Verschiedene: Die Gartenlaube (1869) | |
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In einem gesunden Körper wohnt eine gesunde Seele. Dieser Ausspruch bewährt sich vollkommen bei jedem naturwüchsigen Thiere. Das von den kräftigsten Eltern ererbte Gut, die Gesundheit, kann aber Nachlässigkeit und Lüderlichkeit untergraben, eine naturgemäße, emsige Pflege hingegen sie dem Thiere auf Lebenszeit befestigen. Einfache, kräftige Nahrung und Reinlichkeit sind die Factoren zur Begründung und Erhaltung der Gesundheit unserer Hausthiere, absonderlich des Hundes. Sein Behälter sei geräumig und luftig, im Sommer kühl, im Winter hingegen warm. Immer rein gehalten, übt die Umgebung auch auf den Hund den wohlthätigen Einfluß, daß er mit ihr sich selbst rein hält. Aber das Thier muß sich frei bewegen können, frei von der Last und dem Druck der Kette. Wie manche gesunde Kraft versiecht, wie viel Lebensmuth, Anhänglichkeit und Liebenswürdigkeit verschmachtet an diesen verhängnißvollen eisernen Banden! Wahrlich, dieses Elend an der Kette ist ein schwarzer Fleck auf den Gedenkblättern unserer Culturgeschichte und ruft in der düsteren Bedeutung der Worte „ein Hundeleben führen“ mit ernster Mahnung unsere Menschlichkeit an.
Der frei sich bewegende und entwickelnde Hund wird an Körper und Geist ein gesundes, gewandtes, vielseitiges und gehobenes Wesen. Man bringe ihn freundlich an seine Seite, leite
und unterrichte ihn als Freund, um ihn zu demjenigen Hausthier
heranzubilden, das unseres Verkehrs am würdigsten ist, und jede
Mühe, die wir an seine Ausbildung wenden, belohnt sich ebenso
angenehm als nutzbringend. Mag es doch nicht außerhalb der
Erfahrung liegen, daß eine wohldressirte Hündin ihre höhere
Hundebildung auch auf ihre Jungen in ihrer drollig nachäffenden
Weise überzutragen versuchen sollte; denn unserm trefflichen Specht möchten wir gern glauben, daß er zu der reizenden Darstellung
der instruirenden Hundemutter ein leibhaftiges Original vor Augen
gehabt habe. Zwar verstößt die Peitsche in der vorliegenden
Anwendung gegen bestimmte Paragraphen der Hundedressur; uns
gewährt aber der Mißbrauch dieses gefürchteten Erziehungsinstrumentes
einen köstlichen Einblick in das gemüthliche Leben der Hundekinderstube.
Unsere heutige Aufgabe geht allerdings über dieses Bild hinaus und leitet uns zu der angemessensten Form der Erziehung des Hundes in ihren Grundzügen hin. Wir folgen ihr mit großer Freudigkeit aus dem lebendigen Bereiche unserer Erfahrungen heraus und in dem warmen Bestreben, die glänzende Begabung unseres „Menschthieres“ in’s beste Licht zu stellen und dieser gemäß vor dem großen Forum der Gartenlaube eine würdige Behandlung und Schulung unseres Hundes zu befürworten.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 759. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_759.jpg&oldid=- (Version vom 30.1.2021)