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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

(Allgemeines Gelächter.)

Regisseur (streng): „Was lachen Sie?“

Fräulein Rosenthal: „Ach, Herr Regisseur, Sie sehen zu komisch aus!“

Regisseur (ärgerlich): „Na ja, Sie halten das Alles hier für Spaß. (Schreit:) Requisiteur, wo ist denn die Schlange?“

Requisiteur (aus tiefstem Hintergrunde): „Ich leime ihr eben den Kopf an. Die Katze ist wieder dabei gewesen.“

Inspicient (halblaut: „Das ist Kahlbaums Zibethkatze vom Nachbarhofe. Wenn ich die einmal erwische, hat sie ausgemaust.“

Regisseur: „Probiren wir jetzt erst den Aufzug der Königin Furibunda mit ihrem Gefolge. Herr Petermann, ist der Zug gestellt?“

Petermann: „Alles in Reih’ und Glied. Nur Musik, dann marschiren wir los!“

Director: „Aber Sonnenfeld, stehen Sie doch nicht da wie ein Bäckergesell’ mit Ihren schiefen Beinen! Sie sind nicht hier, um Teig zu kneten, sondern einen Reichsgrafen in voller Würde zu repräsentiren. (Zum Orchester:) Worauf warten Sie denn noch?“

Capellmeister: „Die Königin, Fräulein Süßmund, fehlt an der Spitze des Zuges.“

Director: „Wo ist denn Fräulein Süßmund?“

Regisseur: „Fräulein Süßmund, wo sind Sie?“

Inspicient (ruft in die Coulissen): „Fräulein Süßmund!“

Alle: „Fräulein Süßmund!“

Theaterdiener (kommt vorgestürzt): „Herr Director, ich komme eben von dem Fräulein; sie läßt sich krank melden und meint, die nächsten vier Wochen werde sie wohl das Bett hüten müssen.“

Director (in halber Verzweiflung): „Krank? – Da haben wir’s. – Das hat sie sich in der vergangenen Nacht auf dem Corps de Ballet-Ball bei Kroll geholt, wo sie mit dem Banquier Ephraim Potsdamer bis drei Uhr Morgens champagnert hat. Das gehört so mit zu den Annehmlichkeiten des Theaterdirectorthums! – Wo nehmen wir nun gleich eine böse Stiefmutter für Sneewittchen her, von der der Zauberspiegel sagt, sie sei die Schönste im ganzen Land?“

Theater-Agent (aus der Loge): „Dafür lassen Sie mich sorgen. Sie wissen, man nennt mich den Mann, der Alles kann. In vierundzwanzig Stunden haben Sie eine Furibunda, von deren Schönheit der Zauberspiegel nicht lügen soll.“

Director: „Darf ich mich auf Ihr Wort verlassen?“

Theater-Agent (mit Selbstgefühl): „Was ich bisher versprochen, war ich noch immer gewohnt zu halten. Stelle Ihnen zugleich meine Tochter Mila vor.“

Director: „Habe die Ehre! – Nun weiter!“

Regisseur: „Wo sind die Zwerge?“

Sieben kleine Mädchen (kommen angetrippelt): „Hier sind wir, Herr Regisseur!“

Regisseur: „Habt Ihr auch Eure Rollen tüchtig gelernt?“

Die Zwerge: „Der Herr Souffleur hat sie uns einstudirt.“

Regisseur: „Ida, wirst Du heut’ besser aufpassen als gestern?“

Ida (sehr naiv): „Nein.“

Regisseur (aufhorchend): „Nein? – Warum denn nicht?“

Ida: „Meine Mutter sagt, für drei Silbergroschen Gage an jedem Abend wäre das lange gut genug.“

(Große Heiterkeit auf allen Bänken.)

Director: „Rasch nur weiter, daß wir zum Schlusse kommen. Unser Capellmeister lechzt nach Mosel.“

Regisseur: „Sneewittchen, beginnen Sie mit den Worten: ‚Wie nennt Ihr Euch?‘“

Sneewittchen: „Wie nennt Ihr Euch, Ihr kleinen Männer?“

Die Zwerge (nach einander): „Ich bin der Sonntag, ich der Montag, ich der Dienstag, der Mittwoch, der Donnerstag, der Freitag –“

Der kleine Zwerg (sehr gravitätisch): „Und ich bin der Schabbes. Ich vertrete hier gewissermaßen das Judenthum in der Romantik. Sneewittchen, wenn Du kannst Mazze backen und Schalent bereiten, werden wir uns schon vertragen.“

Alle: „Bravo! Bravo!“

Director: „Hier, mein Töchterchen, hast Du einen Silbergroschen. Wenn das Stück zweihundert Mal gegeben ist, und Du hast Deine Rolle allabendlich so gut gespielt wie heute, sollst Du noch einen Silbergroschen haben.“

Capellmeister: „Aber lieber Director, wollen Sie durch solche Verschwendung sich selbst ruiniren?“

Alle lachen. Der Director verläßt in heiterer Stimmung seinen Stuhl, um ein Glas bairisch Bier, durch Selterwasser verdünnt, zu trinken.

