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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

in die Stube stellte. „Wenn Ihr uns in den Weg gekommen wärt und wir hätten von Euch verlangt, Ihr solltet Menuett tanzen, da wärt Ihr wohl gar der Unrechte gewesen?“

„Das glaub’ ich schier selber,“ sagte der Mann, indem er ruhig sitzen blieb, aber kein Auge von dem Burschen verwandte.

„Na – dann könnten wir’s ja da auch probiren,“ neckte Martl weiter und trat etwas näher. „Wir wollen’s gleich auf der Stell’ miteinander abmachen! Was thätet Ihr wohl sagen, wenn ich von Euch verlangte, Ihr sollt da auf den Tisch hinaufsteigen und aufwarten wie ein Pudel?“

„Ich würde Nein sagen,“ antwortete der Krämer fest.

„Und wenn ich Euch,“ fuhr Martl fort und hob drohend seinen Stock in die Höhe, „meinen Hainbüchenen da zeigen thät?“

„Dann ließ ich dem, der einen Hund aus mir machen wollt’, durch meinen Hund antworten,“ sagte der Krämer. „Paß’ auf, Löw’!“ Dabei stand er auf und griff ruhig nach seinem Kruge, ihn auszutrinken, der Spitz aber war aus seinem Versteck hervorgebrochen und lag nun, den Kopf auf die Füße duckend, sprungbereit auf allen Vieren da. So unansehnlich das Thier war, funkelten doch seine Augen so bedenklich, es knurrte und fletschte die Zähne so grimmig, daß der überraschte Bursche unwillkürlich zurücksprang und in eine Fluth von Scheltworten ausbrach. „Himmelsacrament,“ schrie er, „das ist keine Art und Manier … bietet Eurem Hundsvieh ab, Ihr seid ein dummer Mensch, der keinen Spaß versteht.“ …

„Auf einen solchen Spaß wenigstens bin ich nicht eingerichtet,“ sagte der Krämer, indem er die Tragriemen seines Kastens über die Schultern schlang und nach der Mütze griff. Martl hatte sich grimmig zurückgezogen, aber er wagte nicht weiter etwas gegen den Mann zu unternehmen, denn seine Flucht war so eilig und sonderbar gewesen, daß die Bauern und selbst seine Genossen in lautes Gelächter ausbrachen und der kalten Entschlossenheit des Hausirers ihren Beifall nicht versagen konnten. Der am lautesten lachte, war wieder der Feichtenbauer, der den Mann durchaus veranlassen wollte, zu bleiben und an dem Gelage theilzunehmen. „Gut hast Deine Sach’ gemacht, Du Blitzschwab!“ rief er. „Da komm’ her und trink’ ein Glas’l mit mir … was hast denn in Deinem Kasten? Mit was handelst denn? Leg’ aus Deine Waar’, ich kauf’ Dir s’ ab … ich kann’s zahlen! Was kostet der ganze Bettel?“

Der Hausirer war furchtlos hinzugetreten und that aus dem gebotenen Glase Bescheid. „Mit kleiner, leichter Silberwaare, Herr,“ sagte er, „mit Leinwand, Tüchern und allerhand schöner Schnittwaar! Ich hab’ Spitzen, so fein wie Spinnweb’, die taugen überall hin, an ein Taufgewand, an ein Todtentuch, oder an einen Hochzeitsschurz …“

„Hahaha,“ lachte der Bauer, „mit dem Todtentuch soll’s noch eine gute Weil’ haben, denk’ ich – aber einen Hochzeitsschurz könnt’s wohl absetzen und ein Taufgewand.“ … Dabei stieß er Domini mit dem Ellenbogen in die Seite und blinzte ihm zu, daß die Bauern einander ansahen und zunickten, als wenn sie sagen wollten, daß ihnen nun über Manches ein Licht aufgegangen. „So pack’ aus, Kramer,“ fuhr er fort, „laß sehn, was man brauchen kann!“

„Ich kann nicht,“ erwiderte dieser, „ich bin auf Mittag zu dem Herrn Pfarrer von Kreuzling bestellt … ich hab’ noch zwei gute Stunden zu gehn und darf die Kundschaft nicht versäumen - der hochwürdige Herr will ein ganzes Altargewand kaufen.“ …

„Wie viel ist’s denn schon?“ sagte Domini und zog seine Uhr hervor, daß die Kette über seine Hand herabhing und die Aufmerksamkeit des Händlers auf sich zog. „Eine schwere Kette,“ sagte er, indem er sich vorbeugte und sie betrachtete, „und sauber gearbeitet … das ist ein Schwäbischgemündnerstück … ist Euch die Kette nicht feil? Mir gefallt sie besonders wegen dem Napoleonskopf, der auf der Walze eingegraben ist.“

„Nein,“ rief Domini lachend, „das ist sie nicht! Hättet Ihr Lust dazu? Will’s glauben, daß sie Euch in den Kram taugte … aber ich hab’ selber meine Freude daran. … Laßt dafür Eure eigne Waare ansehn. …“

