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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Noth beizuspringen. Die Erschöpfung des alten Mannes war aber zu groß, um so rasch zu weichen; erst als Wendel hinwegeilte und ihm aus seinem Hute, den er an der Wunderquelle gefüllt, Gesicht und Schläfe mit frischem Wasser bespritzte, ließ die Erstarrung der Glieder nach; ein schwerer seufzender Athemzug hob die Brust und im nächsten Moment war zu erwarten, daß er die Augen öffnen werde. Wendel knieete neben dem schwach und noch halb bewußtlos sich Aufrichtenden so, daß er ihn von rückwärts unter den Armen gefaßt hielt und nicht fürchten mußte, dem ersten Blicke des Erwachenden zu begegnen.

„Hoho, was giebt’s denn da für eine Komödie?“ rief plötzlich eine grobe Stimme und ein noch roheres Gelächter folgte darauf – ein junger schmächtig gebauter Bursche mit bleichem eingefallenem Gesicht, um welches das aschblonde Haar schlaff hernieder hing, stand verwundert vor den Beiden. Eine kurze schwarze Sammetjacke hing ihm lose um den Leib und die hageren Beine steckten in eng anliegenden Hosen von Hirschleder, während hohe weiche Stiefel bis über die Kniee hinauf reichten. Die Weste unter der Jacke war offen und ließ Hemd und Kragen sehen, von welchem ein buntes Seidentuch, von einem silbernen Ringe im Knoten gehalten, breit herunter hing; Jacke und Weste waren eng mit Silbermünzen als Knöpfen besetzt und aus der Tasche baumelte eine dreifache großgegliederte Uhrkette prahlerisch hin und wider. Die Züge des Angesichts waren wohlgeformt, aber unangenehm durch ihre Magerkeit und Blässe; aus den grauen Augen blitzte freche Verwegenheit und um den schmalen gekniffenen Mund lauerte der Hohn.

„Was hat’s denn da gegeben?“ rief er wieder. „Der reiche Feichtenbauer liegt auf dem Boden ... hat er einen Rausch oder will er etwa gar ein Heiliger werden und das Kreuz ziehn?“

Er hätte wohl noch mehr gesprochen, aber Wendel rief ihm abwinkend und mit gedämpfter Stimme zu: „Still, rühre Dich nicht, Domini, komm daher und nimm den Bauern statt meiner in den Arm. … Thu, als wenn Du gerade dazu gekommen wärst und wolltest ihn aufheben …“

„Ich?“ fragte der Bursche lachend, doch etwas gemäßigten Tons entgegen. „Wie soll ich denn zu der Ehr’ kommen? Ich mein’ ich kenn’ Dich, bist Du denn nicht Knecht bei ihm, auf dem Feichtenhof?“

„Ja ja,“ erwiderte Wendel dringend, „aber ich will nit, daß er mich sieht, wenn er die Augen aufmacht … eben deswegen, weil ich sein Knecht bin …“

„So?“ rief jetzt Domini, näher tretend, indem es in seinen Augen listig aufzuckte. „Dann geh’ nur Deiner Weg’ … das kommt mir just gelegen!“ Er ließ sich nieder und hatte eben Wendel’s Stelle eingenommen, als der Bauer die Augen öffnete und mit klarer Besinnung um sich sah.

Wendel hatte sich lautlos an die Kirchwand gedrückt und war verschwunden.

„Wo bin ich denn?“ sagte der Bauer. „Was ist denn geschehen und wer ist denn bei mir? Da ist ja gar der Metzger Domini. … Wie kommt denn Ihr zu mir?“

„Freilich bin ich’s,“ erwiderte der Bursche lachend. „Ihr werdet mich doch noch kennen, haben wir doch schon manches Gläsel miteinander ausgestochen, und ist ja früher keine Woche vergangen, wo ich nicht bei Euch eingekehrt wäre. … Ich bin gerade recht gekommen, wie Ihr niedergefallen seid!“

„Niedergefallen? Ich?“ sagte der Bauer, den Verwunderten spielend, und warf einen scheuen Blick nach dem Kreuze und der Umgebung, ob sonst Niemand zugegen sei.

„Wißt Ihr nichts mehr davon? Schaut nur her. Ihr liegt ja noch halb und halb … ich bin eben den Feldweg hergekommen und wollt’ in’s Dorf hinein um nachzufragen, ob es nichts zu handeln giebt, da hab’ ich aus der Fern’ einen Mann gesehn, der sich mit dem Kreuz geschleppt hat; ich hab’ sehen wollen, wer der Lapp’ wohl sein könnt’. Das hätt’ ich mir freilich nit im Traum einfallen lassen, daß es der Feichtenbauer ist!“

