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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

„Danke bestens, lieber Brehm, sollen wir Holländer denn ewig Chinesen bleiben in Ihren Augen?“

„Ja, van Bemmelen, das seid und bleibt Ihr, die Chinesen Europas; aber Ihr wißt ja wie ich Euch, und insbesondere auch Sie schätze und liebe,“ –

es ist der Director des Dierentuin“ in Rotterdam, der würdige Nachfolger des alten Martin, Monsieur Martin, seiner Zeit berühmter Thierbändiger, später Gründer des besagten Thiergartens, jetzt ausruhend auf seinen Lorbeeren, zurückgezogen von einem hübschen Vermögen lebend, welches er sich erworben im Laufe der Jahre, – nicht immer leicht, vielmehr oft recht schwierig, mit seinem eigenen Blute sogar, wie die von seinen Gegnern, Tigern und Löwen, zerfetzten Glieder, sichtlich erweisen. Jetzt widmet er sich einzig und allein der Erziehung seiner Kinder, an welcher er nichts fehlen läßt von all’ dem, was er sich niemals anzueignen vermochte, und klagt über den Verfall der Thiergarten; „denn eigentlich,“ meint er, „werden doch nur in London und Amsterdam die Thiere gepflegt“ – Raubthiere natürlich, denen gegenüber alle übrigen kaum der Erwähnung werth. In seinen Augen gelten sie wenig, die Herren Collegen; nur in „dem Bodinus“ sieht auch er den hervorragendsten aller deutschen Thiergärtner und kann sich gar nicht genug darüber wundern, daß es Berlin gelungen den Kölnern solchen Mann zu entfremden; auch zu Schöpff, dem Inspector des Dresdener Thiergartens, hat er Vertrauen: – „sehr gutes Raubthierhaus das in Dresden, Löwen, fast so schön wie meine waren,“ bemerkt er mit sichtlicher Befriedigung.

Ja, sie sind alle hier, die Würdigen: Funck aus Brüssel, jetzt Köln, Dr. Hammelrath, Funck’s vielversprechender Nachfolger, Roberti de Grady aus Lüttich, Dr. Maitland aus ’sGravenhaage (Haagh), Desmeurs aus Florenz; nur die Thiergärten Hamburgs, Frankfurts, Hannovers und Breslaus haben ihre Vertreter nicht gesandt. Sie sind alle hier, auch die Unwürdigen: Dytgard aus Gent, früher Advocat, jetzt kenntniß- und bedeutungsloser Director des verkommenen und mehr und mehr verkommenden Thiergartens, nebenbei und hauptsächlich aber Zuckerfabrikant; sie sind hier, die Händler: Jamrach, Hagenbeck, Reiche, Poisson, Southerland und Sohn aus Rotterdam, Bocquet aus Paris und Andere; auch sie sind gekommen, die Liebhaber: Grafen Beauford, Reneß, Baron Cornely de St. Gerlach – in früheren Jahren der Vergnügungsmeister und guter Abnehmer von allerlei brauchbaren und unbrauchbaren Thieren, jetzt, nachdem er verheirathet, ein sehr solider Mann, Touché, le Prêtre und wie sie sonst heißen; – Vekemans mustert nicht ohne Befriedigung die bunte Gesellschaft, hält auch die Händler durch vernichtend strenge Blicke gebührend im Zaume.

„Haben Sie meine Vögel schon gesehen, Mijnheer Brehm?“ fragen Southerland und Sohn fast flüsternd und scheu um sich schauend; „wir haben drüben im Pelekan eine große, sehr schöne Sammlung, mehr als hundert ‚vreemde Vogelsoorten‘ – aber still, Vekemans sieht uns zusammen sprechen!“

„Ja, warum denn nicht, verehrter Southerland und Sohn?“

„Nein, nein, der Mann duldet nicht, daß auch Andere Geschäfte machen; ich will langsam vorausgehen; kommen Sie nach, lauter ‚zonderlinge Vogels‘ und alle in ‚kleuren‘ (Farbe),“ schließt Southerland, Vater.

Die Reihen lichten sich bedenklich; Einer nach dem Anderen schleicht hinüber nach dem Pelekan, um die „mengelingen Vogelsoorten“ anzusehen, bezüglich ein und das andere Stück zu kaufen.

„Ich muß auch hinüber; lieber Bodinus, falls etwas Gutes kommt, sei so freundlich, es zu kaufen.“

„Geh’ ohne Sorgen; erst kommen hier immer die gemeinen Vögel zur Versteigerung; Du hast Zeit genug.“

