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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

gegenseitig fördern. Der Kaufmann wird dadurch ein praktischer Mann der Wissenschaft und gewinnt als Vermittler von Mangel und Ueberfluß zwischen den verschiedenen Völkern ein höheres, persönliches und sittliches Selbstgefühl, das herrlichste Mittel gegen Krämergeist, Philisterei und knickerigen Mammonismus.

Unermüdlich verbessernd und strebsam brachte er die Akademie endlich zu einem äußeren Glanze und einer inneren Vollkommenheit, die wir ähnlichen Anstalten nicht warm genug zu genauerer Kenntnißnahme empfehlen können. Die Professorenhonorare stiegen auf zweitausend Gulden. Schmähungen und Schmähschriften wurden zu begeisterten Anerkennungen, und ungarische Schriftsteller widmeten ihm in ihrer Sprache Bücher. Das Schulhaus wurde zu eng und er zauberte die Mittel (zweihunderttausend Gulden) zu einem neuen, größeren Tempel herbei, der sich nun auch an der schönen, breiten Donau erhebt. Die Regierung, anfangs ebenfalls feindlich, zahlt jetzt jährlich zehntausend Gulden Hülfsmittel und ertheilt den Schülern mit einem Zeugnisse der Reife das Recht zum einjährigen Freiwilligendienste. Ebenso verlegte sie die königliche Schifffahrtsschule in das Akademiegebäude und benutzte dessen Professoren.

Im Herbst vorigen Jahres wurde ihm die kaufmännische Sonntagsschule übertragen, um sie ebenfalls in seinem Geiste neu zu gestalten. Dies ist ihm bereits mit glänzendem inneren und äußeren Erfolg gelungen. Dazu kommt im April die neue Schule für Commis und bis zum October ein neues Stockwerk auf dem Schulgebäude für ein Pensionat der Handelsakademiker, moralisch und materiell für unerläßlich gehalten. Die deutsche Sprache, früher gehaßt und wenig gekannt, ist jetzt in Körner’s Anstalten neben der ungarischen die vorwaltende. Jeder Schüler muß als Ungar diese beiden gründlich und außerdem Englisch, Französisch und Italienisch lernen. In diesen fünf Sprachen wird Nationalökonomie, Wechsel- und Handelsrecht, Chemie, Physik, Technologie, Geographie mit Waarenkunde in einer so praktischen Weise gelehrt, daß die Schüler eine Fachbildung als Grundlage einer allgemeinen Geistesbildung gewinnen. Dies wird durch zweckmäßige Methode und lebendige Vereinigung des Gleichartigen, so wie durch Vermeidung alles bloßen trockenen Gedächtnißkrames mit wunderbarem Erfolge verwirklicht. Die Waarenkunde, so wichtig für den Kaufmann und sonst fast überall trocken und abgerissen besonders gelehrt, tritt bei Körner als Blüthe und Frucht der Geographie und Naturwissenschaft auf. Es wird von einem Lande, einem Thiere gesprochen; Beides vereinigt sich zu einem klaren Charakterbilde. Man sieht, wo das Thier lebt, was von ihm als Waare und wie diese in den Handel kommt, wie man sie behandelt, von wo und wohin man sie versendet. Dies nur als Beispiel.

Die Handelsakademie verwaltet und regelt sich selbst. Zwar steht Körner unter dem Handelsministerium, aber es begnügt sich mit einem jährlichen Berichte. Die Abhängigkeit von einem Comité beeinträchtigt insofern die Freiheit des Directors nicht, als er bei Verhandlungen nicht nur der Form nach, sondern auch in seinem anerkannten wissenschaftlichen und praktischen Geiste immer als Vorsitzender unbestritten anerkannt wird und bürokratische Schuriegeleien, wie sie anderswo Geist, Kraft und Wissenschaft tödten, dort unbekannte Größen sind.

„Ausdauer führt zum Ziel.“ Diese Worte hatten die Hörer der Handelsakademie schon vor mehreren Jahren unter das Portrait ihres Directors, welches sie ihm in künstlerischer Ausführung überreichten, drucken lassen. Zur Würdigung eines solchen Lebens aber gehört ein guter, ganzer Band, der auch sicherlich noch geschrieben werden wird. Jetzt mögen diese kargen Worte hinreichen, auf diesen energischen Helden einer gesunden Schul- und Geistesbildung und deutscher Cultur in Ungarn aufmerksam gemacht zu haben.

