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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


nach sehen wir ihn in den verschiedensten deutschen Hauptstädten auftreten, überall begleitet von der ungetheilten Bewunderung der Würdigsten und Besten.

So giebt in Braunschweig Eschenburg, der geistvolle Uebersetzer Shakespeare’s, dieser Bewunderung mit seines Freundes Lessing Worten Ausdruck:

,Was solch ein Wundermann lobt, rathet und befiehlt,
Hat bei dem Rauhesten den Reiz, mit dem Er spielt!’

„In froher Erwartung, bei Ihrer Wiederkehr zu uns Ihres freundschaftlichen Umgangs öfter und länger zu genießen, empfiehlt sich Ihrem Herzen
J. J. Eschenburg, Prof.“ 

Auf’s Innigste begrüßt den Jugendfreund und Landsmann der hochherzige Leisewitz, der reichbegabte Dichter, der Schöpfer der mustergültigen, noch jetzt in Braunschweig bestehenden Armenpflege; obgleich er damals schon von jenem entsetzlichen Leiden geplagt war, das ihn nicht lange danach hinraffen sollte. Das Stammbuchblatt von des Edlen Hand ist ein um so theureres Vermächtniß, als bekanntlich sein gesammter literarischer Nachlaß mit übereiltem Eifer von seiner Wittwe den Flammen übergeben wurde, so daß wir von ihm nur „Ein Junges“ besitzen, „aber es ist ein Löwe“. Julius von Tarent. – Er ruft Iffland entgegen:

„O du, mit dem mich schon früh die Freuden der Kindheit vereint;
O sei als Mann und als Greis, sei ewig mein zärtlicher Freund!
Dich lieben, mein Bruder, ist mir der Freundschaft heiligste Pflicht;
In jeglichem Erdstrich, in jeglichem Lande,
An Tethüos ewig berauschendem Strande,
Dort, wo ich Alles vergesse, vergess’ ich dich nicht!
  J. A. Leisewitz.“

Der vielgereiste Verfasser des „siebenjährigen Krieges“, der Historiker Archenholz, wählt Klopstock’s Ausspruch:

„Ein fester Mann kann Alles, was er will!“

und fügt hinzu:

„Ein Deutscher, der viele Städte und Menschen gesehen, und nach seinen zweiundzwanzigjährigen Reisen einen großen Maßstab der Dinge angenommen hat, huldigt mit innigem Vergnügen dem vortrefflichen dramatischen Dichter, dem großen Schauspieler, und dem liebenswürdigen Menschen Iffland. Möge er, ungetrübt durch Kummer, noch lange die Deutschen mit seinem herrlichen Talente erfreuen!“ –

Gleich enthusiastische Aufnahme, wie in dem durch Eckhof’s, Ackermann’s und Schröder’s Spiel verwöhnten Hamburg (wo Iffland im Ganzen fünfundsechszig Vorstellungen gab, die hundertneuntausendeinhundertdreizehn Mark zwölf Schilling eintrugen, auf welche Summe sich noch unter keiner Direction die Einnahme eines ganzen Jahres, mit circa zweihundertfünfzig Vorstellungen, belaufen hatte), fand der Meister in Breslau, trotz der Beliebtheit, deren sich damals schon Ludwig Devrient dort erfreute. Der Erste, der ihm huldigt, ist der Eigenthümer des Breslauer Theaters selbst, der kunstverständige Regierungsrath Streit, der sich mit Friedrich Schiller’s Worten also vernehmen läßt:

„Dich erwähl’ ich zum Lehrer, zum Freund! Dein lebendiges Bilden
Lehrt mich; dein lehrendes Wort rühret lebendig mein Herz!“

Der Falstaff Breslaus, der dicke Karl Schall, dieses liebenswürdige Original, dessen „unterbrochene Whistpartie“ uns noch heute mit lebensvoller Frische fesselt, äußert sich schlicht und brav:

„Auf der Tafel meiner Erinnerungen nimmt Iffland einen der obersten Plätze ein; möchte er mir auf der seinigen keinen der untersten anweisen!“

Es folgen viele leere Seiten, und endlich, auf dem allerletzten Blatte des Stammbuchs noch zwei Zeilen. Sie lauten:

 „Wien, 26. September 1808.
  Joseph Haydn.“

Vom Alter geschwächt, fand die ehrwürdige Hand, welche so viel Musik auf das Papier geworfen, nur noch Kraft zu Namen und Datum. Sechsundsiebenzig Jahre zählte der Schöpfer der „Jahreszeiten“ damals, wenige Monate später verstummte der liederreiche Mund auf immer: unter den Kanonenschüssen der Belagerung von Wien bereitete man ihm die letzte Ruhestätte. –

Genau nach sechs Jahren senkte man auch August Wilhelm Iffland zum ewigen Schlafe ein; am 22. September 1814 erlag der Dulder seinen Leiden: bis zum letzten Athemzuge treu und rechtlich, eine deutsche Kernnatur. – Seine Urne schmückt der unverwelkliche Lorbeer! –




Ein glücklicher Künstler.

