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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

ihm neben dem des Sandwirths und des Capuziners in der Innsbrucker Hofkirche ein Grab weihen und ein Denkmal setzen.

Anderl kehrte 1816 in die Heimath zurück und ward ein ausgezeichneter Berg- und Hüttenbeamter, starb aber ebenfalls schon 1834 zu Hall; die Speckbacherin aber, die als Gattin und Mutter von Freud und Leid mehr als tausend andere Frauen erfahren, überlebte die beiden „Rebeller“ und starb erst, hochbetagt, im Jahre 1843.




Vermißte Landsleute jenseits des Oceans.

Daß es sich zwei Male so glücklich gefügt, sorgenvollen Müttern mit Hülfe der „Gartenlaube“ Kunde von ihren verschollenen Söhnen zu verschaffen, hat in unserem Leserkreise für diese neue Wirksamkeit unseres Blattes ein gewiß allzugroßes Vertrauen erregt. Dies ersehen wir aus den zahlreichen ähnlichen Anliegen von Anverwandten Vermißter, die seitdem bei der Redaction eingegangen sind und die uns einen Einblick gestatten in so viel stillen, geheimen Familienkummer, wie ihn die riesigen und rastlosen Verkehrsmittel unserer Tage kaum ahnen lassen.

Müssen wir nun auch im Voraus daran zweifeln, daß den in dieser Hinsicht so plötzlich gesteigerten Ansprüchen unserer Leser so oft, als sie und wir wünschen, entsprochen werde, weil schon die lange Reihe der Vermißten, deren signalisirendste Schicksale wir in möglichster Gedrängtheit wiedergeben wollen, die theilnehmende Aufmerksamkeit für den Einzelnen beeinträchtigt, so soll dennoch von Seiten der Redaction der Gartenlaube Alles geschehen, was irgend dazu beitragen kann, die Nachforschung nach vermißten Deutschen jenseits des Oceans zu erleichtern.

Dagegen dürfen wir wohl auch erwarten, daß unser Publicum seine Ansprüche und Wünsche in dieser Beziehung auf das Maß des Nothwendigsten beschränke, nicht Fälle, wo der Einzelne durch die Benutzung der öffentlichen Verkehrseinrichtungen und der Thätigkeit der Behörden sich selbst helfen kann, der „Gartenlaube“ zur Ermittelung zuschiebe. Das wahre Unglück ist so reich, daß es dieser hiermit eröffneten neuen Rubrik leider niemals an Stoff fehlen wird; liegen uns doch jetzt schon Zuschriften von Behörden vor, welche, nachdem sie die gesetzlich gebotenen Aufrufe nach Verschollenen erlassen, in unsrem Blatte das letzte Mittel sehen, vielleicht dennoch die für die Hinterbliebenen oft so unentbehrliche Kunde über sie zu erlangen. So möge denn unsere Liste „vermißter Landsleute jenseits des Oceans“ hiermit beginnen.

1) Albert Schröder, aus Mühlberg an der Elbe, geboren im März 1835, Landwirth, wanderte im September 1854 im besten Einvernehmen mit seiner sehr wohlhabenden Familie und besonders mit seiner Mutter, nach Nordamerika aus. Gelder zum Erwerb von Grundbesitz sollten an ihn durch einen Herrn Augustus Staude in Okaw Postoffice, County of Washington, Illinois, besorgt werden, dem er empfohlen war. Er zog es jedoch vor, schon in Newyork eine Gärtnerstelle anzunehmen; von da begab er sich Anfang August 1856 nach Indianopolis in Indiana, wo er in eine Brauerei eintrat. Hier schrieb er die einzigen Zeilen, welche seitdem Nachricht über ihn brachten: einen Brief an Herrn Staude, in welchem er sich bitterlich darüber beklagt, daß er auf keinen seiner Briefe in die Heimath Antwort erhalten habe: „Sie, der Sie selbst die große Reise von hier nach unserm Vaterlande und von da zurückmachten, um Ihre Mutter wiederzusehen, werden es sich am besten vorstellen können, wie unglücklich ich mich fühle.“ So schreibt der Sohn, der seitdem dieser Mutter so gut wie verloren ist. Es gilt hier mehr als ein Geheimniß zu ergründen: wohin sind die von ihm erwähnten Briefe gekommen? Wohin hat er sich von Indianopolis gewendet? Die beklagenswerthe Mutter scheut keine Kosten, wenn ihr nur eine Gewißheit gebracht werden kann.