Regisseur: „Prinz Artus! – Gehe wir jetzt Ihre Scene im Felsenthal einmal durch. – Also Sie kommen aus der dritten Coulisse links, schleppen sich mit Anstrengung bis zu dieser Rasenbank im Vordergrunde rechts, und hier sinken Sie mit dem Schmerzensschrei: ‚Ich sterbe!‘ zusammen.“

Prinz Artus: „Erlauben Sie mal, alle früheren Todescandidaten habe ich links umgebracht; warum soll ich denn als Prinz Artus grade rechts sterben?“

Regisseur: „Ganz einfach, weil ich es so angeordnet habe. Sie sterben rechts.“

Prinz: „Ich sterbe links.“

Regisseur (wüthend): „Ich sage rechts!“

Prinz: „Ich sage links!“

Regisseur (stampft mit dem Fuße): „Rechts!“

Prinz (ebenso): „Links!“

Regisseur (nachdem er einige Male mit weiten Schritten die Bühne gemessen): „Aber zum Kukuk, Sie sind ja blos scheintodt. Sobald Sneewittchen sichtbar wird, erwachen Sie blitzschnell zu neuem Leben.“

Prinz: „Das ist etwas Anderes. – Positiv mir den Tod holen werde ich immer nur links, denn rechts ist die Hofloge; sterbe ich auf jener Seite, so sieht Niemand von den hohen Herrschaften etwas von meiner künstlerischen Verendung.“

Regisseur: „Thun Sie mir nur den Gefallen und lassen Sie das ewige, Lächeln andeuten sollende Grinsen; wir wissen ja aus Fränkel’s ‚Neue Coulisse‘, daß Sie vier Reihen weißer Zähne haben. Und Sie, Fräulein Steffansky, sprechen Sie nicht immer ‚ö‘ statt ‚ü‘, ‚e‘ statt ‚ie‘ und ‚ü‘ statt ‚i‘“ – (Sieht nach der Uhr:) „Fünf Minuten Pause. – Nachher Ballet.“

Tänzerin (zum Grafen Confiturini, der die specielle Erlaubniß hat, sich hinter den Coulissen aufzuhalten): „Lieber Graf, haben Sie auch Blumen zur ersten Vorstellung besorgt vor mir?“

Graf: „‚Für mich‘ heißt es, liebes Kind, nicht ‚vor mir‘. Fünfzig Bouquets sind bestellt.“

Tänzerin: „Und wie ist es mit der Handarbeit?“

Graf: „Dem Chef der Claque, dem mit dem goldenen Hundekopfe am Stocke, zahlte ich sechs Friedrichsd’or.“

Tänzerin: „Wie jut Du bist, Hujo!“ (Küßt ihn zärtlich.)

Komiker (im Vorübergehen): „Wünsche allerseits gesegnete Mahlzeit!“

Charakterspieler (zum Souffleur): „Lieber Herr Bläser, ich habe noch nicht eine einzige Sylbe von meiner Rolle gelernt. – Gestern wieder etwas durchgefallen – Kopfschmerz – Ach! – Souffliren Sie doch so laut und deutlich wie nur möglich.“

Souffleur: „Ich werde nach Kräften Ihre Abneigung gegen Alles, was lernen heißt, zu stärken suchen.“

Zärtliche Mutter: „Bitte, Herr Souffleur, mir nur die Stichwörter leise anzuschlagen. Ich habe meine Rolle studirt und kenne sie auf’s Jota. Wenn Sie laut souffliren, verwirren Sie mich.“

Souffleur: „Sobald Sie auftreten, schlag’ ich das Buch zu.“ (Ruft einen Komiker an:) „Sie, Herr Kallipsky! Ihre Couplets sind von der Censur zur Hälfte gestrichen.“

Komiker: „Wie das? Ich denke, die Censur in Preußen ist aufgehoben und darf für ewige Zeiten nicht wieder eingeführt werden?“

Souffleur: „Lieber Freund, man nennt das jetzt auch nur ‚Präventiv-Maßregel‘. Es ist eine dankenswerthe Fürsorge von Seiten der Polizei, um den Staat und die Direction vor Schaden zu bewahren.“

Komiker: „Aber das Couplet ist so harmlos.“

Souffleur: „Dafür halten Sie es. Es kommt jedoch etwas darin vor von der Isabella. Die Spanierin wird von Ihm mit freundlichen Augen angesehen. Darf der Norddeutsche Bund es ruhig geschehen lassen, daß Diejenige von uns bewitzelt wird, die Er protegirt? – Winzigere Umstände in der Weltgeschichte haben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_122.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)