„Es geht nicht,“ entgegnete der Händler. „Ihr werdet nit wollen, daß ich das gute Geschäft versäum’, wegen dessen ich eigens den weiten Weg gemacht hab’ … es ist bald elf auf Eurer Uhr, ich muß fest auftreten, damit ich noch zur rechten Zeit nach Kreuzling komm’ … aber wenn’s Euch so recht ist und mir der Herr ’was zu lösen geben will, so dürft Ihr mir’s nur sagen, wo Ihr daheim seid, und wenn Ihr mir für die Nacht ein Plätzchen in Eurem Stadel geben wollt, will ich noch vor Abends bei Euch einsprechen und Alles auspacken, was ich habe. …“

Der Bauer war es zufrieden, er hatte nicht nöthig, die Lage seines Gutes erst lange zu beschreiben, der Krämer kannte es bereits.

„Ein schöner Hof,“ sagte er, „ich kenn’ ihn lang’, man sieht ihn ja stundenweit, aber er liegt doch so weit ab, daß mich mein Weg noch niemals hingeführt hat … dafür will ich heut’ kommen und gehe jetzt meiner Handelschaft nach, und damit Adies.“ … Er ging; an der Thüre aber wandte er sich und rief lachend zurück: „Paß’ auf, Löw’ – daß uns Niemand den Weg verlegt!“

Lachen begleitete ihn, und die erst so feindliche Begegnung schien vollkommen friedlich verlaufen zu wollen, als er nochmals zurückkehrte und dem Wirthe zurief: „Da fällt mir eben ein, daß ich noch etwas vergessen habe. … Ich bin heut’ Morgens da drüben in der Thalschlucht an der einzelnen Mühle vorbeigekommen, die Müllerin ist eine Kundschaft von mir … Ihr werdet sie ja kennen, Wirth?“

„Freilich,“ rief dieser, „sie ist sogar eine weitschichtige Bas’ von mir, die Rohrmüllerin … was ist’s da mit ihr?“

„Ich habe nachgefragt, ob sie diesmal nichts braucht,“ erzählte der Krämer, „aber die Frau ist ganz auseinander gewesen und ganz verwirrt … ihr Sohn ist in der vorigen Nacht so arg geschlagen und verwundet worden, daß er im Bett liegen muß und fast nichts von sich weiß … sie läßt Euch bitten, Ihr sollt ihr von dem Wunderbalsam schicken, der so heilsam sein soll. Ihr wißt schon welchen, hat sie gesagt …“

„Gleich will ich den Buben damit hinüberschicken,“ rief der Wirth, indem er den Balsam aus einem Schrank hervorholte und die Ueberbringung anordnete. „Aber was ist denn mit dem Müller Hies geschehn? Wer hat ihm denn was gethan?“

„Das weiß ich nicht,“ erwiderte der Hausirer. „Die Mutter sagte, er wolle bald heirathen, seine Braut wohne im nächsten Dorf – er habe sie besuchen wollen und sei von dort so zurückgekommen …“

„Aha!“ riefen die Bursche lachend, „er ist Gassel gegangen und die Dorfbuben werden ihn ein Bissel gescheitert und gewasen’t haben …“

„Gescheitert?“ fragte der Krämer verwundert. „Was soll denn das heißen?“

„Da merkt man’s,“ entgegnete Steger-Martl, „daß Ihr nit bei uns daheim seid, weil Ihr unsre Brauch’ nit kennt! Wenn ein Bursch zu seinem Schatz Gassel geht und am Kammerfenster mit ihr discutiren und spenzeln will, nachher passen ihm die Buben auf und leiden’s nit, und wenn er nit aus dem Dorf ist, wird er hinausgejagt und wird mit Wasen (Wasenstücken) und Holzscheitern geworfen, bis er’s gut sein laßt oder bis er sich einmal stellt und sich durchrauft …“

„Nun, das muß wahr sein,“ rief der Krämer, indem er sich wieder zum Gehn anschickte, „Ihr habt schöne Gebräuche hier zu Land’ …“

„Oho!“ tönte es ihm vielstimmig entgegen, „wem es nicht gefallt bei uns, der braucht ja nicht da zu bleiben! Der Bändelkramer könnt’ auch was Gescheidres thun, als sich über die Leut’ aufhalten, die ihm seine Fetzen abkaufen sollen! So ist’s einmal Brauch bei uns und soll’s bleiben, und wem’s nit recht ist, dem machen wir’s recht!“

Hätte der Hausirer sich nicht so schnell auf die Beine gemacht, es wäre wohl möglich gewesen, daß die Bursche, auf den ersten Disput zurückkommend, die Doppelrechnung nachträglich auf einmal ausgeglichen hätten. Als man ihn nicht mehr sah und als Domini wieder die Cithersaiten schwirren ließ, wurde er vergessen; die Gläser wurden wieder eifriger gefüllt und dazu klangen die Schnaderhüpfeln und Trutzreime in der Runde:

„Und wer will a richtiger
Gasselbub’ wer’n,
Der darf sich um’s Was’nen
Und Scheitern nit scher’n!“

begann Domini, und der Steger-Martl fuhr fort:

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