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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Artikel in die Welt schickten. Dieses Werk wurde unmittelbar nach der Eröffnung des Theaters nach meinen Originalplänen gemacht, und giebt über dessen ehemaligen Bestand bessere Auskunft als das Geschwätz eines Spritzeninspectors, auf das jene Ausstellungen sich gründen wollen.

Die Ankleidezimmer, welche jedes nur für eine Person dienten, waren für diesen Zweck genügend groß (wenn schon freilich im Vergleiche mit den mächtigen Räumen des Saales und der Bühne verschwindend klein) und in genügender Anzahl vorhanden. Es fehlte von allem Anfange weder an Aufenthaltsräumen für Choristen und Statisten, noch an Garderoben jeder Abtheilung. Wenn später diese Räume nicht genügten, so war dies der Fehler derjenigen, die unvorsichtiger Weise den Requisitenvorrath, für den ein besonderes Depôt außerhalb des Hauses gehörte, im inneren desselben sich immer mehr anhäufen ließen, was den Verlust aller dieser Schätze zur Folge hatte.

Aus meinen Plänen hätte man auch entnehmen können, daß es an ‚den gewissen höchst nothwendigen Localitäten‘ überall nicht gefehlt hat, wie man mir vorwarf, auch nicht in den obersten Galerien, wo sich an jeder Seite eine befand. Wenn sie später verschlossen worden sind, um sich die Kosten der Beaufsichtigung und des Reinhaltens zu ersparen, so ist dies nicht die Schuld der Anlage.

Diese ‚höchst nothwendigen Localitäten‘ bilden überhaupt in einem Theater stets große Uebelstände, wenn man sie zu sehr vervielfältigt und in die höheren Räume versetzt, weil der Luftzug der Ventilation und des Kronleuchters den Geruch derselben fast unvermeidlich macht. Man soll eigentlich öffentliche Abtritte nur im untersten Theile des Hauses gestatten, was zwar unbequem, aber der allgemeinen Salubrität angemessen ist. Wer übrigens für zwei bis drei Stunden einen Kunsttempel betreten will, soll sich in jeder Beziehung dazu vorbereiten. Wer denkt an Abtritte in den Kirchen?

Ebensowenig hat die Anlage es verschuldet, daß die Löschapparate in Unordnung waren, da, wie auf den Durchschnittsplänen des Kupferwerkes deutlich wahrzunehmen ist, zwei Kolosse von Wasserbehältern über dem Bogen des Prosceniums genügende Wassermassen spenden konnten, wenn man sie anfüllte und ihre Röhren in Ordnung hielt. Doch genug von diesen Misèren.

Ich erwähne noch, daß der Plafond nicht von Desplechin, sondern in seinen decorativen Theilen nach meiner Zeichnung von Jules Dieterle herrührte. Die Vignetten und Bilder waren von Gosse. Von Dieterle’s eigner Meisterhand waren auch die Chimären und Masken mit Arabeskenumgebung, welche die Füllungen der beiden ersten Rangbrüstungen schmückten, en camayeu, blau auf Perlfarbe, mit Silberschraffirung. Diese wurden aber schon bei der großen Restauration, die vor einigen Jahren stattfand, beseitigt und durch Steinpappe-Rosetten ersetzt.

Auch die Theaterdecorationen rührten keineswegs alle von Desplechin her, sondern damals arbeiteten vier Künstler von fast gleichen Talenten in Gemeinschaft Séchau, Desplechin, Feuchère und Dieterle, die sich erst später, nach der Vollendung ihrer Dresdener Arbeiten, von einander trennten.“

Soweit Semper über das alte, nun zu Grunde gegangene Theater. Was das neue, das zu erbauende, betrifft, so ist bereits von anderer Seite nachdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Berufung Semper’s vor Allen und in erster Linie geboten sei. Die von dem Dresdener Comité beabsichtigte Concurrenz wird nicht verfangen, und wie Semper persönlich darüber denkt, beweisen noch folgende Zeilen aus einem späteren Briefe desselben an den Herausgeber der Gartenlaube:

„Das Manöver, mich bei einer Ausschreibung ‚in erster Linie in Betracht ziehen zu wollen‘, ist sehr pfiffig erfunden, um die öffentliche Meinung zu beschwichtigen und meiner sich mit bester Manier zu entledigen; denn man weiß sehr wohl, daß ich mich auf keine Concurrenz einlassen kann.“




Für die stillen Tage der kommenden Festwoche empfiehlt die Gartenlaube ihren Lesern dringend ein Buch, welches mit vollem Recht einen Platz neben dem Schönsten und Besten beanspruchen darf, es ist der vierbändige Roman der Frau W. v. Hillern: „ein Arzt der Seele“. Die Verfasserin, eine Tochter der Frau Birch-Pfeiffer, legt in glänzender Weise Zeugniß dafür ab, daß tief- und feingebildete Frauen wohl berufen sind, mit ihrer Kunst sich an die Angehörigen ihrer Nation zu wenden, und wie es E. Marlitt gelungen ist, fast über Nacht die meistgelesene, beliebteste Schriftstellerin des deutschen Volkes zu werden, so wird auch Frau v. Hillern sich rasch einen Leserkreis erobern, der sie lieb gewinnt und bewundert. Zwar Frau v. Hillern besitzt vielleicht nicht ganz jenen poetischen Zauber, der die Marlitt’schen Gestalten umwebt, sie entwickelt nicht so dramatisch, wie es die Verfasserin der Goldelse und der alten Mamsell thut, deren Romane sofort nach ihrem Erscheinen und später noch für die Bühne bearbeitet wurden – aber sie arbeitet und denkt mit einem fast männlichen, durch und durch gebildeten Geist, gestützt auf ein reiches, durch umfassenden Fleiß erworbenes Wissen, begabt mit einer erfinderischen, fesselnden, immer beweglichen Phantasie und erfüllt von der echten, voll hinströmenden Begeisterung für das höchste und herrlichste Gut des Menschen, die Freiheit.

