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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)


Kriegsmanns und ausgezeichneten Patrioten waren derlei Ueberschwenglichkeiten und Extravaganzen an dem italienischen Nationalheros abstoßend und zuwider; aber mit Schmerz sah Italien, sah die Marchesa Pallavicini diese beiden würdigen Söhne ihres Adoptivvaterlandes entzweit. Ihrer Alles ebnenden und ausgleichenden zarten Hand gelang es denn auch, was so leicht keinem Manne gelungen wäre: – die Getrennten wieder zusammenzuführen, und bald schon sanken sich die zwei tapfersten Männer Italiens nächst dem Könige brüderlich und versöhnt in die Arme. Die Marchesa aber hatte ihren neuen Bund geweiht!

Hatte ich so Unrecht, sie den guten Genius Italiens zu nennen?!

Aber noch auf anderen Gebieten des öffentlichen Lebens hat sie verstanden segensreich zu wirken und sich auch Dem zu weihen, „was frommt und nicht glänzt“. So hat sie 1870, einem Aufrufe Garibaldi’s an die Frauen Italiens folgend, die Gründung und Präsidentschaft eines aus den ersten Namen der Turiner Damenwelt gebildeten Centralcomités übernommen, dessen Zwecke am besten aus nachstehender Hauptstelle seines alsbald veröffentlichten Programms ersichtlich werden:

„General Garibaldi’s Aufruf an die italienischen Frauen bezeichnet den Zweck unseres Vereins. Unser Hauptaugenmerk wird auf die Wohlfahrt der untern Classen gerichtet sein, wir wollen für die Bedürfnisse der Allerärmsten sorgen, ihre Leiden erleichtern, in ihnen religiöse und patriotische Gefühle, Achtung für das Gesetz, Liebe zur Arbeit, zur Reinlichkeit und Mäßigkeit zu erwecken suchen. Um das Ziel zu erreichen, wollen wir alle Mittel anwenden, die uns unsre Herzen dictiren, und auch alle Vorschläge anhören, die uns aus Italien oder aus der Fremde von Menschen, die unserm Unternehmen zu nützen wünschen, gemacht werden.

Wir haben die Absicht, ohne Aufschub, wenn möglich, 1) eine Armenschule, 2) eine Fürsorgungsgesellschaft und 3) eine Pension für die mittellosen Töchter der italienischen Befreier zu gründen. Wir wünschen, unsere Bestrebungen über ganz Italien ausbreiten zu können, aber zuerst müssen wir unsre Thätigkeit da concentriren, wo das Volk am meisten durch zügellosen Despotismus gelitten hat, und das ist Neapel und Palermo. Da ist die Freiheit noch etwas Neues, da sind die Völker am hülflosesten, da bedarf man am meisten der Unterstützung, die General Garibaldi gefordert hat. Wir appelliren demnach an alle Frauen Italiens, in jeder Stadt und jedem Flecken Comités zu gründen und Sammlungen zu veranstalten, sowohl unter unsern Mitbürgern als unter Fremden, diese Sammlungen aber dem Turiner Comité zukommen zu lassen und sich mit demselben in directe Verbindung zu setzen.“

Großvatersspielen.
Originalzeichnung von Emil Schuback in Düsseldorf[WS 1].

Ein schöneres und edleres Programm kann gewiß nicht gedacht werden! Es gelang, die wärmste Theilnahme dafür im In- und Auslande, namentlich aber unter den reichen Frauen der englischen Geld- und Geburtsaristokratie anzuregen, und man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß auch der bedeutende Aufschwung, den neuerer Zeit das Unterrichtswesen in der Provinz Neapel genommen, zum Theil wenigstens im Zusammenhang mit den Bestrebungen der Marchesa Pallavicino erreicht wurde.

Inzwischen hat Turin seine Stellung als Hauptstadt des Königreichs Italien an Florenz abtreten müssen und schmollt und grollt in seiner Ecke am Fuße der Alpen. Es hat der Sache des Vaterlandes unter allen Städten desselben das größte Opfer gebracht; in der Zeit des Kampfes war es der Mittelpunkt der nationalen und kriegerischen Bewegung; aber die goldene Frucht des Sieges hat die Arnostadt gepflückt, vielmehr sie fiel ihr in den Schooß. Doch nur um so herrlicher und unvergänglicher strahlt der Name Turins in der Geschichte der Wiedergeburt Italiens!

Ob auch die Marchesa Pallavicino ihrem Könige nach Florenz gefolgt ist? Ich weiß es nicht; ich glaube es aber auch nicht. Sie ist zu sehr mit Turin verwachsen, scheint sich überdies jetzt auch ganz von der öffentlichen Bühne zurückgezogen zu haben, wie ihr geliebter – Garibaldino!




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: E. Schulz in Elberfeld; vergl. Berichtigung, Heft 9, S. 144
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_089.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)