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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Krankheit und Lähmung an sein Lager gefesselt, daß seine sonst so zähe Arbeitskraft nachließ und er bei einer großen Familie nach und nach in Verlegenheit, vielleicht sogar in Sorgen gerieth. Er war wenigstens gezwungen, sein liebstes Eigenthum, was er hatte, seine Bibliothek, selbst zu veräußern. Soviel ich weiß, wurde er in den letzten Jahren, und auch selbstverständlich durch die Schillerstiftung unterstützt, denn wenn Diezmann das nicht verdient hatte – wer dann? Nun ruft ihn der Tod ab – bei einer großen Familie war er nicht im Stande gewesen zu sparen – und wie Wenige von uns deutschen Schriftstellern können das überhaupt, wenn sie, wie gerade er, nur ausschließlich und allein von ihrer Feder leben!

Darauf beantragte der Vertreter von Leipzig, Hofrath Pabst, der – trotzdem daß er Leipzig gerade vertrat, wo Diezmann ausschließlich gewirkt – ihn jedenfalls nur als Uebersetzer gekannt zu haben scheint (selbst der Name ist unrichtig mit tz im Protokoll geschrieben) ein hundert Thaler für die Wittwe desselben auf drei Jahre, wonach sie dann wieder eine Eingabe machen müßte, um mehr zu bekommen. Außerdem gelang es nur der warmen Befürwortung des Abgeordneten für Hamburg, Dr. Robert Heller, selbst das durchzusetzen.

Die Satzungen der deutschen Schillerstiftung sagen, wie oben angeführt, deutlich, daß „den Schriftstellern oder ihren nächstangehörigen Hinterlassenen Hülfe und Beistand geleistet werden soll.“

Und konnte die Schillerstiftung nicht mehr erübrigen?

Dann frage ich, und mit mir viele andere Schriftsteller in Deutschland: was hat Herr Alexander Jung für die deutsche National-Literatur geleistet, daß er (der sich nicht einmal in schwerer Lebenssorge befindet, da er angestellt ist) vor den nächsten Hinterlassenen eines würdigen deutschen Schriftstellers eine lebenslängliche Pension von dreihundert Thaler jährlich beziehen kann?

So viel ich weiß, hat Herr Alex. Jung nur ein oder zwei Brochüren über Gutzkow geschrieben (denn strenge Fachwissenschaften sind für die Schillerstiftung ausgeschlossen), und ich begreife nicht recht, wie es kam, daß die Frage nicht näher von dem Verwaltungsrath erörtert wurde, als Robert Heller anfrug, ob so viel an A. Jung gewendet werden könne, ohne Gefährdung näherer Pflichten.

Der Nachsatz in §. 1 der Satzungen sagt allerdings, daß auch Schriftsteller und Schriftstellerinnen, auf welche obige im Beginn des Paragraphen angegebene Merkmale nicht sämmtlich zutreffen, zu Hülfe und Beistand empfohlen werden können und dem Ermessen des Verwaltungsrathes überlassen bleiben sollen, aber dürfen darunter die Interessen wirklicher Schriftsteller oder ihrer nächsten Hinterlassenen, die der Paragraph ausdrücklich auf eine Stufe stellt, leiden?

August Diezmann war einzig und allein Schriftsteller und lebte nur von dem, was er mit der Feder verdiente – er hat dabei für unsere deutsche National-Literatur verdienstlich gewirkt. –

Jetzt frage ich: ist ihm oder seinen nächsten Hinterlassenen wirklich von der besonders dazu bestimmten Stiftung – wie die Satzungen es sagen – Hülfe und Beistand geworden, indem die General-Versammlung der Wittwe einhundert Thaler auf drei Jahr bewilligte? Und Herr Alexander Jung bekömmt dreihundert Thaler lebenslängliche Pension – wofür? warum? Friedrich Gerstäcker.     




Aus den Sonntagsbriefen eines Zeitgenossen.[1] ... So hätten wir also eine neue Freiheit – die Theaterfreiheit. Woraus entstand, worin besteht sie und was wird sie uns bringen?

Das Gesetz des Norddeutschen Bundes, das die Concessionsbeschränkungen für theatralische Darstellungen aufhebt, hat seine Begründung in zwei unabweisbaren Grundrechten: in der Befugniß, durch Wort und Schrift die Gedanken zu äußern, und in der Gewerbefreiheit. Sie sehen freilich als erste Folge, daß Bierhäuser, Concerthäuser, Etablissements zweideutigen und entschieden verwerflichen Rufes Schaubühnen errichten.

Wer bietet nun Schauspiele, wem und was wird geboten?