„Frevelt nicht mit solchen Dingen,“ sagte der Bauer, der sich jetzt völlig aufgerichtet hatte, „man weiß doch nie gewiß, wie es damit ist. … Das Kreuz, sagt Ihr? Ja ja, jetzt fallt es mir schon ein, wie es zugegangen ist: ich bin zu früh hergekommen, da bin ich um die Kirch’ herum gegangen, hab’ mir die Bilder angeschaut – da hab’ ich auch das Kreuz stehen sehen und da ist mir eingefallen, ich wollt’ probiren, ob ich es heben und tragen könnt’ … so hab’ ich’s aufgenommen, bin aber dummer Weise gestolpert und hingestürzt, aber nicht im Ernst, das könnt Ihr Euch wohl denken … es ist nur Spaß gewesen!“

„Versteht sich! Nichts als Spaß!“ erwiderte der Viehhändler mit widerlichem Gelächter. „Es hat wohl einmal geheißen, die Finger seien Euch krumm und steif geworden von lauter Geldzählen, aber wer den Feichtenbauer kennt und wer weiß, daß er früher nirgends gefehlt hat, wo’s lustig hergegangen ist, der wird von ihm auch nit glauben, daß er ein Betbruder geworden ist und sich verlobt hat wie ein altes Weib! Das ist was für die Armen, die sich sonst nit zu helfen wissen – ein reicher Mann wie Ihr, der nimmt aus seinem Kasten einen Sack voll Kron’nthaler und fahrt ins Gastein oder nach Aibling hinüber in’s Bad, das hilft besser und gewisser …“

„Freilich, freilich,“ erwiderte der Feichtenbauer, indem er in das Lachen desto lauter einstimmte, je mehr er sich innerlich getroffen fühlte, „das will ich auch, das hab’ ich schon lang’ im Sinn, daß ich in’s Bad gehen will, ich kann’s ja zahlen; aber in’s Gastein ist es mir lieber, Aibling, das ist mir zu nah … wißt Ihr, wenn ich nach Gastein gehe, Domini, das hat gleich ein ganz anderes Gesicht! Aber Ihr müßt mir jetzt einen Gefallen thun …“

„Nur heraus damit!“ rief der Bursche. „Der Feichtenbauer kann von mir verlangen was er will!“

„Es ist nicht viel,“ fuhr der Bauer fort, „aber … Ihr wißt ja, wie die Leut’ sind! Bei Euch ist es was andres … Ihr kennt mich und so hab’ ich nichts dawider, daß Ihr just dazu gekommen seid, vorhin, wie … nun, zu dem Spaß von vorhin, mein’ ich, Ihr versteht mich wohl … es ist mir sogar recht lieb, daß gerad’ Ihr gekommen seid, und ich seh’s als eine gute Vorbedeutung an. Aber die Leut’ sind oft gar eigen, ich möcht’ drum nicht, daß etwas davon auskäm’ … Ihr müßt mir also den Gefallen thun und Niemand von dem, was Ihr gesehn habt, etwas sagen …“

„Niemand! Keiner Menschenseele!“ betheuerte Domini und seine Augen blitzten wieder listig auf wie vorher. „Auf das könnt Ihr Gift nehmen, Feichtenbauer … das bleibt unter uns Zweien und ich werd’s so wenig ausplaudern, als das Holzkreuz da, das wir aber wegen den Leuten doch wieder an seinen Platz stellen müssen. … Aber was habt Ihr nun vor?“ fuhr er fort, indem er die Last auf der Erde fortzog und dann an die Wand lehnte. „Wo wollt Ihr denn eigentlich hin, Feichtenbauer? Wollt Ihr dableiben und Euch noch einen Spaß machen?“

„Ich habe mein Fuhrwerk bei mir,“ erwiderte der Bauer, „und habe nur den Knecht damit bei Seite geschickt …“

„So?“ sagte Domini so völlig unbefangen, als habe er wirklich nicht die leiseste Ahnung von der Anwesenheit des Knechts. „Desto besser – dann fahren wir miteinander in’s Dorf hinüber, ich hab’ mit dem Bergwirth ein Geschäft abzumachen …“

„Von Herzen gern,“ sagte der Bauer etwas zögernd. „Aber es wird nur nit recht gehn wegen meiner Tochter …“

„Eure Tochter?“ rief Domini rasch und in seinen Augen funkelte es noch stärker als zuvor. „Ist die schöne Christel auch da? Wo ist sie denn – gewiß in der Kirche?“

(Fortsetzung folgt.)




Deutsche Kneipen.

2.0 Der Rathskeller zu Lübeck.

Zu Lübeck im Rathskeller saßen spät
Wir Freunde noch beim Wein und tranken,
Wo tief gebräunt die Eichentafel steht
Aus unsers letzten Kriegsschiffs Planken. E. Geibel.

Eines der besuchtesten Locale Lübecks, der alten Hansastadt, ist unstreitig der „Rathsweinkeller“ daselbst, ja, er ist gleichsam eine poetische Oase, in welcher nie ein anderer Sonnenstrahl glänzt, als der im Rebenblut funkelnde. Sein Eingang ist am Markt, seine Räume aber befinden sich unter der Börse und dem Rathhause, doch haben sie mit dem wunderlichen Bau dieses Products der verschiedensten Jahrhunderte nichts gemein, denn die Architektur

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 726. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_726.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)