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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

No. 49.   1869.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Die Gasselbuben.

Geschichte aus den bairischen Vorbergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Domini brach in rohes Gelächter aus. „Sagen? Was will ihm die Jungfer denn sagen?“ rief er. „Das ist doch nichts Besonderes, daß einem Burschen ein Madel gefällt, und daß er ihr nachgeht, wie ich der Jungfer nachgegangen bin! Der Vater wird mir nit den Hals umdrehn, wenn er erfährt, daß ich in früherer Zeit blos ihretwegen so oft auf dem Feichtenhof eingekehrt bin! Wenn ich’s verstanden hätt’, mich zu verstellen und den scheinheiligen Duckmäuser zu machen, könnt’ ich jetzt schon lang’ Feichtenbauer sein. … Was hab’ ich denn gethan, als daß ich ihr Sachen in’s Ohr gesagt hab’, die der Pfarrer auf seiner Kanzel freilich nit predigt, und hab’ mich in ihre Kammer geschlichen …“

„Und daran mahnt Ihr mich selber?“ zürnte Christel. „Zum letztenmal … geht mir aus dem Weg, oder ich vergreif’ mich an Euch!“

„Oho – vor dem Zorn fürcht’ ich mich nimmer,“ entgegnete Domini mit steigender Frechheit. „Wer weiß, wenn ich mich selbigesmal von dem Schiechthun nit hätt’ abschrecken lassen, ob jetzt nit Alles ganz anders wär’! Jetzt glaub’ ich der Jungfer Christel nimmer, wenn sie sich so zimpferlich anstellt, jetzt weiß ich, was ich weiß – aber freilich, das hätt’ ich mir im Traum nit einfallen lassen, daß die sittsame Christel es sich so still, so commod einrichten thät’, im eignen Haus mit dem Knecht …“

„Da habt Ihr, was auf eine solche Red’ gehört – schlechter Kerl …,“ rief das Mädchen auflodernd und gab ihm einen so kräftigen Schlag in’s Gesicht, daß er von der Wucht desselben und vor Ueberraschung zurücktaumelte. Dies währte jedoch nur einen Augenblick – im nächsten hatte er mit dem Ansprung eines wilden Thieres die rasch Entfliehende wieder ereilt und hielt sie gefaßt, daß sie sich kaum zu regen vermochte. „So?“ keuchte er bebend vor Wuth, und zog sie, trotz ihres Sträubens, immer enger an sich. „So gehst Du mit mir um? Hab’ ich nit gesehn, wie Du Dir das Schmeicheln und Streicheln hast gefallen lassen, und mich willst Du kratzen? Wart’, Wildkatze, ich will Dir die Krallen stutzen …“

Christel hatte sich von der ersten Betroffenheit über den Angriff rasch gesammelt und setzte ihm einen so entschiedenen und kräftigen Widerstand entgegen, daß es zweifelhaft schien, wer die Oberhand behalten würde, aber der Ringkampf blieb unentschieden, denn unter den Bäumen stürzte Wendel hervor, packte Domini im Nacken und schleuderte ihn mit solch’ überlegener Gewalt hinweg, daß er zu Boden stürzte. Im Wirthshause angekommen hatte er den Bauer erblickt und war sofort umgekehrt, um die Tochter von dessen Zustand in Kenntniß zu setzen. „Da komm’ ich ja gerad’ recht,“ rief er im Hinzuspringen aus, „heut’ habt Ihr mich abgelöst – jetzt geb’ ich’s zurück und löse Euch ab …“

Das Dazwischenkommen war so entschieden und plötzlich, daß von keiner Seite ein Wort weiter gesprochen wurde. Christel nickte dem Helfer mit dankendem Blick zu, Domini raffte sich auf und eilte auf anderem Wege fort; hinter ihm schritt Wendel, ihn bewachend, falls er eine neue Unbill beabsichtigen sollte.

Er hatte eben die Mitte der Dorfgasse erreicht, als am obern Ende desselben die Hüglinger Bursche erschienen, die inzwischen, zu neuen Streichen ermuthigt, sich aus dem Wirthshause aufgemacht hatten; er achtete nicht auf sie, und gewahrte nicht, daß ihnen Domini im Vorbeigehn einige Worte, als wäre es ein Gruß, zurief. Desto schärfer war er bereits von ihnen in’s Auge gefaßt, denn auch ohne Domini’s hetzenden Zuruf hatten sie ihn an der ungewohnten Tracht als einen Fremden erkannt; sie riefen sich zu und zogen mit verschränkten Armen, die ganze breite Straße absperrend, unter lärmendem Gesang dem Kommenden entgegen.

Wo der Dorfbrunnen aus hölzerner Röhre in den zur allgemeinen Tränke dienenden Trog niederrauschte, machten sie Halt.

„Stock an!“ rief der Anführer Wendel zu. „Schau fein, daß Du uns nicht nieder gehst, Bergler … mit Deinem Gemsbart und dem Spielhahnstoß auf’m Hut! Haben sie was zu bedeuten, die Hahnenfedern? Wie – laß’ mich’s in der Näh’ anschau’n … ich thu’ Dir s’ runter!“

„Kannst es ja probiren!“ erwiderte Wendel und trat zu seiner Deckung ein paar Schritte zurück. „Was wollt’s von mir?“ rief er, als die Bursche, darin ein Zeichen von Furcht erkennend, nachdrängten.

„Das siehst ja, was wir wollen!“ entgegnete Martl. „Du tragst das Berglergewand, und dienst auf’m Feichtenhof … wir aber leiden keinen fremden Burschen in der Gemeind’ und wollen einen Hüglinger Buben aus Dir machen, wie’s der Brauch ist …“

„Brauchst keine Sorg’ zu haben ,“ lachte ein Anderer, „wir thun Dir nit weh … Du wirst blos an Füßen und Armen in die Höh’ geschutzt und wieder aufgefangen’, dann tauchen wir Dich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 771. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_771.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2020)