H. Beta.




Blätter und Blüthen.

Packträger, Omnibus und Schiebkarren. Es ist eine alte Erfahrung, daß die Erfinder gerade derjenigen Dinge, die wir täglich gebrauchen, und die Urheber gerade derjenigen Einrichtungen, die wir als mit uns geboren ansehen, am leichtesten vergessen werden; daß es des Scharfsinns der geistvollsten Männer bedurfte, um das eine oder das andere jener ganz gewöhnlichen Instrumente herzustellen, dessen sich heute jede Hand gedankenlos bedient und dessen Erfindung sich heute schließlich jeder Handwerker zutraute – wenn es nämlich nicht schon erfinden wäre – davon lassen sich nun gar die Wenigsten etwas träumen. Welche Stadt mit regem Verkehr und lebhaftem Gewerbebetrieb möchte heute noch das Institut der Packträger, Dienstmänner, Expreßcompagnien etc. entbehren? Keine. Wer aber erinnert sich noch Desjenigen, dessen speculativem Kopf zuerst der Gedanke entsprang, an die Straßenecken in seinem Dienst stehende Leute zu postiren und deren Arme und Beine dem Publicum für eine gewisse Entschädigung zu Gebot zu stellen? Es war niemand Geringerer als Paul Scarron, der geistreiche Komödiendichter, der liebenswürdige Verschwender, der erste Mann der nachmaligen Frau von Maintenon und Geliebten Ludwig’s des Vierzehnten, in dessen Hause sich die gewählteste Gesellschaft begegnete, und der, um seine zerrütteten Finanzen aufzubessern und seiner Frau, deren glänzende Zukunft damals noch Niemand ahnte, ein Vermögen zu hinterlassen, mitten unter den unerhörten Schmerzen eines schweren Krankenlagers jenen eines Industriellen unseres Jahrhunderts würdigen Gedanken ausheckte.

Einem Landsmann von ihm und zwar einem weit berühmteren verdanken wir ferner ein Instrument, das überall Verbreitung gefunden hat und das heute nicht der niedrigste Taglöhner entbehren möchte: es war der Mathematiker Pascal, den wahrscheinlich seine aufopfernde Liebe und Neigung zu den Armen auf den Gedanken brachte, das schwere ermüdende Tragen durch ein leichtes billiges Fahrzeug zu verdrängen. Und es glückte ihm! Der Schiebkarren hat die freundlichste Aufnahme und Verbreitung in der arbeitenden Welt gefunden. Ebenso sein Omnibus! Kein kleinerer Geist als Pascal hat das System der Gesellschaftswägen erdacht und zuerst in Paris mit Hülfe einer industriellen Brüderschaft in gelungener Weise durchgeführt, und wieder mochte ihn hierbei die Idee getrieben haben, es solle auch der Mittellose weite Strecken ohne Mühe und große Kosten zurücklegen können! Ob Pascal’s Geist noch heute über dem Pariser Omnibus schwebt oder ob das organisirende centralisirende Talent der Franzosen daran schuld ist, die Thatsache steht fest, daß das Pariser allgemeine Verkehrswesen musterhaft ist. Vom Omnibus zum Vélocipède ist kein großer Sprung und Jedermann weiß, daß auch dieser neueste Sport, der seine Reise um die Welt nunmehr schon vollendet haben wird, in unseren Tagen gleichfalls von Paris ausgegangen ist. Trotzdem war es Niemand anders als der große Newton, der im Laufe seines thatenreichen Lebens die verschiedensten Beweise von der mechanischen Fertigkeit und Geschicklichkeit seiner Hand abgelegt und schon vor zweihundert Jahren einen Wagen erfunden hat, den der darin Sitzende ohne äußere Hülfe in’s Fahren bringen konnte. Er also ist so ganz eigentlich der Vorkämpfer des Vélocipèdes.

