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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Bauer auf, als den ich will – ich hab’ das dem Vater lang gesagt und er hat mir frei gestellt, daß ich nehmen kann, wen ich will ... Er braucht nicht reich zu sein – wenn er nur ein braver fleißiger Mensch ist, der mich gern hat und – den ich auch gern haben kann ...“ setzte sie leiser hinzu. „Wißt Ihr mir vielleicht einen Solchen?“

„Christel ...,“ rief Wendel wie außer sich, „das lautet ja gar, als wenn ... aber nein, das kann ja nicht sein! Ein armer fremder Mensch, der nit einmal eine richtige Heimath hat ...“

„Aber ein braver Mensch,“ sagte Christel, und streckte ihm wieder die Hand entgegen.

„O Du lieber Gott im Himmel droben,“ rief Wendel, indem er die Hand ergriff, wenn Ihr nur suchen wollt, wer Euch gern hat, nachher braucht Ihr nit weit zu gehn - zwischen Himmel und Erd’ kann’s Keinen geben, der Euch lieber hat, als ich ...“

„Ich hab’s wohl gemerkt,“ sagte sie tief erröthend, „aber ich hab’s auch gemerkt, daß Ihr viel zu brav seid, als daß Ihr mir’s eingestanden hättet ... also hab’ ich wohl selber den Mund aufthun müssen ...“

„Ist es denn möglich?“ jubelte er, „Christel – soll ich so glücklich sein? Könntest Du mich wirklich auch gern haben?“

„Von Herzensgrund, Wendel,“ flüsterte sie entgegen und sah ihm mit den thränenschimmernden Augen so recht innig in’s Gesicht ... „ich hab Dich schon lang’ lieb gehabt, in der Still ...“

Der Ueberglückliche wollte sie umschlingen und an sich ziehn, sie erröthete noch tiefer, aber sie wehrte ihn leise und doch entschieden ab. ... „Nit halsen ...“ (umarmen), sagte sie sanft, „das gefallt mir nit – aber lieb haben, Wendel, lieb haben bis zum letzten Augenblick. ... Heut’ noch will ich’s dem Vater sagen ...“

„O weh, der Vater!“ jammerte Wendel, „der willigt niemals ein ... der kann mich ja nit leiden!“

„Davor hab’ ich kein Bang!“ sagte sie. „Der Vater wird schon mit sich reden lassen, ich hab’ ja sein Wort und mein’ freien Willen – und wenn nur ich Dich leiden kann, das ist doch die Hauptsach’. ... Also ist es Dein heiliger Ernst, Wendel ... wir wollen einander lieb haben und ein treues, ein rechtes Paar sein – auf Du und Du, in alle Ewigkeit ...“

„In Ewigkeit,“ erwiderte Wendel feierlich, in kurzem, flüchtigem Kusse berührten Christel’s Lippen die seinigen und auf der Eiche neben ihnen schmetterte ein Fink so überlaut, als habe er verstanden, was sie gesprochen, und sei bedacht, daß der Tusch nicht fehle bei der festlichen Verlobung.




2. Feuer im Dach.

Im Erdgeschosse des Bergwirthshauses, das vom Dorfe abseits und einzeln gelegen die von der Anhöhe herabsteigende Hauptstraße wie eine ansehnliche Herrenburg behütete, ging es trotz der frühen Tageszeit schon sehr fröhlich her; das Oberhaupt der lustigen Gesellschaft war der Feichtenbauer, neben ihm Domini, die Cither vor sich; die Uebrigen waren Bauern aus der Nachbarschaft, die auf dem Kirchwege zufällig vorübergekommen und sich leicht hatten verführen lassen von der wohlfeilen Weinquelle zu kosten, die, wie die Nässe des Tisches und die vielen nebenanstehenden leeren Flaschen erkennen ließen, keineswegs spärlich floß.

Dem Bauer war noch kein Weg im Leben so kurz vorgekommen, als der von der Wallfahrtskirche zum Bergwirthshause; noch nie war er in so angenehmer Begleitung gewesen, denn Domini war unerschöpflich in lustigen Schnurren und allerlei unterhaltenden Geschichten. Der Bauer machte ihm Vorwürfe, daß er so lange nicht mehr auf dem Feichtenhofe eingesprochen, und Domini entschuldigte sich hinwider, daß er auf all’ seinen Wanderungen nirgends lieber einkehre als dort, daß ihn aber seine Handelschaft lange nicht mehr in jene Gegend geführt, sonderm weit hinweg, an Inn und Donau hinab bis tief unter Wien. „Am liebsten,“ setzte er hinzu, „wär’ es mir, wenn ich einmal irgendwo ganz und gar bleiben könnt’; ich hab’ das Herumwandern herzlich satt und mein Vater liegt mir auch schon lang’ an und will, daß ich mich einmal niedersetzen und auch ein Nest bauen soll. ... Freilich, an einem solchen Platz, wie der Feichtenhof, da wär’ gut Nest bauen!“

Der Bauer verstand nicht gleich, worauf Domini zielte; er wiederholte nur die Einladung, recht oft zu kommen und einzukehren; auf den Feichtenhof komme oft Wochen lang kein fremder Mensch, da höre und wisse man gar nicht, was draußen in der Welt vorgehe, und in der Langeweile sei es gar angenehm, wenn Einer komme, der nicht immer auf einem Fleck gesessen und etwas zu erzählen wisse.