Wer gerne durch die Berliner Ateliers schlendert, geht gewiß nicht an dem hübschen Hause Nummer zwei in der Mathäi-Kirchstraße vorbei. Beim Eintreten in das Studio findet er vor der Staffelei einen jungen Mann, schlank und doch kräftig gewachsen, mit frischem, ansprechendem Gesicht, das durch den braunen Vollbart noch vortheilhafter hervorgehoben wird. Sein Aussehn zeugt von körperlicher und geistiger Gesundheit, die leider nur selten in der Künstlerwelt angetroffen wird; sein ganzes Wesen, womit er uns so offen und freundlich entgegentritt, athmet eine wohlthuende Heiterkeit und Natürlichkeit. Da ist nichts Gemachtes, nichts Gespreiztes, keine Spur von Affectation, von Selbstüberhebung, keine nervöse Reizbarkeit, keine Launenhaftigkeit, weder Weltschmerz, noch Zerrissenheit. Ebenso einfach, schlicht und natürlich ist seine Unterhaltung, die meist durch einen köstlichen Humor gewürzt wird. Zu dieser Persönlichkeit stimmt vollkommen die übrige Umgebung. An den Wänden des Ateliers hängen einige Bilder, Studienköpfe und Farbenskizzen meist von eigener Hand; an den Fenstern stehen einige Blumentöpfe, dazwischen Vogelbauer mit ihren schmetternden und trillernden Bewohnern. Die breite Seite nimmt ein großer Schrank ein, der zur Aufbewahrung von Gypsabgüssen verschiedener Thiere dient. Die sonstige Einrichtung ist höchst bescheiden und weit entfernt von jedem Luxus oder künstlerischer Coquetterie; ein alter Tisch mit wackelnden Beinen, einige wurmstichige Stühle im Rococogeschmack mit verschossenen Ueberzügen. Die einzige Merkwürdigkeit bieten einige seltsame Kasten und Schränke, die der witzige Maler mit interessanten Caricaturen verziert hat, prächtige Parodieen der Kunstgeschichte in hieroglyphischem Styl. Hier erblickt man einen alten ägyptischen Professor und Mitglied der königlich pharaonischen Akademie, umgeben von seinen Schülern, die unter seiner Anleitung zeichnen lernen; dort wird gleichfalls ein ägyptischer Hofphotograph mitten in seiner Arbeit von einem Krokodil in höchst unangenehmer Weise überrascht. Man kann diese geistreich komischen Bilder, in denen sich die Heiterkeit des Künstlers offenbart, nicht ohne Lachen sehen.

Dieser selbst ist der bekannte Paul Meyerheim, das jüngste Mitglied einer berühmten Künstlerfamilie, dem die Natur ein seltenes Talent verliehen, und welchen das Glück mit seinen reichsten Gaben beschenkt hat. Trotzdem er erst siebenundzwanzig Jahre zählt, besitzt er bereits einen bedeutenden Ruf, wird ihm von allen Seiten die größte Anerkennung gezollt. Er ist Inhaber verschiedener großer und kleiner Preis-Medaillen und mit Bestellung auf Jahre im Voraus überhäuft. Seine Bilder finden nicht nur Bewunderer, sondern auch Käufer zu den höchsten Preisen. Die strengsten Kritiker sprechen mit Verehrung, selbst mit Begeisterung von seinen Leistungen, die nicht nur den Laien, sondern auch den Kenner befriedigen.

Nicht nur in Berlin und in dem übrigen Deutschland, auch in Belgien und Frankreich haben seine Gemälde Sensation erregt. Sie wurden bei der letzten großen Weltausstellung in Paris unter Tausenden bemerkt und der Maler selbst von den Koryphäen der französischen Kunst, von einem Meissonier als ebenbürtiger College freudig begrüßt. Frühzeitig schon entwickelte sich das Talent Paul Meyerheim’s und in einer rein künstlerischen Umgebung aufwachsend zeigte der begabte Knabe von Jugend auf mehr Lust zum Malen, als zum Lernen. Als echtes Berliner Kind schwänzte er gern die Schule und trieb sich lieber auf der Straße und im Freien umher, als daß er bei den Büchern saß. Die Natur war seine Lehrerin; am meisten zog ihn die Thierwelt an, die er mit scharfen Augen beobachtete. Bald war er ein Stammgast des zoologischen Gartens, zu dem ihm der bekannte Naturforscher Lichtenstein den freien Zutritt gestattete. Wie die meisten Berliner Jungen war er ein leidenschaftlicher Vogelzüchter; er schwärmte für Tauben, Finken und Canarienvögel, für die er seinen letzten Groschen verschwendete.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 814. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_814.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2022)