidende Spazierfahrt nach der deutschen Küste. Die französische Seemacht ist allerdings sehr bedeutend und vortrefflich organisirt; jedenfalls ist ihr auch eine wichtige Rolle zuertheilt; dennoch wird sie die Entscheidung dieses Kampfes nicht wesentlich beeinflussen können, so lange nicht Dänemark aus seiner Neutralität heraustritt. Würde sich dieser Fall ereignen, so wäre für Frankreich ein Stützpunkt gefunden, von dem aus es uns sehr ernstlich bedrohen könnte, und deswegen wurde Alles aufgeboten, um das uns benachbarte Inselvolk zur Betheiligung am Rachezuge gegen alles Deutschthum aufzureizen. Bis jetzt sind diese Versuche gescheitert, und wir stehen dem Feinde zur See unmittelbar gegenüber. Im Folgenden soll versucht werden, den Lesern der „Gartenlaube“ einige Anhaltepunkte zu geben zur Beurtheilung irgend welcher unseren Küsten drohenden Angriffe.

Diese können in zweifacher Weise unternommen werden. Der Feind benutzt entweder seine Transportflotte, um eine Invasions-Armee zu landen, oder er versucht mit seinen Panzerschiffen die Einfahrt in die Kriegshäfen zu erzwingen, um die daselbst angehäuften kostbaren Kriegsmaterialien zu zerstören. Der Angreifer ist insofern im Vortheil, als ihm die Wahl freisteht und er seine ganze Macht auf den augenblicklich schwächsten Punkt werfen und durch Ueberraschung große Erfolge erringen kann. Doch hat er wiederum auch große Schwierigkeiten zu überwinden.

Welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, welche zeitraubende Arbeit es ist, eine größere Anzahl Truppen aller Gattungen zu Lande fortzuschaffen, davon hat sich neuerdings Jedermann überzeugen können. Diese Truppen bleiben überdies mit ihren rückwärtsliegen Hülfsquellen in directer Verbindung, sind also einer dauernden Unterstützung gewiß und stets beliebig verwendbar. Anders verhält es sich mit einer Armee, welche zu Schiffe transportirt wird: Selbst im günstigsten Falle vergehen Wochen, ehe Infanterie, Cavallerie, Artillerie nebst Gepäck, Munition, Pferden, Geschützen, Wagen und allem sonstigen Zubehör versammelt und eingeschifft ist, ehe sie am endlichen Bestimmungsorte eintrifft und angriffsweise vorgehen kann.

Die Frankreich zu Gebote stehenden Transportmittel zur See mögen großartig sein, immerhin wäre es aber ein ungeheueres Unternehmen, ein Armeecorps von hinreichender Stärke an unsere Küsten zu werfen. Am Rhein wird Frankreich von einem gewiß ebenbürtigen Gegner bedrängt; kann es dort überhaupt so viele seiner besten Truppen entbehren, sie für lange Zeit der Action entziehen, um endlich einen Schlag zu führen, dessen Gelingen nichts weniger als gesichert ist?

In der Nordsee ist es fast gar nicht möglich, eine solche Armee auszuschiffen. Durch Untiefen und weite marschige Küstenstrecken, auch durch starke Ebbe und Fluth und Witterungsverhältnisse hat die Natur uns wohlgeschützt, während die wenigen Zugangsstraßen durch menschliche Kunst vortrefflich befestigt sind. In der Ostsee dagegen sind verschiedene Stellen, welche eine Landung begünstigen.

Angenommen, unser Panzergeschwader liege in der Nordsee oder – wie wir mit richtigem Selbstgefühl sagen sollten – im deutschen Meere. Geht die französische Transportflotte, wie zu erwarten, nach dem Osten, so läßt sie den Feind zur See hinter sich und findet den Feind zu Lande vor sich. Bei den vorherrschenden Westwinden ist es leicht, nach der Ostsee zu segeln, aber doppelt schwierig, zurückzukehren, und die Zugänge zu ihr sind mit Recht berüchtigt. Die unsere Küsten umspülenden Meere sind schlimme Gewässer, sie bergen manches Geheimniß in ihrem Schooße, und ein Sturm müßte einer so großen Flotte bei so engem Seeraum äußerst gefährlich werden. Napoleon hat sich unter Menschen vergebens nach Verbündeten umgesehen, sollte er sie in den Naturgewalten finden?

Die Franzosen waren als Seeleute niemals bewundernswerth, während die deutschen Seeleute an Tüchtigkeit den besten anderer Nationen nicht nachstehen. Die deutsche Flotte ist nicht zahlreich, aber vortrefflich. An der heimischen Küste findet sie jederzeit Zuflucht und kann bei überraschendem Angriffe durch ihre Geschütze und durch Niederrennen den unbehülflichen, menschengefüllten Transportschiffen unberechenbaren Schaden zufügen, während sie einen Kampf mit Panzerfahrzeugen auch nicht zu scheuen braucht. Sollte Frankreich nicht des Schicksals der spanischen Armada eingedenk sein?

Angenommen, die Transportflotte entginge allen Gefahren und erschiene endlich an der Küste, um eine Landung zu erzwingen, so würde sie doch dort deutsche Männer zu ihrem Empfange gerüstet finden. Nicht die Uebermacht allein entscheidet. Bei Eckernförde ruhmreichen Andenkens wurde auch ein übermächtiger siegesgewisser Feind furchtbar bestraft.

Gelänge es aber trotz tapferster Gegenwehr, oder an einem unbeschützten Punkte, die Invasionsarmee auszuschiffen, dann würde

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 535. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_535.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)