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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870)

Verhältniß, welches sich auf diese Weise entspann, ist niemals getrübt worden und gewann später noch an Festigkeit, als meine Frau mir nach Amerika nachkam und die Prinzessin sich mit großem Vertrauen an sie anschloß.




An einem unangenehm kalten Novembermorgen 1862 standen vor dem National-Hôtel in der Pennsylvania Avenue in Washington zwei sehr schöne Pferde, ein muthiger, kräftiger Grauschimmel und ein aalglatter, sehr feiner Rappe, ersterer für einen Herrn und letzterer für eine Dame gesattelt. Während der Negerbursche, der die Pferde hielt, um welche sich einige Kenner versammelt hatten, sich fröstelnd in die schwarzen Hände blies, saßen die Prinzessin und ich beim Frühstück.

„Wir haben einen weiten Weg vor uns,“ sagte ich, nach der Uhr sehend, zur Prinzessin, die sich noch mit einigen gebackenen Austern beschäftigte, welche ein Kellner eben, dampfend heiß, vor sie hingestellt hatte.

„Da,“ antwortete sie, indem sie ein paar Austern auf meinen Teller legte, „stopfen Sie Ihren Mund und treiben Sie mich nicht! wir traben dafür ein Bischen schneller.“ –

„Wir müssen noch unsere Pässe von General Heintzelmann holen,“ erwiderte ich; „sind Sie denn endlich fertig!“

„Ja, Sie unangenehmer alter Mensch, ich bin fertig,“ rief sie und wir brachen auf, doch an der Thür rief sie: „ich habe meine Glycerine vergessen,“ und kehrte wieder nach dem Frühstückstische zurück. „Da, stecken Sie das in Ihre Tasche, der Wind ist scharf und ich brauche das für meinen kleinen großen Mund.“

„Werfen Sie mich nicht wieder über den Sattel wie neulich,“ sagte sie, als sie ihren kleinen Fuß in meine Hand setzte und ich ihr auf’s Pferd half.

Die Prinzessin ist eine der besten und entschlossensten Reiterinnen, die ich kenne. Das wildeste Pferd bringt sie nicht außer Fassung. Was dasselbe auch thun möge, sie bleibt so unbefangen und graciös im Sattel, als sitze sie am Clavier. – Einst in Nashville, der Hauptstadt von Tennessee, ritt sie ein Vollblutpferd des Generals Rousseau. Das Thier, welches nicht gewohnt war, von Damen geritten zu werden, ging mit ihr durch. In rasendem Galopp rannte es das felsige zerklüftete Ufer hinab und setzte in den Fluß. Es gelang der Prinzessin, die fest im Sattel blieb, den Kopf des Pferdes zu wenden. Es kletterte wieder das Ufer hinan und jagte wie toll durch die Straßen. Die Prinzessin blieb im Sattel, bis endlich der Gurt desselben riß und sie hinunterstürzte. Trotzdem ließ sie den Zügel nicht fahren an welchem sie eine Strecke geschleift wurde, ehe endlich das Pferd zum Stehen gebracht wurde und Leute ihr zu Hülfe kamen. Obwohl sie durchnäßt und am Knie verletzt war, gab sie den Kampf mit dem Pferde nicht auf. Nachdem sie es mit der Reitpeitsche nachdrücklich gestraft hatte, stieg sie wieder auf und ritt das gebändigte Thier ruhig nach Hause. – Der Rappe, den sie nun ritt, hatte fast sämmtliche Officiere der deutschen Division abgeworfen. In ihrem eleganten, knappen schwarzen Reitkleide und dem Hut mit langer scharlachrother Straußfeder sah sie wunderschön auf dem Thiere aus.

Nach einem scharfen Trab die vierzehnte Straße hinunter, gelangten wir an die schmale Potomac-Brücke, die gerade eine englische Meile lang und nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich zu passiren war, da man trotz ihrer geringen Breite ein Eisenbahngleise darüber gelegt hatte. Nicht selten traf es sich, daß Pferde, welche auf der Brücke der schnaubenden Locomotive begegneten, dadurch wild gemacht, über das Geländer in den Strom setzten oder auch von der Locomotive getödtet wurden. Passirten Schiffe durch den Durchlaß, so hatte man oft stundenlang zu warten, was bei dem beständig dort wehenden Wind im Winter keineswegs angenehm war.

Wir kamen indessen ohne Fährlichkeiten hinüber und erreichten bald Arlington Heights, das Hauptquartier des Generals Heintzelmann. Arlington Heights war vor dem Kriege der Wohnsitz des Generals der Conföderirten Lee gewesen und ist eine sehr schöne Besitzung. Von dem Hause aus hat man eine wundervolle Aussicht auf Georgetown und Washington, die indessen nicht entfernt mit derjenigen zu vergleichen ist, welche sich von der andern Seite, von den Höhen von Georgetown darbietet und die eine der schönsten Landschaften zeigt, die man sehen kann.