Vekemans erkennt die Verschwörung, besteigt seinen gewöhnlichen Sitz auf dem Musiktempel, vor welchem, zumeist im Schatten, eine lange Tafel aufgestellt worden, und giebt dem schwarzen Thürsteher des Gartens, welcher mit dem Ernste eines Pavians hinter seinem Stuhle steht, bedeutsam und würdig einen Wink. Ein breiter Pflanzerhut beschattet sein ausdrucksvolles Gesicht – für alle Kundigen das untrügliche Zeichen, daß die Versteigerung beginnen wird; auch van der Stappen, der königliche Notar und Steigerer, der Secretär des Gartens und die nöthigen Schreiber haben sich bereits eingefunden. Der Schwarze rührt die Klingel, um die im Garten Zerstreuten zusammenzurufen; einige Dutzend unreife Jungen nehmen eiligst auf den vordersten Mühlen zu beiden Seiten der Tafel Platz. Herr Agthe, ein deutscher Uhrmacher, Freund des Gewaltigen und heimlicher Mithelfer beim Bieten, sichert sich einen Sitz den Versteigerers gegenüber; die noch übrigen Plätze werden nach und nach eingenommen von Namenlosen, deren Wünsche in Erlangung eines Jako oder eines Pärchens Prachtfinken gipfeln. Vom „Museum“ her schleppen mehrere Wärter Käfige mit Hühnern, Tauben, ausländischen Finken und dergleichen herbei, zwischen welche Papageien, Pfefferfresser und andere Prachtvögel, Mähnenäffchen, überhaupt seltene Thiere, als Schaustücke und Lockvögel gestellt werden, in der Absicht den Kreis der „amateurs“ zu dichten und zusammenzuhalten.

Ein Pärchen Paradieswittwen, das Männchen im vollsten Schmuck seiner lang herabhängenden Schwanzfedern wird zuerst ausgeboten, vorher aber allmänniglich so nah, als eben erwünscht vor das Gesicht gehalten, indem der Beauftragte auf der einen Seite der langem Tafel hinauf, auf der anderen Seite zurückgeht.

„Meine Damen und Herren,“ sagt van der Etappen, ohne sein schlaffes, aber gutmüthiges Gesicht zu verändern, „ein Paar seltene Vögel aus Afrika, treffliche Sänger, leichte zu erhalten, brüten auch in Gefangenschaft; eingesetzt zu zwanzig Franken, fünfzehn, – zehn, – fünf Franken.

„Marchand!“ ruft Agthe.

Und nun wird auf diese Vögel, welche in der That ihre sechs bis zehn Franken werth sind, mit einem Eifer geboten, als gäbe es nur dieses eine Paar in der Welt.

Es folgen in bunter Reihe Haushühner, Finken, Wildtäubchen, Papageien, Haustauben und dergleichen, ohne daß vorher zu ahnen, wann diese, wann jene Art ausgewählt wird. Nur das Eine erfährt bald Jeder, daß ein erzielter hoher Preis unabänderlich sofortiges Ausbieten anderer Stücke derselben Art zur Folge hat. Denn Vekemans will nicht, daß ein Liebhaber unbefriedigt von dannen gehe, und giebt, seine Lieblinge ausgenommen, das letzte Stück einer Art, welche Erfolg hatte, den Kauflustigen preis.

„Ein Amazonenpapagei!“ läßt sich van der Stappen vernehmen, „ein Vogel, welcher spricht, ,Papa‘ und ,Mama‘ sagt, ein sehr ausgezeichneter Papagei; er wird mit hundert Franken eingesetzt.

„Der Vogel ist krank,“ flüstert mir Bodinus zu; „er hat die Schwindsucht.“

Vorher saß der arme Gesell kläglich genug im Gebauer; jetzt, als sein Schicksal entschieden werden soll, klettert er mit glattem Gefieder auf und nieder. Aber freilich, dem Eingeweihten erscheint das nicht wunderbar; denn jeder Wärter, welcher Vögel vorzuzeigen hat, hält in seiner Hand ein feines Stöckchen, das gerade Gegentheil einer Wünschelruthe, weil es Verborgenes deckt, nicht verräth, ein Zauberstäbchen, mit welchem der geschickte Mann so lange an die Wände des Gebauers klopft, bis auch ein todtkranker Vogel das Gefieder glättet und sich aus Furcht so zusammennimmt, als ihm möglich.

„Zwanzig Franken,“ lispelt eine zarte Frauenstimme; fünf Franken mehr, und der Amazonenpapagei, welcher Papa und Mama ruft, ist ihr Eigenthum. In acht Tagen wird sie einen Todten beweinen.

„Schönsittiche! Zehn, zwölf, achtzehn, zwanzig Franken.“

„Wollen sie dreißig Paare zu zwölf Schilling das Paar?“ fragt Jamrach, listig mit den Augen zwinkernd.

„Fünfundzwanzig Franken!“

„Lauter schöne, gesunde Vögel, seit drei Monaten im Käfige. Diese hier sind auch von mir.“

„Dreißig Franken!“

„Senden Sie mir ein Dutzend Paare.“

„Aber schweigen Sie!“

„Natürlich!“

„Noch ein Paar Schönsittiche – perruches Edwards,“ beginnt van der Stappen von Neuem. Und ein zweiter Amateur versorgt sich.

„Ein Paar unbekannte Vögel aus Afrika, für Sie, Herr Brehm? Hundert Franken!“

„Vierzig Franken!“

„Abgeschlagen, Herrn Brehm!“

„Allgemeines Erstaunen! Vierzig Franken – eine außerordentliche Summe für ein Paar schwarze, unbekannte Vögel!

„Nun,“ meint Bodinus, „hundert Franken hättest Du wohl auch gern daran gewandt. Textor alecto, der Büffelweber, Erbauer der mächtigen Gesellschaftsnester, welcher vorher noch nie auf dem Markte war!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_168.jpg&oldid=- (Version vom 12.5.2019)