In der Zeit der Reaction war man auf das Mittel verfallen, für Herausgabe einer Zeitschrift eine bestimmte Garantie, abgesehen von der Censur, zu verlangen. Das hat sich als unthunlich erwiesen; das Strafgesetz für Übertretung der staatlichen und sittlichen Ordnung reicht aus. Denn wer darf bestimmen: „Du bist befähigt zur Herausgabe einer Zeitschrift und Du nicht!“? Ebenso verhält es sich mit Errichtung eines Theaters. Erinnern Sie sich aber eines Wortes von Lessing in Emilia Galotti: „Könnte ich diesen Ton vor Gericht stellen.“ Ja, es kann Töne, Bewegungen geben, die Alles verletzen und doch nicht vor Gericht gestellt werden können.

Wem bieten die neuen sogenannten Volkstheater ihre Schaustellungen? Nicht dem arbeitsamen, im Feierabend Erholung suchenden Volke, sondern in der Regel den verlebten Müßiggängern, und was sie bieten, sind Possen, Reizspiele, halb maskirte oder ganz demaskirte Tanzreizungen.

Die erste Folge der Theaterfreiheit ist also Geschmackverwilderung und noch Schlimmeres.

Daran sind die Dichter schuld, werden Sie erwidern – warum bringen sie nicht gute Volksstücke? Das Volk in seinem gesunden Kern wird sich daran mehr erquicken, als an Possenreißereien mit wohlfeilen politischen Anspielungen in Couplets oder gar mit leicht zu enträthselnden Unzüchtigkeiten.

Gewiß! Hier liegt allerdings der Hauptaccent. Es ist aber Thatsache, daß sich die Productivität des modernen Dichtergeistes vom Theater entfernt und auf die erzählende Dichtkunst in Prosa gewendet hat. Daneben bildet die Naturwissenschaft, die der eigentliche Mittelpunkt unserer Geistesepoche ist, eine ganz neue Literatur. Das Theater und die theatralische Dichtkunst ist unverkennbar im Verfall. Die Theaterfreiheit wird diesen Verfall, nach meiner Ansicht, noch beschleunigen, indem sie die Geschmacksverwilderung, die gemeine Schaulust auf die Spitze treibt. Dann aber kommt die Umkehr, denn die Freiheit ist in allen Dingen das beste Correctiv für die in ihr gegebenen Ausschreitungen.

Wie es sich allmählich herausarbeitete, daß Zeitschriften, die auf die niedrigen Lüste des Publicums wie auf Scandal und momentane Aufreizung speculirten, in sich verkommen, wie sich allmählich eine sittliche und eine Geschmacksnorm im lesenden Publicum bildete, so wird es sich auch im schauenden gestalten und neue Kräfte werden sich hervorthun, die das Rechte schaffen. Ich komme wohl noch einmal auf dies Thema zurück.




Noch einmal die Belltafel. Ueber dieses uralte Gesellschaftsspiel, das der Verfasser des betreffenden Artikels der Gartenlaube (S. 523) nur noch den Städten Breslau und Liegnitz eigen sein läßt, sind uns Mittheilungen aus verschiedenen Gegenden Deutschlands zugegangen, welche auf Verbreitung, Alter, Bezeichnung und die Verwandtschaft desselben mit Kegel- und Billardspiel wenigstens einiges Licht werfen.

Genau dieselbe Belltafel, wie sie in der Gartenlaube bildlich dargestellt ist, findet sich in dem Dorfe Zeschnig bei Hohenstein in der Sächsischen Schweiz. Das Spiel heißt dort „Bilger“ und wird stets mit vier numerirten Steinen von vier Mann gespielt. Eine ähnliche „Bilgertafel“ soll in dem Wirthshause des Dorfes Fischbach bei Stolpen, ebenfalls in Sachsen, stehen.

Aus Thüringen kommen uns mehrfache Nachrichten zu. Einen festen Sitz hatte dieses seltene Spiel in den drei Dörfern Oberdorla, Langula und Niederdorla zwischen Eisenach und Mühlhausen, deren Bewohner den Namen „Vogteier“ tragen. Neben mancherlei Eigenthümlichkeiten in Trachten und Sitten zeichneten sie sich auch durch das „Bellke- oder Billke-Spiel“ aus, wie sie es nannten. Nur die Belltafel von Oberdorla wich insofern von der gewöhnlichen, wie auch Breslau sie zeigt, ab, als bei ihr auf dem runden Ende der Tafel auf einem Kreuz neun Kegel aufgestellt waren, welche durch mit Queues (ganz wie die Spielstöcke des Billards) fortgestoßene Kugeln umzuwerfen waren. Dieser Apparat, der uns in der Belltafel eine Verbindung von Kegelbahn und Billard zeigt, wurde 1859 ein Raub der Flammen; der zu Niederdorla wird als langer Kneiptisch entwürdigt, und der Dritte ist ein verkanntes Werthstück einer Rumpelkammer. Dagegen soll das Karnstädt'sche Wirthshaus in Windehausen bei Nordhausen noch im Besitz einer Belltafel sein.