Ein Hebel der Kunst-Industrie. Zu einem solchen sich emporzuarbeiten ist der Zweck einer illustrirten Gewerbezeitung, von welcher der vollendete siebente Jahrgang (1869) vor uns liegt, der in der That unsere bewundernde Anerkennung herausfordert. Es ist dies die „Gewerbehalle, Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunst-Industrie. Unter Mitwirkung bewährter Fachmänner redigirt von Wilhelm Bäumer, Professor der Architectur am Polytechnicum in Stuttgart, und Julius Schnorr, Zeichner. Stuttgart, Verlag von J. Engelhorn.“ Muß man leider zugeben, daß die Arbeiten des Handwerks aus ihrer allgemeinen Niederlage durch den dreißigjährigen Krieg und aus der im Laufe der nachfolgenden Zeiten immer tiefer gesunkenen Geschmacklosigkeit sich noch nicht wieder auf ihre frühere Höhe, wo sie zum Beispiel Nürnberg zu einem Schmuck von Deutschland gemacht, erhoben haben; daß die Kluft zwischen der verschwenderischen Ueberladung aller Gegenstände des höfischen Luxus und der armseligen Einfachheit in den Formen aller Gegenstände des alltäglichen Bedarfs noch immer nicht ausgefüllt ist, und daß darin keine der geringsten Ursachen zu der Klage liegt, daß das Handwerk seinen „goldenen Boden“ verloren habe: so wird man von der Wichtigkeit eines Unternehmens überzeugt sein, welches die Versöhnung der Kunst und der Industrie auf dem praktischsten Wege anbahnen will. Dies geschieht durch einfache klare Lehre und sehr reiche und zahlreiche Beispiele in Zeichnungen, welchen, wo es wünschenswerth, die Details meist in natürlicher Größe beigegeben sind. Der vorliegende Band behandelt in größeren Aufsätzen unter Anderem: Werth und Bedeutung der alten Vorbilder in der Kunst-Industrie, die Kunstarbeiten in Eisen, die Thürklopfer, den Styl in der Ornamentik etc., während die Illustrationen mit ihren kurzen Erklärungen die Arbeiten des Schreiners, Zimmermanns, Schlossers, Stein- und Bildhauers, Stuccateurs, Vergolders, Decorateurs, Ebenisten, des Gold-, Silber- und Metallarbeiters, ferner die Decorirung der Fenster, Bronzen, Uhren, der Gefäße aus Fayence, Porcellan, Glas, Krystall, der Leder- und Portefeuille-Arbeiten, der Weberei, Stickerei etc. umfassen. Daß diese „Gewerbehalle“ keine Text- und Bildersammlung für den Bücherschrank, sondern ein Werk für das Leben ist, dafür zeugt wohl auch der Umstand, daß sie zugleich als internationales Organ der Kunst-Industrie in den Sprachen Frankreichs, Englands und Amerikas, Italiens, Spaniens und Hollands erscheint.




Kleiner Briefkasten.

Julius Muth in Rußland. Der Himmel ist hoch und der Zaar ist weit und Rußland ist groß. Wir müssen Ihnen darum, nachdem Sie keine genauere Adresse angeben und doch auch noch nicht zu den europäischen Berühmtheiten gehören, auf diesem Wege mittheilen, daß uns kein Aufsatz, wie Sie ihn reclamiren, zugegangen ist.

E. D. „Ermuthigt“ hat Sie unsere ernste Mahnung an die jungen Lyriker? Schon Ihr Brief zeigt, daß Ihnen Lernen nöthiger als Dichten ist. Ihr sogenanntes Gedicht liegt bei Dutzenden ebenbürtiger im Papierkorb.




Inhalt: Aus eigener Kraft. Von W. v. Hillern. (Fortsetzung.) – Gaudeamus! Von G. Arnold. Mit Portrait. – Eine Thierversteigerung in Antwerpen. Von Brehm. – Das amerikanische Hôtel. – Ein Tempel der Hauscultur. Mit Abbildung. – Vom deutschen „Cantor-Fritz“ in Ungarn. Von H. Beta. – Blätter und Blüthen: Packträger, Omnibus und Schiebkarren. – Ein Hebel der Kunst-Industrie. – Kleiner Briefkasten.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_176.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)