Seite:Die Gartenlaube (1870) 518.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

ist, selbst seine Lieblings-Fachwaffe, die Artillerie, nicht ausgenommen. Seinem corsischem Blute mochte die raffinirte Grausamkeit der im Aufstand gegen ihn begriffenen Kabylen und ihrer schwarzen Weiber imponiren, die den armen französischen Gefangenen die Ohren abschnitten, ihnen (die Tambours ausgenommen) die Daumen abhieben, die Nägel an Händen und Füßen abkniffen, sie dann in der glühendsten Sonnenhitze an Bäume festbanden und ihnen sonst noch die entsetzlichsten Folterqualen bereiteten, und er scheint dadurch auf den Gedanken gekommen zu sein, die Furchtbarkeit dieser Barbaren gegen die Civilisation auszunutzen. In der That erschienen sie 1859 auf dem österreichisch-französisch-italienischen Kriegsschauplatze zum ersten Male in Europa und flößten den naiven Natursöhnen Mährens, Böhmens, Kärnthens etc. grimmige Furcht ein. Ihr katzenartiger, springender Angriff, mit wüstem, unarticulirtem Kriegsgeheul verbunden, das Niederwerfen ihrer Opfer, denen sie dann nicht selten durch Gurgelabschneiden den Garaus machten, das Bewachen ihrer total ausgeplünderten Gefangenen mit blitzenden Augen und lechzendem Knurren, gleich wilden Hunden, ihre fast thierische Lebensweise schüchterte den ehrlichen Oesterreicher ein und ließ ihn in diesen Bastarden von verdorbenen Mauren und Arabern mit Negerweibern menschliche Ungeheuer erblicken. Erst nachdem die kaltblütigen Tiroler Kaiserjäger einige derselben in flagranti auf jenen schwer verpönten Verletzungen des Kriegsrechts civilisirter Nationen ertappten und sie folgerichtig auf der Stelle füsilirten (wovon dem Feinde durch Parlamentäre sofortige Anzeige gemacht wurde), fand es Kaiser Napoleon angethan, diese zügellose Truppe zurückzuziehen und ihr später wenigstens die Elementarregeln der Disciplin angedeihen zu lassen. Eine andere Liebhaberei jener spitzbubenhaften Truppe im italienischen Feldzuge war auch, in tollem Angriff vorzustürmen, plötzlich zurückzuweichen und so den Gegner zur raschen Verfolgung hinzureißen. Während des eilfertigen Rückzuges nun fiel da und dort einer der Turcos wie verwundet oder todt zu Boden, aber nur, um gleich darauf wieder lebendig zu werden und nun mit feiger Niedertracht den Oesterreichern, die inzwischen vorübergeeilt waren, in den Rücken zu fallen. Die Oesterreicher machten solcher Infamie, sobald sie dieselbe entdeckt hatten, einfach dadurch ein Ende, daß sie an jedem auf dem Boden liegenden Turcos die Spitze ihrer Bajonnete probirten. Als eigentliche Soldaten haben die Turcos fast gar keinen taktischen Werth, und wir zweifeln keinen Augenblick, daß einige Compagnien handfester preußischer oder sächsischer Grenadiere aus Altpreußen oder der Oberlausitz die ganze, übrigens höchstens neunhundert Mann starke Schwefelbande gelegentlich in die Pfanne hauen oder in einer halben Stunde in Grund und Boden schießen werden. – Die Ausrüstung der Turcos stimmt im Wesentlichen mit der der Zuaven überein, nur daß bei jenen die blaue Jacke an Stelle der rothen tritt und ihnen nur gestattet ist, einen weißen Turban zu tragen. Als unreinen Bastard-Muhamedanern ist ihnen die Farbe des Propheten (grün) versagt.

Was erfahrene preußische Officiere, die ihre Exercitien ebenfalls zu beobachten Gelegenheit hatten, von ihrem burlesken Gebahren halten, davon giebt eine Anekdote Zeugniß, die der alte Oberst v. P., zuletzt Commandeur eines altpreußischen Landwehrregiments, zu dem die bekannten riesigen Hünen der Danziger Kornträger gehören, geliefert hat. König Wilhelm, der davon gehört, daß der alte Haudegen in Chalons gewesen war, fragte ihn gelegentlich: „Na, alter Camerad, Sie haben ja nun auch diese furchtbaren Turcos gesehen, was halten Sie von ihnen? Was würden Sie Ihren Leuten für ein Commando geben, wenn diese afrikanischen Panther auf Sie losgesprungen kämen?“

„Das ist sehr einfach, Majestät; ich würde rufen: ‚Kinder, greift Euch doch ’mal die Affen.‘ Und ich gebe Ihnen mein Wort, Majestät, sie greifen sie feste; Majestät müßten ’mal blos die Vordertatzen von meinen Kerls genauer besehen!“

Eine fast ebenso unnütze Truppe sind die sogenannten Zephire, eine poetisch seinsollende Uebersetzung von „Windbeutel“. Von ihren ehrenwertheren Cameraden werden sie schlechtweg ebenso schmeichellos, als zweideutig „soldats-vauriens“ (Kanonenfutter) genannt. Sie recrutiren sich (ihre Effectivstärke schwankt daher zwischen beträchtlich auseinanderliegenden Ziffern) aus dem Abhub sämmtlicher französischer Regimenter. Alles, was sich schwer in die Begriffe „Mein und Dein“ finden kann, was fortgesetzt widerspenstig, dem Trunke ergeben ist und durchaus nicht gut thun will, kommt (Officiere zur Strafversetzung schwerster Art mitinbegriffen) zu diesem Strafregiment in Algerien, dem einzigen in der französischen Armee, bei dem (wir wissen das ganz bestimmt!) die Prügelstrafe noch zu den gesetzlichen Strafen gehört und auch häufig genug applicirt wird.

