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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

vertreten. Sie bildet ein recht wesentliches Element in unserem jährlichen Einnahmebudget, denn jeder Landschaftsgärtner, gleichviel ob er größere oder kleinere Areale zu schmücken hat, will von unseren Nordmannianen haben.“

Eine andere Merkwürdigkeit der Anlagen hat das himmlische Reich gespendet. Auf den ersten Blick hielt ich sie für unsere gewöhnliche Lärche, bei näherer Untersuchung gewahrte ich, daß die Nadeln ein gut Theil breiter und länger und von einem helleren Grün waren als bei dieser.

„Wenn Sie uns einmal im Herbste besuchen,“ sagte mein Begleiter, „müssen Sie den Baum sehen; alsdann glüht sein Laub in einem tiefen Goldgelb. Die Chinesen nennen ihn darum auch die ‚goldene Tanne‘. Die Botanik kennt ihn als die ‚Bastardlärche‘. Sie ist unbestritten die Königin aller Lärchenarten und in Europa noch höchst selten. Unsere größeren Exemplare berechnen wir mit zwanzig bis dreißig Thalern.“

Dies nur einige wenige Beispiele, um die reiche Mannigfaltigkeit von Formen und Farben der Oberhüttener Coniferensammlung zu charakterisiren. Die Gesammtzahl der daselbst cultivirten Fichtenarten beträgt gegen vierzig; von Tannen fand ich vierundzwanzig, von Araucarien vier, von Cedern acht, von Lärchen sechs, von Kiefern gar an fünfzig Gattungen in den verschiedensten Exemplaren und Altersstufen repräsentirt. Von Cypressen und deren Verwandten, diesen feierlichen und doch so graziösen Baumgestalten, unter denen das Auge zumeist auf der grotesken Figur der aus dem fernen Tasmanien stammenden Gliederfichte mit den langen seltsam gegabelten Zweigen und den lanzettförmigen tiefgrünen Blättchen haftet, sehen wir die stattliche Legion von einigen sechszig Gattungen ihre spitzen Wipfel emporrecken. In dasselbe Geschlecht der Cupressineen gehören die Lebensbäume – Thujen –, von denen Herr Lässig aus seinen Baumschulen mehr als dreißig Arten versendet. Auch die höchst wunderliche Schirmfichte fällt in diese Kategorie. Sie kommt aus dem an Bizarrerien so reichen Japan und muß als eines der eigenthümlichsten und auffallendsten Nadelhölzer erwähnt werden, welches je bei uns eingeführt worden ist. Ihr Wuchs ist von regelmäßig pyramidaler Form, und ihre wohl fünf Zoll langen, leuchtend grünen, lederharten Nadeln bauen sich an den Enden der zahlreichen Zweige zu einem förmlichen Schirme zusammen. Da der Baum in unserer Temperatur freudig gedeiht und selbst von höheren Kältegraden sich nicht anfechten zu lassen scheint – er ist erst neuerdings bei uns bekannt geworden – so steht ihm ohne Zweifel eine hervorragende Rolle in unseren Garten und Parkanlagen bevor. Allen Gärtnern und Gartenbesitzern sei daher die originelle Japanesin recht warm an’s Herz gelegt.

Daß unser Wachholder gleichfalls ein Glied der düstern Cypressenfamilie bildet, ist wohl nicht allen meiner Leser bekannt. Ebenso ist es ihnen vielleicht neu, daß der bei uns so anspruchslose Strauch namentlich im Orient in einer sehr großen Abwechselung von Arten und Varietäten vorkommt, die sich zum Theil durch die malerische Schönheit ihres Baues auszeichnen. Die Oberhüttener Gärten werden uns auch für diesen Zweig der Botanik zum praktischen Handbuche. Ich zählte daselbst mehrere und dreißig Arten, von den Bermuda-Inseln, aus China, aus Griechenland, aus dem Kaukasus, aus Sicilien, aus Nepal, aus dem Himalaya, aus Spanien, aus Japan, aus Nordamerika, möchte aber zweien davon den Preis ertheilen: der orientalischen Juniperus excelsa stricta, einem Strauche von dichtgedrungenem Wuchse und feinen, eng aneinander gefügten in’s Blaugrüne schillernden Blättern, und einem spanischen Wachholder, der Juniperus thurifera, mit schlank aufsteigenden Aesten und meergrünen Blättern. Auch eine Varietät unseres gemeinen Wachholders, die mit hängenden Zweigen, läßt sich zu einer sehr effectvollen Gartengruppirung verwenden.

Als Schluß der Reihe sind die Eiben, Taxineen, zu nennen, mit wenigen Ausnahmen sämmtlich Kinder der Fremde. Der neueste Katalog des Etablissements zählt ihrer über dreißig einzelne Arten auf. Als Ganzes genommen bildet die Familie der Eiben die dunkelste Nuance der grünen Palette, obschon einige Gattungen selbst weißliche Nadeln tragen und eine andere eine constant goldgelbe Belaubung besitzt. Eine Eibe, der in China und Japan heimische Gingkobaum, verliert ihre Nadeln im Winter. Als eine der merkwürdigsten Arten der Familie wurde mir von meinem Führer die kirschenfrüchtige Eibe – Prunopitys – gezeigt, ein vor Kurzem erst aus Chili importirter Baum, dessen gelblichgrüne Früchte an Wohlgeschmack und Arom unsere besten Kirschensorten übertreffen sollen. Bis jetzt war freilich keiner der in Oberhütten gezogenen Stämme bis zur Fruchtbildung entwickelt.

