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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

in europäischer Balltoilette, Theil nahmen; der Stadtgouverneur aber, durch Unwohlsein ferngehalten, war durch einen Pascha, sechs Beys und deren Gefolge repräsentirt. Zahlreiche Toaste und musikalische Vorträge würzten das Mahl, und ein sich anschließender Ball hielt die Gäste bis zum frühen Morgen in heiterer Stimmung beisammen.“




Das Hagestolzenrecht. Daß es in früheren Zeiten für diejenigen Männer, welche sich den Fesseln der Ehe entziehen zu müssen glaubten, ein besonderes „Recht“ gab, ist wohl nicht allen unserer Leser bekannt. So möge denn nachstehende Stelle aus dem „kurzen Tractat von unterschiedlichen Rechten in Deutschland von Justus Georgius Schottelius, fürstlich braunschweigischem Kammerhof- und Consistorialrath (Frankfurt und Leipzig 1671)“ hier als Curiosum mitgetheilt werden mit dem Bemerken, daß die darin enthaltenen Verfügungen zum Beispiel auch in Lübeck gegolten haben:

„Haben also die alten Deutschen solche Frauenfeinde und Brauthasser mit diesem sonderlichen Namen des Hagestolzen genannt, und hat der Name selbst allemal eine Beschimpfung und Auslachen verursacht, und sind die Hagestolzen zu Ehrenämtern wenig gezogen. Es ist aber derselbig eigentlich ein Hagestolz, welcher zu dem Alter und Vermögen gekommen, auch nicht durch Wahnsinn oder sonst eine erhebliche Ursache, geistlichen Stand etc. verhindert wird, daß er könne ehelich werden und ein Weib ernähren.

Derselbe, welcher leibeigen und ein Sclave ist, kann nicht ein Hagestolz sein, sondern freie Leute, die erben und vererben können.

Wie alt ein Hagestolz sein und von welchem Jahr und Tage an man eigentlich rechnen und die Hagestolzschaft anfangen müsse, darüber ist eine durchgehende Gewißheit nicht vorhanden, ein jeder Ort bedient sich des Herkommens und angenommener Gewohnheit, jedoch ist gemeiniglich als terminus a quo das fünfzigste Jahr des Alters und stehet bis dahin einem Unbeweibten die Bedenkzeit frei. In einer fast alten Landgerichtsnachricht befindet sich Folgendes: Gefrage, wie alt im Rechte ein Hagestolz sein solle? Antwort: Ein Hagestolz soll sein fünfzig Jahr, drei Monat, drei Tage; wie wohl in etlichen Aemtern dazu erfordert werden dreiundsechszig Jahre, sechs Wochen, zwei Tage.

Ob nun zwar durch öffentlichen Gesetz und Gerichtszwang nicht eben verboten, ein Hagestolz zu werden und sich alles Heirathens zu begeben, sondern solches jedwedem freigelassen, so wird dennoch ein solcher Hagestolz, je länger, je mehr verdächtig, gehässig und verachtet, und gar selten zu vornehmen Ambtsbedienungen befördert.

Sobald nun einer ein Hagestolz worden, verliert er sein Erblassungsrecht und muß sein Gut der Obrigkeit des Orts, wo er sein Domicilium hat, verlassen und vermag also nicht, durch ein Testament oder andern letzten Willen seine Güter weder an seine Blutsfreunde, noch an andere Leute zu verordnen und zu vermachen.

Es hat aber solche Confiscirung nicht statt in allen Gütern des Hagestolzen, sondern nur in seinen wohlgewonnenen Gütern und nicht in seinen Erb- oder Stammgütern. Und ist ein wohlgewonnenes Gut alles dasjenige, was ein Hagestolz in seinem Stande, Nahrung, Getrieb und Arbeit erworben, erspart und erübrigt, es mag bestehen worin es wolle, an Fahrniß oder unbeweglichen erhandelten und erkauften Gütern, an rückständigen, ausstehenden Schulden, vorhandenen Kleidern, Baarschaft, Hausgeräth etc.

Dasjenige auch, was ein Hagestolze vorhero und ehe seine Hagestolzenschaft angegangen, erworben, wird nicht separirt, sondern mitconfiscirt. Bei den alten Griechen haben die Hagestolzen bei den Ehrenschauspielen sich nicht einfinden dürfen, sie haben bei kalter Winterzeit öffentlich auf dem Markt in einem Kreis herumgehen und ein schimpfliches Hagestolzenlied selbst singen müssen. Bei den Atheniensern wurden die Hagestolzen von Weibspersonen um die Altare getrecket (gezogen) und mit Peitschen und Ruthen öffentlich gehauen. Bei den Corinthern sind die Hagestolzen, wenn sie gestorben, eines ehrlichen Begräbnisses nicht würdig geschätzt worden.“




Warnung für Auswanderer. Ich habe soeben einen Brief aus Hamburg erhalten, in welchem mir das Folgende angezeigt wird:

„Es hat sich in England eine Gesellschaft zur Ausbeutung der venezulanischen Goldminen gebildet und den Beschluß gefaßt, eine Anzahl Arbeiter nach Venezuela zu senden, um daselbst für Rechnung der Compagnie nach Gold zu graben. Die näheren Bedingungen sind mir noch unbekannt, aber das ist sicher, daß die englischen Actionäre ihre eigenen Landsleute zu schonen scheinen und sich deshalb nach dem großen Menschenmarkt Deutschland gewandt haben, wo sie auch bereits, wie ich zu meiner nicht geringen Verwunderung höre, eine große Anzahl deutscher Familien für ihren Platz gewonnen haben.

