Seite:Die Gartenlaube (1870) 123.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

schon blutige Kriege hervorgerufen. Wollen Sie das Vaterland dadurch an den Rand des Verderbens führen, daß Sie einen Coupletvers auf Madame Marfori singen?“

Komiker: „Gott soll mich behüten! Erstlich bin ich ein viel zu guter Patriot, und zweitens erlangte dann unser Director niemals den Titel Commerzienrath, den er schon lange verdient hat. Machen wir unsere Ausfälle gegen den Magistrat, dagegen ist noch selten Einspruch erhoben worden. Aber wie Sie das Alles so aneinander zu reihen verstehen!“

Souffleur: „Ja lieber Freund, um so geistreiche Combinationen machen zu können, muß man Logik studirt haben, oder mit so großem Scharfsinn wie die Berliner Theater-Präventiv-Maßregler von der Natur begnadet sein.

Theatermeister (ruft durch das Sprachrohr nach dem Schnürboden hinauf): „Anton, lassen Sie den Prunksaal der Königin herunter!“

Stimme vom Schnürboden: „Bin schon dabei. – Kopf weg, da unten!“

(Ein prachtvolle Decoration kommt von oben herab.)

Regisseur (mit der gedämpften Klingel): „Bühne frei für das Ballet!“

Capellmeister (tritt seinen Stuhl dem Ballet-Dirigenten ab): „Gott sei Dank, daß ich endlich zu Trarbach komme!“ (Nimmt seinen Hut und entfernt sich eiligst.)

Director setzt sich auf seinen Stuhl. Eine gefällige Ballet-Musik beginnt. Man hört im Hintergrunde plötzlich einen sehr lauten und heftigen Wortwechsel.

Director: „Still mit der Musik! – Was geht denn wieder da hinten vor?“

Decorationsmaler und Balletmeister kommen beide furioso nach vorn gestürzt.

Balletmeister: „Ich sage Ihnen, die Säulen müssen fort, oder ich lasse keinen Pas tanzen; nicht die halbe Wendung einer Pirouette wird gemacht.“

Decorationsmaler (ein Böhme, sehr heiser): „Und ich sag’ Ihnen, die Säulen bleib’n! Ob Sie tanzen lassen, oder nicht, dös ist mir völlig gleichgült’g.“

Director: „Aber meine Herren, was haben die Säulen mit dem Tanze und was hat der Tanz mit den Säulen zu thun?“

Maler: „Herr Director! Ich hab’ den Prunksaal mit besonderer Vorliebe g’malt. Die zwei Säulen rechts und links im Vordergrunde müssen mir’s Ganze halten –

Balletmeister (schiebt ihn zur Seite): „Herr Director! Die zwei Säulen rechts und links im Vordergrunde verdecken mir’s ganze Ballet, das grad’ an dieser Stelle die schönsten Aufzüge und Evolutionen zu machen hat. Ich lasse mir die mühsam einstudirten Tänze nicht verderben durch solche Farbenkleckserei!“

Maler: „Ach, was reden Sie von Farbenkleckserei! Sie werden mit Ihrer kurzröckigen Garde den Kohl a nit fett machen!“

Director: „Ich bitte um Ruhe! Bei der Decorations- und Ballet-Probe werde ich selbst prüfen und danach, keinem zu lieb oder zu leid, entscheiden. – Für heut’ wollen wir uns nach Hause verfügen; kühlen Sie sich über Nacht ein wenig ab. Adieu, meine Herren!“

Regisseur: „Schreiben Sie an’s schwarze Brett, Theaterdiener: ‚Morgen Vormittag um neun Uhr Chor- und Scenen-Probe‘. – Empfehl’ mich, Herr Director!“

Zehn Minuten darauf herrscht tiefe Dunkelheit auf der Bühne und in dem eben noch geräuschvollen Raume hört Nachbars Zibethkatze die Promenadentritte der Mäuschen. Unten auf der Straße aber vor dem Theater stehen die Statisten, Choristen und Musikanten in hellen Haufen, die Ereignisse der eben geendeten Probe noch einmal durchzusprechen oder die durch ihre Mitte schlüpfenden Figurantinnen und Ballerinen mit wohlgemeintem Scherze zu verfolgen; in der Einsamkeit seiner vier Wände aber sieht sich der Director, wie er den Verlauf der Probe noch einmal überdenkt, plötzlich von neuen Sorgen und neuen Befürchtungen überfallen. Wie, wenn der zuversichtliche Theateragent die versprochene Fee Furibunda nun doch nicht zu schaffen vermöchte –? Was dann? Dann sind alle Leiden und Widerwärtigkeiten einer Probe, wie wir sie heute geschildert haben, umsonst gewesen.

A. H.




Die gütige Fee des Erzgebirges.


