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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Gesellschafterin und Freundin seiner Frau) mit dem brieflichen Bemerken: „Wollten Sie zugleich das artige Liebesgeschichtchen der guten Frau mit meinen schönsten Grüßen mittheilen, so wird es ihr wohl ein angenehmes Viertelstündchen machen.“

Nach Goethe’s Tode waren, außer andern werthvollen Erinnerungszeichen, jene italienischen Zeichnungen, und unter ihnen namentlich auch das Bild der schönen Mailänderin, dem Rath Kräuter und nach dessen Tode seinem Sohne Bibliotheksecretär Dr. Edmund Kräuter theure Andenken an Goethe. Nach den Erläuterungen, welche Letzterer dem Rath Kräuter mündlich gegeben, machte dessen Sohn auf der Rückseite des Bildes die Bemerkung:

Signora Pa… S…z

(Goethe’s Geliebte in Rom)
bei Hackert gezeichnet.

Goethe’s Handzeichnung.“

Als auch mein lieber Freund Dr. Edmund Kräuter dahingeschieden, sind aus seinem Nachlaß die erwähnten Goethe’schen Zeichnungen und unter ihnen auch diese Aquarelle in meinen Besitz übergegangen.

Kann auch der Holzschnitt das anmuthige, leichte Colorit des Bildchens nicht wiedergeben – jedenfalls wird die von der Meisterhand Thumann’s gefertigte ausgezeichnete Copie allen Verehrern unsers Dichters und der schönen Mailänderin eine willkommene Gabe sein.

Robert Keil.




Eine deutsche Colonie in Neuschottland.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika macht das deutsche Element nicht blos einen numerisch sehr bedeutenden Bruchtheil der Bevölkerung aus, sondern hat sich auch staatlich allmählich zu einem solchen Einflusse aufgeschwungen, daß es wohl als keine illusorische Hoffnung erscheint, wenn man den Deutschen die Zukunft der großen transatlantischen Republik vindicirt. Schreitet man dagegen über die nördlichen Grenzen der Union nach dem kolossalen Ländercomplex hinüber, welchen die britischen Besitzungen in Nordamerika umfassen, Canada, Neubraunschweig, Neuschottland, Neufundland, die Hudsonsbailänder, so findet man außer in einigen größeren Hafenstädten kaum noch deutsche Landsleute, überall aber sind sie so zerstreut vertheilt, daß sie der anglosächsischen, in Canada auch der französischen Bevölkerung gegenüber ganz und gar in den Hintergrund treten. Stößt man tiefer im Innern des Landes einmal auf einen Sprößling der alten Heimath diesseit oder jenseit des Maines, so ist das vollends ein Ereigniß, welches man nicht freudig genug begrüßen, nicht hoch genug feiern kann.

In Geschäften war ich von Halifax, der ansehnlichen und sich immer vergrößernden Hafenstadt Neuschottlands, nach dem kleinen Orte Windsor, weiter drin im Lande, gefahren. Meinen Hinweg hatte ich Nachts gemacht, zurück fuhr ich jetzt mit einem Tageszuge der Eisenbahn. Da bemerkte ich mitten im Herzen der traurigen steinigen Wildniß, etwa halbwegs zwischen den beiden genannten Plätzen, eine beträchtliche Anzahl hölzerner Blockhäuser, die offenbar noch nicht lange errichtet waren. Ich frug meinen Reisegefährten im Coupé, einen doppelt und dreifach destillirten Yankee, wie sich der selige Sealsfield ausdrücken würde, was das für eine Niederlassung sei.

„Weiß nicht,“ gab mir der Amerikaner zur Antwort, nachdem er seine Portion Kautabak von einem Kinnbacken zum andern geschoben hatte; „aber das Land sieht jämmerlich und gottverlassen genug aus.“

Der Schaffner konnte mir die gewünschte Auskunft ertheilen. „’s ist German-Town (Deutschstadt),“ sagte er, „und drinnen wohnen fast lauter Deutsche; sie stehen im Dienste einer großen deutschen Bergwerksgesellschaft, die hier auf Gold baut.“

Weiteres wußte auch er nicht, allein man kann sich denken, welches Interesse mir die Kunde einflößte. Als ich am andern Morgen in Halifax die daselbst erscheinende Zeitung, das „Morning Chronicle“, in die Hand nahm, beiläufig ein ganz gut geleitetes und reichhaltiges Blatt, fiel merkwürdiger Weise mein erster Blick auf eine kurze Notiz, die dem Publicum mittheilte, daß ein achthundert Unzen wiegender Goldblock, eine Monatsausbeute aus den Minen der deutschen Gesellschaft, augenblicklich auf dem Bergamte (Government Office of Mines) im Parlamentshause zu allgemeiner Ansicht ausgestellt sei.