Während dieser Gespräche war das Bergwirthshaus erreicht und auch die erste Flasche zur Feier des glücklichen Zusammentreffens so rasch geleert worden, daß sie sofort zu wirken anfing und die zweite dem Bauer bald den Kopf warm und die Zunge so geläufig machte, wie sie lange nicht gewesen. Domini hatte eben eine so verführerische Schilderung seines Aufenthaltes in Wien vollendet, daß dem erhitzten Alten der Mund wässerte und er sich bis zu dem Wunsche verstieg, mit Domini hinzureisen und sich all’ die Herrlichkeiten selbst zu besehn – bis dahin aber solle er auf den Hof zu ihm kommen und bleiben und von seinen Wanderabenteuern erzählen.

„Oho,“ lachte Domini, „das hört sich wohl recht schön an, hat aber doch einen Haken! Ich bin ein lediger Mensch und wär’ nit Euer Gefreundter und nit Euer Dienstbot’ ... das wär’ was für die Leut’, Eure Tochter mit mir in’s Gered’ zu bringen!“

„Was frag’ ich nach den Leuten!“ rief der Bauer, den der Widerspruch reizte. „Ich bin der Herr vom Haus und was mir recht ist, muß Jedem recht sein!“

„Das glaub’ ich doch nit so ganz,“ fuhr Domini listig fort, „ich sorg’, der Pfarrer thät Euch ein böses Licht aufstecken ... aber, wenn Ihr mich gar so gern bei Euch haben wollt, da gäb’s ein Mittel, wie ich alleweil bei Euch bleiben könnt’ und kein Mensch könnt’ was dawider haben ...“

„Ja – wie wär’ denn das?“ fragte der Bauer rasch.

„Das errathet Ihr nicht?“ rief Domini lachend, indem er ihm das Glas voll schenkte. „Und doch ist es so leicht ... macht mich zu Eurem Schwiegersohne und kein Gered’ und kein Pfarrer kann mich mehr von Euch vertreiben.“ ...

Er rief es mit lachender Miene, aber er belauerte jede Regung im Gesichte des Alten; ging dieser nicht darauf ein, so war der Vorschlag nur ein Scherz gewesen, im andern Falle mußte er schnell erfahren, ob und welche Aussicht für seine Pläne bestand.

Der Feichtenbauer war schon so vom Wein erregt, daß der Gedanke, der ihn sonst wohl stutzig gemacht haben würde, nichts Befremdliches für ihn hatte und er ihn als einen willkommenen Ausweg mit Vergnügen ergriff.

„Schwiegersohn!?“ rief er und brach ebenfalls in lautes Lachen aus. „Ja, das ist das Rechte! Da fang’ ich zwei Mucken mit einem Schlag! Willst mein Mädel wirklich haben, Domini ... stoß an und schlag’ ein ... Du sollst mein Schwiegersohn werden. ... Ich hab’ mir’s ja gleich gedacht, das hat was Besonderes zu bedeuten, weil Du mir so merkwürdig begegnet bist!“

„Ein Mann ein Wort!“ sagte Domini und schlug hastig ein. „Aber red’ nit so laut – es braucht’s Niemand zu wissen vor der Zeit.“ ...

(Fortsetzung folgt.)




Eine neue Alpenstraße.

Meine diesjährige Reise nach Italien führte mich auch nach dem alten Thusis, dem schönsten Marktflecken Graubündtens, der einige Meilen südlich von Chur, der Hauptstadt des Cantons Graubündten, in dem weiten, durch seine Schönheit weltberühmten Domleschgerthal und vor dem Eingang in die ebenso vielgenannte Via mala liegt. Schon in Chur hatte mir die hübsche Wirthstochter von der neuen Schynstraße erzählt und mich aufgefordert, den Besuch derselben doch ja nicht zu unterlassen. Ich versprach’s ihr mit der Bemerkung, daß ich in der Gartenlaube davon erzählen wolle.

Diese neue Straße durch den alten Schynpaß folgt dem Laufe der Albula, eines Alpenstroms, der Thusis gegenüber sich in den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 742. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_742.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)