Es waren in den jüngsten Tagen 295 Jahre, daß eine Frau aus dem Leben geschieden ist, der das Glück zugetheilt war, für ihre Zeit und die kommenden Geschlechter eine wahre Wohlthäterin des Landes zu sein, und die zu den wenigen Frauen gehört, welchen es vergönnt gewesen ist, in der Geschichte der Industrie ihren Namen zu verewigen. Wir sprechen von Barbara Uttmann, der gütigen Fee des Erzgebirges. Die Quellen über ihre Lebensverhältnisse fließen nur spärlich. Frau Barbara stammt aus einem angesehenen Nürnberger Patriciergeschlecht, welches sich nach dem Erzgebirge gewendet hatte. Ihr Vater, Heinrich von Elterlein, lebte als wohlhabender Fundgrübner im Städtchen Elterlein, zwei Stunden westlich von Annaberg, und seit 1526 als Bergzehntner in Annaberg selbst, wo er im Jahre 1539 starb. Sein älterer Bruder Johann war in den Jahren 1500 bis 1504 Stadtrichter in Annaberg, wo sich die Familie Elterlein noch lange erhalten hat.

Barbara Uttmann ist im Jahre 1514 geboren und soll frühzeitig in allen weiblichen Arbeiten eine ungewöhnliche Geschicklichkeit sich erworben haben. Die Frauen der höheren Stände beschäftigten sich damals vorzugsweise mit dem äußerst mühsamen Sticken von Spitzen. Was die fromme Hand geschaffen, sollte hauptsächlich frommen Zwecken dienen, weshalb man diese kunstvollen Arbeiten meist zum Schmuck der Meßgewänder und Altartücher verwendete. Barbara verheirathete sich im Jahre 1535 mit Christoph Uttmann, der seine Heimath Schlesien verlassen hatte und im Erzgebirge ein wohlhabender Bergherr geworden war. Am Hochzeitstage soll ihm die Braut einen von ihr gefertigten Spitzenkragen überreicht haben und dieser Spitzenkragen die erste Klöppelarbeit im Erzgebirge gewesen sein.

Man sagt nämlich, daß die eifrige Stickerin nachgedacht habe, ob es nicht möglich sei, die Spitzen auf einfachere Weise, welche namentlich auch weniger Zeit in Anspruch nehme, herzustellen, und wiederholte Versuche sollen sie nach und nach zum Spitzenklöppeln geführt haben, das also von ihr selbstständig erfunden worden sei. Andere behaupten dagegen, Barbara habe die Kunst von einer Niederländerin erlernt. Die Wahrscheinlichkeit für diese Annahme gründet sich auf den Umstand, daß um jene Zeit das durch seine reichen Silbergrubenfunde in Ruf gekommene Erzgebirge viele Flüchtlinge aus den Niederlanden an sich zog, die, von Alba’s Grausamkeit vertrieben, hier Schutz und Erwerb fanden. Doch selbst dies zugegeben, würde Frau Uttmann immer die gütige Fee des Erzgebirges bleiben; denn das Verdienst, das vorher im Erzgebirge nicht bekannte Spitzenklöppeln dort eingeführt zu haben, würde ihr ja Niemand streitig machen können. Es giebt aber noch andere, gewichtige Gründe, welche für die Selbstständigkeit ihrer Erfindung sprechen. Von sachkundiger Seite wird hierbei namentlich auf die Verschiedenheit der technischen Einrichtung in Belgien und im Erzgebirge hingewiesen.

Wir müssen diese Verschiedenheit etwas näher in’s Auge fassen. Sie prägt sich namentlich in der Form der Polster und Klöppel aus. Im Erzgebirge besteht der „Klöppelsack“ aus einem ein bis zwei Fuß langen und sechs bis zehn Zoll im Durchmesser haltenden walzenförmigen Polster, welches auf einem Gestelle, dem „Klöppelstuhle“ oder „Ständer“, quer vor der Arbeiterin liegt und beim Fortschreiten der Arbeit gedreht wird. Um die Mitte des Kissens ist ein Streif rothen oder weißen Papiers von der Breite der zu fertigenden Spitzen geschlungen, auf welchem das Muster durch Nadelstiche vorgezeichnet ist. Dieser Streif heißt der „Klöppelbrief“. (Die Herstellung dieses Streifens erfolgt durch einen besondern Industriellen, den „Briefstecher“.) Die Fäden sind um die „Klöppel“, hölzerne vier bis fünf Zoll lange Stäbchen, gewickelt, die, um das Abrutschen zu verhindern, oben und unten mit einem Knopfe versehen sind. Darüber ist, zum Schutze des Fadens, eine hölzerne Hülse, das „Klöppeldütel“, geschoben, gerade

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_123.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)