Seite:Die Gartenlaube (1869) 715.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

umgebende Schranke öffnete sich, ich trat auf den sichern festen Boden, vom Lichte geblendet wie eine Eule, und athmete lang und athmete tief.

Ein herzenskräftiges Glückauf erscholl aus dem Munde der umstehenden Arbeiter, und selten im Leben habe ich einen Gruß so warm, so recht aus tiefinnerster Brust, so jubelnd erwidert, wie dies Glückauf oben in der schwarzen, rußigen Kaue.

Mittlerweile war es Abend geworden; der Mond lag silbern auf der Hochfläche, wie ein Feuermeer sprühten die Funken aus den Schloten der Coaksöfen in den sternenklaren Nachthimmel hinein, und aus dem Thale herauf blitzten unzählige Lichter und sprachen von trauten Menschenheimstätten und trautem Zusammensein – und wie ich dann am Hange des Windberges, dessen finsterer Schooß mich mehr als drei Stunden lang umschlossen hatte, in den Grund hinabstieg, da erschien mir meine Auffahrt aus der Tiefe wie ein wüster Traum, wie ein Alpdrücken, wie eine Fieberphantasie, und ich konnte mich nicht satt athmen an der frischen Himmelsluft, nicht satt sehen an dem rings ausgegossenen Lichte, wenn es auch nur das Licht des Mondes war. Aber nie im Leben wieder auf dieses grausige Schachtgestelle! Mit diesem stillen Gelöbnisse rückte ich mich, nachdem ich meinem liebenswürdigen Führer noch einmal herzlich gedankt hatte für sein treues, lehrreiches Geleite, in der Ecke des Bahncoupés zurecht, welches den Müden nach Hause trug.

H. Scheube.     




Der neueste Gegner des Papstthums.

Der Brief des Paters Hyacinthe an seinen Ordensgeneral hat in allen Ländern unseres Welttheils das lebhafteste Aufsehen erregt. Dieser Brief ist ein Ereigniß von um so größerer Tragweite, als sich der frühere Carmelitermönch in frischem kräftigem Mannesalter befindet und, wie man annehmen darf, entschlossen ist, den Kampf, den er so muthig begonnen, eben so muthig fortzusetzen. Die Gartenlaube, als freisinniges Organ der Zeit, wird nicht unterlassen können das Portrait und die Lebensskizze des muthigen Mannes zu bringen, auch wenn sie, wie das bei ihrer großen Auflage begreiflich, damit allen übrigen illustrirten Zeitungen nachhinkt.

Pater Hyacinthe, oder wie er mit seinem Familiennamen heißt: Charles Loyson, 1827 in Orleans geboren, besuchte mit seinem ältern Bruder das College in Pau, wo er sehr eifrig den classischen Studien oblag. Er machte sich damals durch einen sehr lebhaften Sinn für die Poesie bemerkbar und unterließ es nicht, in den Erholungsstunden den Musen zu opfern, aber nur im Stillen und zu seinem eigenen Vergnügen. Er hat seine poetischen Versuche niemals der Oeffentlichkeit übergeben. Es muß dies hier deshalb bemerkt werden, weil seine Widersacher ihn als schlechten Poeten lächerlich zu machen suchen. Man hat ihn theils absichtlich, theils unabsichtlich mit einem seiner Vettern verwechselt, dessen Musenkinder allerdings nicht sehr gerathen sind.

Pater Hyacinthe.

Charles Loyson hatte kaum das achtzehnte Jahr zurückgelegt, als er in’s Seminarium St. Sulpice zu Paris trat. Hier wurde sein Gefühl der Unabhängigkeit gar oft durch die Regeln des blinden Gehorsams stark verletzt. Er unterwarf sich denselben freilich, aber nicht ohne innern und äußern Kampf, und es kam nicht selten zwischen ihm und seinen Vorgesetzten zu inneren Conflicten. Sein Fleiß, die Reinheit seines Charakters und die Strenge, mit der er diese Reinheit überwachte, rangen jedoch seinen Obern volle Anerkennung ab, und nachdem er vier Jahre im genannten Seminare zugebracht, erhielt er die priesterliche Weihe und wurde bald darauf zum Professor der Philosophie am Seminar zu Avignon, dann zum Professor der Theologie am großen Seminar zu Nantes und endlich zum Vicarius im Sprengel St. Sulpice zu Paris ermannt. Als solcher that er sich bereits durch seine Beredsamkeit hervor. Indessen blieb er nicht lange in dieser Stellung. Er trat in den Orden der Dominicaner. Die bitteren Enttäuschungen, die er in diesem Orden erlebte, trieben ihn 1862 nach Lyon, wo er in’s Carmeliterkloster trat. Der junge Carmelitermönch erwarb sich in dieser großen Stadt schnell den Ruf eines Kanzelredners von hoher Bedeutung, man drängte sich so sehr nach den Kirchen, wo sein gewaltiges Wort erklang, daß ihn der Bischof von Perigueux einlud, in der berühmten Kathedrale dieser Stadt während des Advents eine Reihe von Predigten zu halten. Der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_715.jpg&oldid=- (Version vom 13.11.2022)