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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Staatsform der Niederlande, die jenes Gefängniß nur verließen, um vom Pöbel in Stücke gerissen zu werden! Seine Kräfte schwanden dahin, und als ihn ein Sohn Victor Hugo’s einige Tage vor seinem Tode besuchte, sagte er ihm: „Ich werde die Republik nicht mehr erleben; Ihr könnt sie sehen; bewahrt sie dann gut!“

Jene Schrift: „Zwei Tage lang zum Tode verurtheilt“ schließt mit den Worten: „Ein junger Mann voller Kraft ging ich in den Kerker, und jetzt … o Gott! befürchte keine ungerechten Vorwürfe! Ich glaube mehr als je an die Herrlichkeit deiner Satzungen. Aber sollte die unserem theuren Lande auferlegte Prüfung in diesen Tagen ein Ende nehmen, dann, o Herr! bitte ich dich, dein Auge auf mich zu richten. Meine Arme sind abgemagert, meine Stimme hat die Kraft verloren und mein Gedanke ist eine in meinem Gehirn langsam erlöschende Lampe; aber mein Herz und meine Seele, das weißt du, sind die eines willigen Menschen, und ehe ich dieses Leben verlasse, möchte ich noch jene letzte große Schlacht zwischen Recht und Unrecht mitmachen und das Schwert schwingen im Namen der Gleichheit und Freiheit Frankreichs!“

Er sollte sie nicht mehr erleben, diese große Schlacht; er starb – am Kaiserreich. Von den sechszig Jahren, die er gelebt, brachte er mehr als zweiunddreißig in der Gefangenschaft und im Exile zu; das waren die Dienstjahre und die Wunden dieses tapfern und unerschrockenem Soldaten der Demokratie!

Die Leichenrede am Grabe hielt sein alter Gesinnungsgenosse Louis Blanc. „Was spricht man doch von freiwilliger Verbannung,“ sagte er, „wie wenn es einen Zwang gäbe, der mächtiger wäre als der, welchen das höchste Gut des Menschen, ein ruhiges Gewissen, ausübt? Kann man die Verbannung von Barbès in der That eine freiwillige nennen? Nein, gewiß nicht; denn er wurde ja nicht besiegt … der Sieg der Verfolgten besteht ja gerade aus der Reihe ihrer Niederlagen!“

So ruht er nun in dem Lande der Geuzen, der Witt und Oldenbarneveldts; es war ein bitteres Gefühl in seiner Todesstunde, daß er in fremder und nicht in Frankreichs Erde begraben werden sollte.

Was das Aeußere Barbès’ betrifft, so war er eine hohe, achtunggebietende Gestalt; eherne, stark markirte Gesichtszüge, eine hohe Stirn, buschige Brauen, unter denen ein blitzendes Auge wohnte, das ebenso mit unheimlichem Feuer leuchtete, wie mit treuherziger

Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_508.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)