Auch Frau v. Hillern giebt, wie dies jetzt Sitte geworden, den ganzen Lebenslauf ihres Helden, fast von der Wiege an. Ihr Held – wir dürfen wohl so sagen, denn Ernestine kämpft und streitet mit dem Muth, dem Trotz und der Verzweiflung des Mannes gegen eine Welt – tritt mit der hochgeschwungenen Fahne des Geistes und in der vollen Kämpferrüstung der Wissenschaft ein in die Reihe der für ihre Freiheit, für ihre Selbstständigkeit streitenden Frauen; es ist uns natürlich hier nicht möglich, die einzelnen Stadien der mühe- und sorgenvollen Laufbahn zu verfolgen, welche die Autorin ihre Heldin zurücklegen läßt; in geistvoller Weise wird die Lösung des Conflicts durch die Erkenntniß herbeigeführt, daß das Weib berufen sei, die Arbeit mit dem Mann zu theilen, sich zu diesem edlen Berufe würdig heranzubilden, seine fördernde Helferin und Genossin zu sein, aber nicht außer den Schranken schöner Weiblichkeit sich herausfordernd neben ihn zu stellen oder gleich ihm in die Wogen des Lebens zu stürzen, denen gegenüber der stärkste Frauenarm nur schwach und zart ist. Mit dieser Erkenntniß gewinnt Ernestine Ruhe und mit ihr kehrt auch der alte, längst verlorene Glaube in das dem Untergang nahgewesene Herz zurück. Zu den schönsten Figuren des Romans gehört Möller’s, des stattlichen Professors, Mutter, eine würdige, in ihrer Ehrlichkeit und in ihrer Hingebung für den Sohn rührende Erscheinung, dann der blinde Lehrer, und wiederum die hübsche, in den Schlingen der Liebe so rasch gefangene Tochter des verrätherischen Leuthold, der Ernestine, nachdem er ihr das Vermögen gestohlen, auch den Frieden der Seele systematisch zu tödten sucht. Jede der Gestalten ist – ein Vorzug, der Frauenhänden nicht immer eigen sein soll – charakteristisch gehalten, logisch durchgeführt, und wir glauben, ihnen allen – bis auf den schlangenhaften Collegen Möller’s und die in frischen Farben geschilderte, die Emancipation des Fleisches predigende Gräfin – schon irgendwo begegnet zu sein.

Der ganze Roman ist von hohem, sittlichem Ernst durchweht, er tritt streitend in den Kampf des Tages, den Kampf um Frauenberuf und Frauenselbstständigkeit, ein; er löst diesen – für sich – in einer dem innersten Wesen des Weibes angemessenen Weise, und schon darum würde er im höchsten Grade unsere Beachtung verdienen, auch wenn er künstlerisch nicht so durchgebildet und durchgearbeitet wäre, wie er es wirklich ist.

Oe.




Resultate der Humboldt-Feier, Man schreibt uns – bei Gelegenheit einer Geldsendung für die Verschütteten in Plauen – aus Columbus, Staat Ohio in Amerika. „Erfreulich ist es, zu sehen, wie ein neuer, regerer Geist seit Begehung des Humboldt-Festes im Volke sich zeigt, wie das Streben nach Wissen wach und seiner selbst bewußt wird. In vielen Orten diesseits des Meeres beginnt es sich zu regen; in allen größeren Städten bilden sich Humboldt-Vereine, deren Hauptzweck Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse und allgemeiner Bildung ist. Mögen dieselben gedeihen und sich mehren, ihr vorgestecktes Ziel eifrig verfolgen, die Leuchte der Vernunft überall hindringen lassen, und ihr Endziel: klares Denken, richtiges Auffassen und selbstbewußtes Handeln unter das Volk zu bringen – erreichen. Dies ist besonders in diesem freien Lande nothwendig, wo die Geister sich selbst Bande anlegen.“



An unsere Freunde!

Es ist uns eine große Freude, den Lesern der Gartenlaube wiederholt die angenehme Mittheilung machen zu können, daß für den kommenden Jahrgang folgende ausgezeichnete Erzählungen zum Abdruck vorliegen:

Aus eigener Kraft. Von Wilh. von Hillern, Verf. des „Arztes der Seele“.

Der Fels der Ehrenlegion. Von Berth. Auerbach.

Die Türken in München. Geschichtliche Erzählung von Herm. Schmid.

Außerdem – und dies diene zugleich als Antwort auf die vielfachen Anfragen und die namentlich in süddeutschen Zeitungen verbreitete falsche Nachricht von dem jüngsterfolgten Tode unsrer verehrten Mitarbeiterin – dürfen wir jetzt schon den vielen Freunden der Marlitt’schen Muse verrathen, daß

E. Marlitt

bereits seit einigen Wochen an einer neuen Erzählung arbeitet, die ebenfalls im Laufe des nächsten Jahrgangs zur Veröffentlichung kommen wird. Wenn wir zu den gefeierten Namen Marlitt, Berth. Auerbach, H. Schmid, W. von Hillern noch den des Paul Heyse

hinzufügen, der uns gleichfalls eine Erzählung zugesagt, so glauben wir mit Stolz auf den novellistischen Theil des nächsten Jahrgangs hinweisen zu können. Ueber die sonstigen Beiträge später ein Mehreres.

D. Redaction.

Weihnachtsgeschenk!

Bei Ernst Keil in Leipzig ist erschienen:

Robert Prutz, Buch der Liebe, Gedichte elegant gebunden 11/2 Thlr.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 818. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_818.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2022)