Hatte ich schon gestern den Entschluß gefaßt, unsern Landsleuten in German-Town einen Besuch zu machen, so bestärkte mich diese Mittheilung noch mehr in meiner Absicht. Zunächst begab ich mich nach dem Parlamentshause, um mir den riesigen Block zu beschauen und zugleich Näheres über die Colonie zu erfahren, von deren Existenz ich bis jetzt keine Ahnung gehabt hatte. Da hörte ich denn, daß der Bezirk, in welchem diese ergiebigen Goldbergwerke liegen, eigentlich und officiell Waverley, auch wohl Gold-Waverley, im Munde des Volkes aber neuerdings allgemein German-Town heiße, weil er zum großen Theile von Deutschen bewohnt sei. Der Berginspector, der mich als Deutschen erkannte und sah, welche Theilnahme ich seinen Aufschlüssen schenkte, erbot sich liebenswürdig, mich andern Tages selbst nach den Minen zu begleiten, und mir alle ihre Merkwürdigkeiten zu zeigen, – ein Vorschlag, den ich selbstverständlich dankbarst annahm.

Der Morgen unserer Fahrt war entzückend, weder heiß noch kalt, so daß ich im Stillen bedauerte, die Tour nicht zu Fuß machen zu können. Gleich bei Halifax ging es auf einem Fährboote nach der andern Seite der Bucht hinüber, nach dem kleinen Orte Darmouth, wo wir die Fähre wieder verließen, um nun auf einer vortrefflich gehaltenen Chaussee dahin zu rollen. Kurz hinter einander kamen wir an verschiedenen Lagern der Micmac-Indianer vorüber, aus denen uns wohl eine halbe englische Meile weit die jüngeren Sprößlinge männlichen und weiblichen Geschlechts kreischend nachliefen und um „Pennies“ bettelten. Warfen wir ihnen aus unserm Wagen ein paar kleine Münzen hinaus, so entstand darum allemal ein Gerauf und Gebalge, wie ich’s blos noch unter den Straßenbettlern in den beglückten Staaten des Heiligen Vaters gesehen habe, mit dem Unterschiede nur, daß die bettelnden Indianerkinder bei Weitem nicht so schmutzig und verkommen aussahen, wie die kleinen Unterthanen Pio Nono’s.

Die Luft hatte etwas eigenthümlich Erquickliches, und über uns wölbte sich ein kristallklarer blauer Himmel. Nur in Amerika und vielleicht an den afrikanischen Küsten des Mittelmeeres kann man solch tiefes, durchsichtiges Blau wahrnehmen. In Deutschland hat man von dieser Reinheit und Transparenz der Luft wirklich keine Vorstellung. Auf der einen Seite unserer Straße dehnte sich endlos der Urwald aus, – Schierlingstannen, Sprossenfichten und Lärchenbäume, mit Ahorn und Buche untermischt, – und die Rauchsäulen, welche sich da und dort über den Baumwipfeln kräuselten, gaben Kunde von einem in das Dickicht gebetteten Indianerwigwam. Zur andern Hand hatten wir nach einander drei stille, anmuthsvolle Seen, nicht, gleich dem Ontario-, dem Erie- und Michigansee, zu groß für Ueberblick und Bewunderung, sondern wahre kleine Bijoux, in deren ruhigen, kaum von einem Hauche bewegten Gewässern das schöne Uferbild mit seinen Hügeln und Wäldern sich noch einmal vor unserm entzückten Auge entfaltete. Und im Herbste muß man diese Wälder sehen! Was ist all’ das Gelb und Roth und Braun unserer deutschen Herbstbelaubung im Vergleich mit dem Farbenglanze und dem Farbenreichthum, wie ihn das scheidende Jahr hier in diesen Breiten über die Wäldbäume ausgießt! Die vorherrschenden Tinten sind Hellcarmin, Scharlach und Goldgelb, aber auch alle Schattirungen von Grün, vom zartesten Hauche der ersten Frühlingsblätter bis zur tiefen Nuance der Cypresse und des Eibenbaumes, sind vertreten, ebenso die dunklen Ocker- und Umbrafarben, bis schließlich der ganze Wald glüht und leuchtet wie ein Blumengarten im Juni.

So wie wir uns dem Ende des dritten Sees näherten, veränderte sich mit einem Male der Charakter der Landschaft; Alles ward kahler und wilder. Nackte Felsen erheben sich zu einer Höhe von siebenhundert bis tausend Fuß über dem Wasserspiegel, an dessen Rändern nur eine sehr kümmerliche Vegetation noch gedeiht. Bald kommt die Stadt Waverley oder German-Town in Sicht, und jeder Bergrücken und jede Felsenkuppe ist von einer hölzernen Baracke gekrönt, entweder der Wohnung eines

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 809. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_809.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2022)