Nachdem wir die nöthigen Pässe erhalten hatten, ritten wir auf die Landstraße zurück und bei Hunters Chapel vorbei, wo am Anfange des Krieges Blenker’s Lager gewesen war. Die Prinzessin stieg trotz meiner Mahnungen zur Eile an dem Hause ab, in welchem sie früher gewohnt hatte, und ohne mir etwas davon zu sagen, bewog sie den Neffen der Dame des Hauses, Warren Perkins, uns zu begleiten.

Als ich bemerkte, daß dieser junge Mann uns folgte, sah mich die Prinzessin mit einem unterdrückten Lachen von der Seite an und rief: „Ei, lieber Corvin, warum sehen Sie denn so böse aus?“

„Ich will wieder umkehren,“ antwortete ich, „da Sie ja nun einen Begleiter haben, in dessen Schutz Sie mehr Zutrauen zu haben scheinen.“

„Armer Corvin!“ lachte sie. „Seien Sie doch vernünftig. Sie wissen, er ist einer unserer Kundschafter und kennt jeden Zoll in Virginien, was Sie doch nicht von sich behaupten können. Und dann,“ fügte sie mit spaßhafter Miene hinzu, „sind Sie ein so schauderhaft hübscher Mann, daß ich wahrhaftig nicht so allein mit Ihnen durch’s Land reiten kann.“

Wir passirten Fairfax Court-House und Centreville, Plätze, die ich von früher her kannte. Das ganze Land sah unbeschreiblich wüst und verkommen aus. Die Felder lagen unbebaut, Obstbäume waren abgehauen, die Fenzen niedergerissen, die Häuser zerstört und verlassen. Man sah kaum irgendwo ein lebendes Wesen und auf den wenigen verkümmerten Farmen, die wir antrafen, war ein Huhn eine große Seltenheit. Geier gab es jedoch überall in Menge, besonders auf den Schlachtfeldern, die wir passirten.




Die Eisenschmieden im Stubaithale.
Von Dr. Ludw. v. Hörmann.


Vom Wippthal, an dessen steil abfallenden Lehnen sich nun die großartige Brennerbahn hinwindet, zweigt wenige Stunden von Innsbruck gegen Südwest ein Querthal ab, das wegen seines landschaftlichen Reizes, wie wegen seiner Bewohner dem Touristen und Culturhistoriker ein erhöhtes Interesse bietet. Es ist Stubai, nächst dem Oetzthal wohl das schönste der nordtirolischen Seitenthäler. Besonders der Einblick in dasselbe ist überraschend. Man genießt ihn am besten unweit der Höhe des sog. alten Schönberges, über dessen streng ansteigenden Rücken die frühere Brennerstraße führte und so dem Reisenden Gelegenheit bot, neben den keuchenden Postgäulen mit Muße das herrliche Bild zu betrachten. Denn gerade hier beim aufgelassenen Zollhäuschen, wo die von Goethe erwähnte majestätische Zirbel steht, sieht man das Thal wie eine natürliche Schaubühne offen ausgebreitet. Zwei gewaltige Felsenthürme, der Sonnenstein und die hohe Säule, bewachen den Eingang desselben. An sie schließen sich als Fortsetzung beiderseits mächtige, unten bewachsene, oben kahle Bergkolosse, die sich wie riesige Coulissen, das Thal allmählich verengend, hintereinanderschieben. Den Hintergrund bildet über duftigen Vorbergen die Eiswelt der Stubaier und Ridnauner Gletscher mit ihren scharfgeschliffenen Hörnern und blendenden Schneefeldern, ein prachtvoller Gegensatz zu der untenliegenden grünen Thalsohle voll blühender Wiesen und Felder, heller und dunkler Waldpartien, freundlicher Weiler und niedlich zerstreuter Einzelhöfe.

Mitten in dieser Idylle hat sich der wilde Rutzbach in tiefer Schlucht sein Bett ausgegraben und theilt Stubai in zwei ziemlich breite Mittelgebirge, die sich erst weiter innen zum eigentlichen Thalgrunde verflachen. Auf dieser Mittelebene zu beiden Seiten des Bachbettes liegen die Dörfer Schönberg, Mieders, Telfes, Vulpmes und Neustift; dieses blickt noch mit seiner großen Kirche wie ein weißer Punkt aus dem innersten Thalwinkel heraus. Dahinter beginnt die Enge des Bergthales. Doch ist diese innere Hälfte durchaus nicht unbewohnt; zahlreiche Weiler mit seltsam klingenden Namen, Mühlen und Hammerwerke beleben die wilde Bergeinsamkeit bis zur letzten Häusergruppe Ranalt. Von dort erst tritt man über Bergwiesen und saftige Almen in die Region des ewigen Eises mit allen ihren Schrecken und Schönheiten.

Unser Weg führt heute blos bis Vulpmes, dem Hauptorte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_027.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)