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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

auf die beschriebene Weise decken könnte. Die Gläubigen aber, anstatt nachzulassen in Spendelust, zahlten den Peterspfennig immer reichlicher. Die Jesuiten sorgten dafür, daß es in frommen und reichen Familien katholischer Länder, besonders unter den reichen Kaufleuten Belgiens und Hollands, unter den legitimistischen Adeligen Frankreichs, Styl wurde, gewissermaßen zum guten Ton gehörte, einen der Söhne, auf zwei oder mehr Jahre dem Vater der Christenheit zur Verfügung zu stellen. Für solche Freiwillige und Reiche, die sich natürlich selbst unterhalten, bildete man vorzugsweise das Corps der Zuaven, die Elitetruppe der päpstlichen Armee. Die Aermeren werden größtentheils in die anderen Regimenter gesteckt, nur ein Regiment besteht aus geborenen Römern.

Wie die Armee, so kostet nun auch das Concil der Curie gar nichts, im Gegentheil, es bringt noch Geld ein. Wie durch die Priester die ganze Welt seit 1867 auf das Concil, dieses größte Ereigniß der neueren Zeit, in geistlicher Weise vorbereitet worden ist, so drückte man nicht minder auf die Geldbeutel der Gläubigen, um für dieses Jahr den Betrag des Peterspfenniges zu einem besonders reichen zu machen. Alle Zeitungen katholischer Tendenz sammelten außerdem, alle katholischen Vereine legten Concilscassen an, reiche und fromme katholische Particuliers wurden zu besonderen außerordentlichen Gaben von ihren Hauspriestern veranlaßt. So sind bereits jetzt die Kosten der Kirchenversammlung mehr als gedeckt, während man aller Orten noch weiter sammelt. Und neben dem Gelde langten die kostbarsten Geschenke hier an, die fernen Bischöfe brachten sie aus ihren Dioecesen mit, um den Segen des „großen Papstes“ dafür zu erflehen.

Die Aula des Concils, die im rechten Nebenarm der Peterskirche erbaut wurde, ist durch den reichen Schmuck der feinsten Teppiche, Tücher und Gobelins ein wahrhaft kostbarer Raum. Alles das sind Geschenke aus Belgien und Frankreich. Im Ganzen haben die Sammlungen allein vermittels des Peterspfennigs vom Jahre 1860 an bis jetzt die Höhe von hundert Millionen Franken erreicht. An außerordentlichen Gaben für das Concil sind jetzt bereits über drei Millionen Franken eingekommen.

So befinden sich die Römer, die Unterthanen des Papstes, allerdings in einer Lage, die sie nicht mit Neid auf die an einem unsterblichen Deficit krankenden Italiener hinsehen läßt. Dies ist die wichtige politische Seite der Sache. Es würde trotz allen Militärs im ganzen Staate ewig glimmende Revolution, fortdauernde Unsicherheit herrschen, wenn die Curie von ihren Unterthanen so viel Steuern verlangte, als man im Königreich Italien zahlt, und schwerlich würde, trotz aller französischen halb widerwilligen Protection, Pio Nono noch auf dem Throne sitzen, wenn nicht die ganze Welt die Kosten dieses Staatswesens deckte, und wenn nicht die Römer selbst zum größten Theile sehr gern Römer bleiben wollten.

Und wie durch die päpstlichen Sammlungen der Katholiken der Staat unterhalten wird, so ernähren fast lediglich die ebenfalls hier allwinterlich aus aller Welt zusammenströmenden Fremden das Publicum. Den Römern wird von den Priestern weis gemacht, daß nur des Papstes wegen, nur weil Rom durch ihn Hauptstadt des christlichen Erdkreises sei, dieser Menschenstrom jährlich aus allen Weltgegenden heranziehe.

Da es nun weder Industrie, noch Handel, noch vernünftige Ackerbewirthschaftung in und um Rom giebt, so lebt die träge Masse des Volkes von dem Gelde, welches die Fremden in’s Land einführen. Sie haben auf diese Weise Alle genug, um bei ihren geringen Ansprüchen recht behäbig und ohne anstrengende Arbeit zu leben, und als der Arbeitsamste und Rührigste gilt Der, welcher auf die schlaueste Weise die der römischen Verhältnisse noch unkundigen Forestieri zu übervortheilen versteht.

Eine etwas weitläufigere Auseinandersetzung über diese Punkte war nothwendig, um das Verhältniß des geborenen Römers zum ökumenischen Concil klar zu machen. Von der geistigen Bedeutung dieses Ereignisses hat er keine Idee. Auch nicht ein Hauch von Begeisterung für oder irgend ein Zeichen der Abneigung gegen die Ziele der Kirchenversammlung ist in der Masse der Bewohner zu spüren. Man denke, wenn bei uns in Deutschland eine Versammlung von ähnlicher Bedeutung in irgend welcher größeren Stadt tagte: würde nicht die Stimmung der Bürger tief berührt und aufgeregt werden durch die Fragen, welche man daselbst discutirte? Aber Dergleichen ist in Rom gänzlich unbekannt. Der Römer sieht die Sache völlig von der praktischen Seite an, und so ist das Concil denn unter anderen auch ein Mittel, um die gute Stimmung, die Anhänglichkeit der Unterthanen an einen Fürsten, unter dem es sich so herrlich lebt, wesentlich zu erhöhen.