Wenn im Allgemeinen das Riesige und Massenhafte als ein charakteristisches Merkmal des Coniferengeschlechtes hervorgehoben werden muß, so fehlt es doch auch nicht an niedlichen Miniaturausgaben von Nadelhölzern. So sah ich im Parke u. A. die allerliebste Pygmäenfichte, eine Zwergcopie unseres gewöhnlichen norddeutschen Forstbaumes; ferner eine winzige Diminutivweymouthskiefer mit lichtgrünen feinen kleinen Nadeln, und die bekannte Legföhre der Alpen. Auch von der Lawsoniana, jener für unsere Breitengrade unbedingt empfehlenswerthesten aller Cypressen, existirt eine elegante Zwergart, die für kleine Rasenplätze eine sehr anmuthige Decoration abgiebt; die kleinste sämmtlicher bis jetzt bekannten Miniaturconiferen aber ist eine dem asiatischen Osten angehörige Lebensbaumcypresse, die Chamaecyparis obtusa nana. Mit ihren flach aufeinander liegenden kleinen Aesten und Blättern gleicht sie viel mehr einem Moose als einem Baume. Eine Varietät derselben Zwergcypresse erschien mir mit seinen hellgoldgelben Nadeln an den fächerartig ausgebreiteten Zweigen als eine der absonderlichsten Pfleglinge von Oberhütten.

Ich brauche wohl nicht erst zu bemerken, daß der Park des Anwesens selbst nur die Quintessenz, blos die vorzugsweise decorativen Elemente aus dieser erstaunenswerthen Fülle von Nadelhölzern enthält. Die eigentlichen Baumschulen dehnen sich hinter demselben thalaufwärts in beträchtlicher Länge aus, während die vielen Sprößlinge aus milderen Klimaten in mehrere auf das Zweckmäßigste eingerichteten Kalthäusern beherbergt und herangezogen werden. Ein tüchtig geschulter Obergärtner, dessen ganzes Herz an seinen Coniferen hängt, steht dem Besitzer in der Leitung des weitläufigen Etablissements zur Seite, welches, wie ich mich persönlich zu überzeugen Gelegenheit fand, aus dem gesammten nördlichen Europa mit Aufträgen förmlich bestürmt wird, und ein besonderes Gebäude auf der andern Seite des Thales dient einzig und allein dazu, die oft sehr zeitraubende und schwierige Verpackung der in alle Welt hinaus ziehenden Zöglinge der Oberhüttener Anlagen zu bewirken. Wer den romantischen Bielagrund vom Städtchen Königstein hinauf wandert, der wird von Zeit zu Zeit beladenen Karren begegnen, auf welchen in Leinwand gehüllte seltsame Kegel emporragen: die wunderlich vermummten Gestalten sind Coniferen aus den Lässig’schen Baumschulen, die zum Weitertransport durch Eisenbahn oder Dampfschiff zur Elbe hinab gefahren werden.

Von Jahr zu Jahr wächst das Interesse für die Cultur der Nadelhölzer bei allen denen, welche vom Geschick in die beneidenswerthe Lage versetzt worden sind, sich den eigenen Grund und Boden durch die Kunst des Landschaftsgärtners verschönern zu können, weil ohne passende Verwendung von Nadelhölzern eine wirkungsvolle und zu jeder Jahreszeit augenerquickliche Abwechselung der Vegetation bei ausgedehnteren Anlagen kaum zu erreichen ist. Für sie Alle – und Gott sei Dank! der steigende Verkehr und der mit ihm wachsende allgemeine Wohlstand vermehren die Zahl dieser Glücklichen tagtäglich – wird „der Schwedengarten von Oberhütten“, der, mehr als tausend Fuß über dem Spiegel der Nordsee, auch dann eine Versendung seiner Pflanzen noch erlaubt, wenn in niedrigeren Lagen dies schon Wochen lang unmöglich gewesen ist, ein Gegenstand lebhaften Interesses sein. Wer von ihnen das Etablissement noch nicht aus persönlichem Augenschein kennt, der weiß es daher dem Verfasser dieser Zeilen vielleicht Dank, daß er ihm ein neues Reiseziel gezeigt hat, welches das Nützliche und Lehrreiche so bequem mit dem Schönen und Angenehmen verbindet.

Aber wem es auch versagt bleibt, im Schatten eigener Bäume auszuruhen von der Mühsal dieses Lebens – gern wird er doch ein paar Ferientage aufwenden, in einem der lauschigsten Bergwinkel Mitteldeutschlands die Unerschöpflichkeit und Anmuth der Natur auch in Gebilden zu bewundern, die er, in oberflächlicher Kenntniß, leicht geneigt war, für steif und eintönig zu halten. Er gehe denn hin nach Oberhütten und klopfe an bei Director Lässig: man wird ihm freundlich aufthun in dem merkwürdigen Etablissement, das durch die Akklimatisation der schönsten und werthvollsten Coniferen aus allen Zonen sicher auch für unsere heimathliche Forstwirthschaft noch reiche Früchte zeitigen wird.

H. Scheube.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_410.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)