2) Karl Schmidtgen, aus Löbau in Sachsen, wird von seiner einzigen Schwester gesucht. Er war Bootsmann auf dem amerikanischen Schiffe „Emily Farnum“, schrieb zuletzt am 10. April 1867 aus Rangoon, als sein Schiff zur Fahrt nach Liverpool bereit stand. Der Capitän hieß Sims; er und seine Mannschaft sind wie von der Erde verschwunden, ohne daß das Schiff selbst untergegangen wäre, denn im December 1867 war dasselbe in England und Holland, aber mit vollständig neuer Bemannung, und weder Capitän noch Schiffspapiere wissen etwas von Sims und den Seinen. Nur ein Mann kann vielleicht Nachricht geben, wenn dieses Blatt zu ihm gelangt: der Bruder des Capitäns Sims war der Commandant des seiner Zeit vielgenannten südstaatlichen Caperschiffes „Alabama“, und soll jetzt Professor an einer Universität der Südstaaten sein. Er allein weiß vielleicht, was aus seinem Bruder und dessen Leuten geworden ist.

3) Karl Schinck, Kaufmann, einziger Sohn der fünfundsechszigjährigen Wittwe Amalie Schinck in Barmen, ging vor sechszehn Jahren nach Amerika, schrieb zuletzt vor zwölf Jahren aus Franklin in Texas.

4) Friedrich Gottlieb Ilse, aus Hannover, jetzt vierundvierzig Jahre alt, dringend gesucht von seinem Schwager, dem Eisenbahn-Zugführer Rojann in Geestemünde; letzte Nachricht aus St. Louis.

5) August Albert Leszinsky, seit siebenzehn Jahren in Australien, Süd- und Nordamerika, der Gegenstand der Sehnsucht seines alten Vaters und seiner Schwester Marie in Pleschen; sein letzter Brief kam aus St. Francisco in Californien.

6) Dr. med. Otto Krakow, aus Krakehmen bei Tilsit in Ostpreußen, segelte Ende October 1867 von London auf dem Segelschiffe „Robert Peel“ nach Newyork, scheint auf der Passagierliste fälschlich als „Otto Kasko“ eingetragen zu sein und ist trotz aller Consularnachforschungen und obwohl das genannte Schiff weder unterging, noch ihn als Todten anzeigt, seitdem für Gattin, Töchterchen und Schwiegervater in der Heimath verschollen.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Das Singemäuschen. Der Zweifel, den noch Viele in die Existenz einer Singemaus setzen, veranlaßt mich, folgendes Erlebniß zu veröffentlichen:

Als ich eines Abends an meiner Holzkammer vorüber ging, welche sich im Souterrain neben dem Kellergewölbe befindet, hörte ich ganz eigenthümliche Töne von Thieren, die im kleingemachten aufgestellten Holze herum kletterten. Ich blieb, die brennende Lampe in der Hand, vor dem Holze stehen; da wurden diese seltsamen Töne, die von zwei bis drei verschiedenen Stimmen herzurühren schienen, noch lauter und ich wunderte mich nicht wenig, daß die Thiere vor dem hellen Scheine der Lampe nicht flüchteten, sondern unter dem Holze noch näher kamen, ohne daß ich jedoch eines derselben erblicken konnte. Eiligst rief ich meine Hausgenossen zusammen, die ziemlich geräuschvoll einer nach dem andern herzu kamen, ohne daß die Thierchen sich stören ließen. Immer dichter trat ich an das Holz heran und leuchtete hinein. Da zogen die Thiere schnurrend durch das Holz hindurch und plötzlich waren sie im Kellergewölbe, wo nun das Concert auf’s Neue, lauter denn vorher, anfing, bis sie wieder schnurrten und sich verloren hatten – ich wußte nicht wohin.