Rom hat sich auf das Concil gerüstet, um es mit einem Worte zu sagen, ungefähr wie Paris seiner Zeit auf die „Allgemeine Weltausstellung“. Lange Zeit vorher schon wurden für die erwarteten Gäste die Wohnungen zurecht gemacht. Alle römischen Familien, mit Ausnahme der sehr wohlhabenden und reichen, beschränkten ihr Quartier diesen Winter noch mehr als andre. Ein dürftiges Wohnzimmer voll Betten gepfropft und etwa noch eine oder zwei Kammern müssen selbst für mitgliederreiche Familien genügen. Alle anderen disponiblen Räume wurden mit so viel Comfort, als hier nur zu haben, ausgestattet, um möglichst theuer vermiethet werden zu können, die Miethpreise aber schraubten sich auf eine hier unerhörte Höhe hinauf. Aber man hat noch mehr Fremde erwartet, als in der That gekommen sind, und manche Familie hat ihr Zimmer leer behalten, nachdem sie so und so viel Miether, die auf die kolossale Forderung einzugehen nicht Willens waren, hat fort gehen lassen; oder man hat sich später entschließen müssen, für einen weit geringeren Preis zu vermiethen. Ganz ebenso ist in den Speisen, welche anfangs, besonders Ende October, zu ungeheuren Preisen stiegen, bereits eine Ermäßigung eingetreten.

Mit den Kirchenfürsten selbst aber hat man nicht immer Glück gehabt. Das leichtgläubige, unwissende Volk meinte, sie würden wie wahre Nabobs mit geldstrotzenden Beuteln in die ewige Stadt kommen, einen Hofhalt wie Fürsten machen und die Schätze Asiens und Amerikas hierher zusammentragen. Dem ist nun durchaus nicht so. Viele Bischöfe und besonders die von den fernen Erdtheilen sind arm und leben mehr knauserig als verschwenderisch. Ueberdies haben diese Herren ihren italienischen Priester als Beirath zur Seite, der die Gaunereien seiner Landsleute gegen die Fremden genau kennt und den seinem Schutze anvertrauten Prälaten davor zu bewahren weiß. Manche orientalische Bischöfe sollen in patriarchaischer Einfachheit so weit gehen, daß sie sich die Speisen zu den kleineren Mahlzeiten sowie sonstige Bedürfnisse auf dem Markte und in den Läden selbst einkaufen, was dem Römer, der auf äußeres Decorum sehr viel giebt, alle Achtung vor diesen asiatischen Völkerhirten benimmt. So kommt es, daß man die Bischöfe, die hier zu Hunderten da sind, kaum mehr als etwas Besonderes ansieht, während die ersten Ankömmlinge, die im päpstlichen Wagen von der Empfangscommission auf dem Bahnhofe abgeholt in die Stadt fuhren, wie fremde Wunderthiere angegafft wurden. Sie sind jetzt, um mit Shakespeare zu reden, so wohlfeil wie die Brombeeren. Niemand sieht sie mehr an. Auch, meinen die Römer, hätte es der heilige Vater den Herren etwas zu bequem gemacht und nicht genug an seine Unterthanen gedacht, da er für mehr als die Hälfte der fremden Prälaten Wohnungen besorgt habe. Die großen päpstlichen Paläste des Vatican, des Quirinal und des Lateran nehmen in ihren verfügbaren Gemächern eine große Menge Prälaten auf Privatkosten des Papstes auf. Nicht minder viele wohnen in Stiftsgebäuden, Klöstern, Convicten. So zum Beispiel die meisten deutschen Bischöfe in dem zur deutschen Nationalkirche dell’ anima gehörigen Nebengebäude. Vielen bringt auch der päpstliche Küchenwagen die Hauptmahlzeit. Nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil der Geistlichen ist wirklich mit geldstrotzenden Taschen gekommen, hat sich eigene große Logements gemiethet und hält Equipagen und zahlreiche Dienerschaft. Diese Herren werden von den Römern für voll angesehen und genießen all den Respect, den man Fürsten bezeigt, müssen ihn aber theuer bezahlen.

Im Geleite des Concils genießt Rom ferner manche großartige festliche Schaustellung, an der das ganze Volk Theil nimmt. Es ist diese Vorliebe für dergleichen Feste, an denen im Gegensatze zu unseren nordischen Nationalvergnügungen das Sehen die Hauptsache ist, eine tief im Nationalcharakter der Römer begründete. Sie datirt von den alten Römerzeiten her, wo die Kaiser das Volk an kostbare Schaugepränge, an ein vergnügliches Leben ohne Kosten, allmählich so gewöhnten, daß sich später kein Herrscher mehr halten konnte, der den Pöbel nicht in dieser Art befriedigte. Das Christenthum mußte gegen diese entsittlichenden Vergnügungen auftreten, konnte aber nicht umhin, dem Volke wenigstens einen Ersatz dafür zu bieten. So verlegte der Katholicismus die glanzvollen Feste in die Kirche als integrirenden Bestandtheil des Gottesdienstes, und das Volk von Rom genoß die großartigsten Schauspiele. In dieser

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_043.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)