Im Uebrigen hat der Zephir höchstens den Muth solcher verlorene Söhne, die Nichts zu riskiren, aber Alles zu gewinnen haben – ein Umstand, der Einzelne unter ihnen, die früher in anderen Regimentern etwas gelernt hatten, zu ganz tüchtigen Soldaten macht, doch ist ihre Zahl verschwindend klein, auch vernachlässigen sie sich gar zu leicht. Vor einem festen, geschlossenen Angriff (wir haben das gelegentlich wiederholt in der Vorstadt St. Antoine bei Paris Eisenarbeitern gegenüber, die mit Zephiren in’s Raufen kamen, gesehen) ergreifen sie regelmäßig, schimpfend und schreiend, das Hasenpanier; überdies zeigen Alle, aus naheliegenden Gründen, großes Talent zum Desertiren. – Ihre Ausrüstung ist einfach und bequem: kurzer, blauer Rock, der die Mitte zwischen Waffenrock und Jacke hält, Lederriemen mit Cartouche, Miniégewehr mit Bajonnet und schwerem Seitengewehr zum Schlachten und Holzschlagen, blaue oder weiße Pumphosen mit Gamaschenschuhen und, in Rücksicht auf etwaige Beute, möglichst großer Tornister und weiter Schnappsack. Ihre Kampfesweise ist ein wüstes Durcheinander mit unaufhörlichem tollen Geschrei; zu einer geschlossenen Colonne sind sie schwer zu formiren, und man überläßt ihnen deshalb gern den sogenannten Guerilladienst, zu dem sich diese wenig muthigen Schreier auch am besten eignen.

Eine ziemlich achtbare Truppe ist dagegen die eingeborne algierische der Spahis oder Sipahis. Ausschließlich aus rein arabischem Blute entsprossen, erfreute sie sich stets besonderer Aufmerksamkeit Seitens der Gouverneure, die sie auch, ob ihres Ernstes und ihrer, wenigstens nach afrikanischen Principien, anständigen Haltung, verdient. Der in einen weißen Burnuß gehüllte, magere, aber sehnige, ausdauernde Reiter wird von einem ebenfalls schlanken und sehnigen, blitzschnellen, unverwüstlichen Pferde getragen, ein Muster für den Ordonnanz- und Vedettendienst, für welchen letzteren ihm überdies seine anerkannte Verschlagenheit zu Statten kommt. Er ist nüchtern und hat fast gar keine Bedürfnisse, die sich füglich in eine Handvoll Mais, Reis oder Datteln, ein Schälchen Kaffee und ein Beutelchen Tabak zusammenfassen lassen. Daß sie mit Nutzen im gegenwärtigen Kriege (ihre Zahl dürfte schwerlich sechshundert überschreiten) zu verwenden sind, bezweifeln wir. Ganz abgesehen davon, ob der Spahi dem deutschen, nordischen Klima widerstehen wird, so ist sein Pferd weichhufig und an kein anderes Futter als den heimischen Mais (Durrah) gewöhnt, was herbeizuschaffen sehr schwierig sein dürfte. Ihre Kampfesweise ist ein ebenso windschnelles Attaquiren wie Verschwinden, ein hübsches, aber ziemlich unschädliches Manöver. – Ihre übrigens größtentheils europäischen Officiere tragen, abweichend von ihren Untergebenen, eine rothe Husarenjacke mit fünf Reihen Schnüren, weite rothe Hosen mit Lederbesatz, einen mächtigen geraden Pallasch und Sattelpistolen. Der gemeine Spahi bewaffnet sich dagegen mit der einheimischen, fast sechs Fuß langen Flinte, dem haarscharfen breiten Handschar und langem Dolch.

Desto brauchbarer und nützlicher im Dienste, zu Roß und zu Fuß, sind die Chasseurs d’Afrique, eine geübte, im Waffendienst erprobte Truppe, zur Zeit etwas über zweitausend Mann stark und, wenn wir nicht irren, in vier oder fünf Regimenter vertheilt. Sie haben Jahre hindurch mit den wilden Eingeborenen sich herumschlagen müssen, dabei jeden Vortheil erfassen und vom Felddienst ein tüchtig Stück gelernt. Tapferkeit und Schlagfertigkeit sind ihnen in keiner Weise abzusprechen, wenn sie auch keine besseren Scharfschützen sind, als die meisten ihrer französischen Cameraden, deren lebhaftes Temperament sie immer noch viel zu viel „knallen“ und in die Luft schießen läßt. Es ist unglaublich, welch’ eine Unmasse von Munition schon bei den Manövern an einer Waffe förmlich vergeudet wird, deren Leistungsfähigkeit für einen längeren Feldzug noch nicht einmal festgestellt ist. Sonst ist der Chasseur d’Afrique ein sattelfester Reiter (dessen Pferd auch minder empfindlich, als das des Spahi) und versteht, als dressirter Fechter, seinen langen geraden Pallasch auf Hieb und Stich ziemlich sicher zu führen, d. h. wenn er dazu kommt. Er bleibt deshalb unter allen Umständen, neben dem Zuaven ein beachtenswerther Feind. Mit letzterem hält er denn auch aller

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 518. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_518.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2019)