Von nun an stand ich alle Abende stundenlang mit meiner Lampe vor dem Holze, in welchem diese räthselhaften Concerte gratis gegeben wurden, ohne daß es mir jedoch gelang, die Musikanten selbst zu entdecken. Endlich brachte mich ein Bekannter unseres Hauses auf die Idee, daß die eigenthümlichen Töne von Singemäusen herrühren könnten, und nun stellte ich Fallen auf, worin sich die Thiere ohne Schaden zu leiden fangen konnten; meine Hoffnung erfüllte sich: noch in derselben Nacht waren zwei Mäuschen gefangen, die sofort durch Glucksen ihre musikalische Fähigkeit verriethen. Wer war glücklicher wie ich! Die Thierchen waren so zahm, als hätten sie stets in der Falle gesessen, sie nahmen mir die dargereichte Semmel aus der Hand, setzten sich aufrecht und verzehrten das Brod vor meinen Augen in der Stellung eines Aeffchens. Dann hielt ich ihnen kleine Papierstreifen entgegen, die sie mir hastig entrissen und in eine Ecke trugen, um gleich darauf wieder dazustehen und die Fortsetzung zu erwarten, wobei sie wohl glucksten, aber nicht sangen, was ich ihrer Gefangenschaft zuschrieb.

Auf diese und ähnliche Weise beschäftigte und vergnügte ich mich oft mit den kleinen hübschen Mäuschen, die sich so geduldig in ihr hartes Schicksal fanden; doch blieb ich insofern unbefriedigt, als diese gefangenen Mäuse nicht sangen und sich im Holze auch keine mehr vernehmen ließ. Da ich aber deutlich drei Stimmen gehört und unterschieden hatte, so mußte mir die dritte Maus noch fehlen, weshalb ich abermals die beiden Fallen aufstellte, die eine in den Holzstall, die andere in das Kellergewölbe. Jedoch – sie waren jeden Morgen leer.

Trotzdem stellte ich mich wieder alle Abende lauschend vor das Holz. Und siehe da – eines Abends hörte ich dieselbe dreistimmige Musik wieder, wie ich sie bei der ersten Entdeckung vernommen hatte. Hocherfreut legte ich einen Stein auf eine breite Steinfuge im Keller, die ich als den Eingang in die Erdhöhle der Mäuse erkannt hatte, stellte die eine der Fallen davor, entfernte mich geräuschlos und konnte kaum den andern Morgen erwarten, um nach dem Fang in der Falle zu sehen.

Der Morgen brach an und was hatte sich in der Falle gefangen? – Aus dem kleinen Käfig tönten mir die drei Stimmen entgegen, die durch das Holz hindurch geklungen hatten, und doch war nur eine Maus in der Falle – die Singemaus! Entzückt nahm ich diese in die Höhe, und wie eine aufgezogene Spieldose sang das Mäuschen weiter, während ich mit ihm die Treppe hinanstieg und in mein Zimmer eilte. Doch Ehre, wem Ehre gebührt! Ich konnte das interessante Thierchen unmöglich in der kleinen schlechten Falle lassen, und nahm deshalb einen zurückgestellten Messerkorb von Draht, paßte diesen auf ein eben so großes Kästchen, richtete, so gut es in der Eile ging, kleine Gänge, Nester und Höhlen darin ein, brachte eine kleine Fallthüre an der Seite an, nagelte den Messerkorb darauf und setzte die Maus hinein. Gleich fing sie wieder an zu singen, und als ich ihr Läppchen und Papier als Material zu einem weichen Sitz gebracht hatte, trug sie dieses sofort zu dem Neste zusammen, das sich jede Maus bereitet, ob sie Junge hat oder nicht.

In diesem Bauer und von dem erwähnten Lager aus sang die Maus jeden Abend, wenn ich sie unweit des Theetisches setzte, obgleich viel gesprochen wurde und eine helle Lampe im Zimmer brannte. Hörte sie auf zu singen, so nahm ich den Käfig auf meinen Arm und trug die Maus so lange in der Stube herum, bis sie wieder sang. Um die drei Mäuse beisammen zu haben, kaufte ich nach kurzer Zeit eine große Kiste und machte diese in der Art zurecht, daß ich sie an der Rückwand voll kleingemachtes Holz packte, in welchem die Thiere einen Versteck finden konnten, ließ eine Drahtthür davor machen und setzte nun die drei gefangenen Mäuse, in der Hoffnung, daß sie sich gegenseitig, zum Singen anregen würden,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_063.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2017)