„Belke“ wird ferner noch in den Ortschaften Donndorf und Bottendorf bei Wiehe (an der Unstrut, im Kreis Eckartsberga) gespielt, und zwar genau wie in Breslau, nur nicht von einer geschlossenen Gesellschaft, sondern von Jedem, der Lust dazu hat. Auch in der goldenen Aue, in Tilleda, der ehemaligen kaiserlichen Pfalz am Fuß des Kyffhäusers, fand ein fröhlicher Wanderer noch 1844 eine Belltafel, die derselbe auf eine Länge von acht bis zehn Ellen schätzt, und die muldenförmig, mit Graphit geglättet und mit einem erhabenen Rande versehen war, welcher das Herausgleiten der Steine verhinderte.

Endlich schreibt uns aus Königsberg in Preußen Einer, der vor beiläufig fünfzig Jahren dort studirt hat, daß es damals noch drei sogenannte „Pilketafeln“ in den ehemaligen „Gemeindegärten“ der drei Städte Altstadt, Löbenicht und Kneiphof gegeben habe. Auch dort waren die Räume, in welchen sie aufgestellt waren, mit Schützenscheiben geziert. Man sah gar nicht selten ältere Bürger sich mit dem Spiele vergnügen, welches ganz mit dem in der Gartenlaube geschilderten der Breslauer übereinzustimmen schien. Die Tafeln waren jedoch nicht muldenartig vertieft, ohne Rand oder sonstige Vorrichtung. Sie bestanden aus einer einfachen, durch Alter gebräunten und durch das Spiel spiegelglatt gewordenen Eichenplanke und es wurde wohl auf dieselben wegen ihrer enormen Länge, ansehnlichen Breite und völligen Ast- und Fehlerlosigkeit als auf Merkwürdigkeiten und Zeugen von dem, was einst der preußische Wald lieferte, aufmerksam gemacht.

Der Kneiphöfischen Pilketafel gedenkt noch Rosenkranz in seinen Königsberger Skizzen (Danzig, 1842. 1. Abth. S. 196), aber schon als in Privatbesitz übergegangen. Er erwähnt, daß sie 1580 gestiftet sei.




Ein Besuch. Es ist seit langen Jahren mein Schicksal gewesen, daß ich eine leider sehr große Anzahl von Briefen bekomme, die – sämmtlich, ohne Ausnahme mit der Form beginnen: „Entschuldigen Sie, wenn ein gänzlich Unbekannter“ – etc. – – Es sind das jedesmal oft sehr lange und ausführliche Schriftstücke, die zuerst die Lebensgeschichte des Betreffenden erzählen, dann die Versicherung enthalten, daß sich derselbe vor keiner Arbeit scheue, und zuletzt um einen kurzen Ueberblick der Verhältnisse sämmtlicher Welttheile, wie um Nennung eines bestimmten Punktes bitten, wohin sich der Auswanderungslustige wohl wenden könne, um eine seinen Fähigkeiten entsprechende Stellung zu finden. – Ja nicht selten wird sogar von mir verlangt, ihnen eine solche möglicher Weise nachzuweisen oder ihnen doch wenigstens Empfehlungen nach Amerika oder Australien mitzugeben.

Ich lebe nur von dem, was ich mir mit der Feder verdiene, und wollte ich nur die Hälfte jener Briefe beantworten, so müßte ich die Schriftstellerei vollkommen aufgeben, mir ein paar Secretaire halten, und meine Zeit ausschließlich auf diese Correspondenz verwenden, aber das kann ich nicht. Was ich über Auswanderung weiß, habe ich in meinen letzten Reisewerken dem Publicum vorgelegt. Wer wirklich auswandern will, mag die meinigen und Anderer Schriften darüber lesen, um sich ein eigenes Urtheil darüber zu bilden. Außerdem schicke ich grundsätzlich nie einen Fremden nach einem bestimmten Punkt der Erde, weil ich die große Verantwortlichkeit dafür nicht übernehmen mag. Schildert man auch noch so treu und gewissenhaft, die Phantasie der Europa-Müden malt sich die Sache doch ganz anders aus, und wozu sich unnützer und unnöthiger Weise Vorwürfe holen!

  1. Unter diesem Titel werden die „Blätter und Blüthen“ von Zeit zu Zeit Auszüge aus den an den Herausgeber gerichteten Briefen eines unserer bekanntesten und meistgenannten Schriftsteller und Publicisten bringen. D. Red.     
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 753. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_753.jpg&oldid=- (Version vom 28.11.2022)