„Ich kenne Venezuela und besonders Guyana genau (wenn auch nicht die Minendistricte), indem ich eine lange Reihe von Jahren da zubrachte. Ich weiß, daß der Canton Upata, wo die Minenplätze Caratal und Tupuque belegen sind, sich im Ganzen eines guten Klimas erfreut, es ist mir aber auch bekannt, daß dasselbe dem nach Gold grabenden Weißen, der den größten Theil des Tages in den feuchten Löchern arbeitet, im hohen Grade nachtheilig, ja verderblich ist, aus welchem Grunde sich auch vorzugsweise die farbigen Eingeborenen mit dieser Arbeit befassen.

„Ich war in Ciudad Bolivar (Angostura), als die Minen entdeckt wurden, und auch später, bis 1859, als eine Menge von Menschen dahin wanderte, von denen die meisten durch Krankheit und Entbehrungen umkamen, während die am Leben bleibenden elend und krank zurückkehrten. Seitdem hat sich dieser Zustand etwas gebessert, aber das Klima bleibt natürlich dasselbe, und niemals hat es den Deutschen gelingen wollen, bei persönlicher Arbeit in den Minen ihre Gesundheit zu bewahren.“

So weit der Brief. – Der Zustand dort hat sich allerdings bedeutend gebessert, und der Goldreichthum der venezulanischen Minen ist bedeutend. Aber trotzdem möchte auch ich besonders alle Familien warnen, sich auf Contracte einzulassen, die den Mann zwingen, eine lange Zeit verbindlich zu bleiben, während er vielleicht in der ersten Zeit sogar erkrankt und dann mehr und mehr in Schulden geräth. – Der Tagelohn ist dort in den Minen zwei Pesos, etwas über zwei Thaler, den Tag, dagegen sind die Lebensmittel auch verhältnißmäßig theuer und das heiße Klima bei der schweren Arbeit für unsere Deutschen gefährlich.

Capitalisten haben in den venezulanischen Minen etwas zu hoffen, denn der Quarz ist so außerordentlich reich, daß er jede Arbeit bezahlt, aber der einzelne Goldwäscher übernimmt in einem heißen Klima, das er, vielleicht ohne Erfolg, mit seiner Gesundheit bezahlt, eine schwere Verantwortung, wenn er besonders seine Familie hinüber führt, ohne auch zugleich die Mittel zu haben, wenigstens anfangs für sie zu sorgen. Junge einzelne Leute, die einmal ihr Glück draußen versuchen wollen, können es schon eher wagen, aber dann müssen sie sich besonders vorsichtig mit dem Contracte stellen, wie ich es in meinem „Parcerie-Vertrag“ so deutlich als möglich dargelegt habe. Uebrigens wäre es dabei wohl gut, wenn sich die betreffenden Behörden näher nach diesen Contracten, die von der englischen Compagnie mit hiesigen Familien abgeschlossen sind, erkundigen und solche Contracte überwachen wollten.

Unsere Deutschen sind leider, überseeischen Versprechungen gegenüber, wie die Kinder – sie glauben Alles, was man ihnen sagt, und wenn ihnen Jemand einen oder gar zwei Thaler nur verspricht, so rechnen sie sich augenblicklich nach den hiesigen Kartoffelpreisen aus, wie prachtvoll und sorgenfrei sie davon leben können. Friedrich Gerstäcker.     




Kaiser Maximilian von Mexico, dessen unseliges Gedächtniß durch die spanischen Ereignisse jüngst wieder erweckt worden, ist der Titelheld eines von J. G. Fischer vor kurzem in der Frankh’schen Verlagshandlung in Stuttgart erschienenen Trauerspiels. Den Lesern der Gartenlaube wohlbekannt, ist der schwäbische Sänger ein würdiger Nachfolger Uhland’s, doch immer noch nicht hinreichend gewürdigt, fehlt er doch auch in der neuesten Auflage des Brockhaus’schen Conversations-Lexikons, das weniger Bedeutendem willig einen Platz vergönnt. Keuscher Wohllaut der Form, mit sittlichem Ernst in das Erfaßte sich vertiefende Anschauung, männliche Gedankenschwere, alle diese nicht eben häufigen Vorzüge des Lyrikers zeichnen auch den Dramatiker aus, dessen Saul und Friedrich der Zweite nicht trotzdem, sondern vielleicht deshalb auf der heutigen Bühne Bahn sich zu brechen nicht vermocht.

Seiner neuesten Dichtung bleiben die Bretter gänzlich verschlossen, wie er selbst sich bescheidet, weil sie nun einmal die wirkliche gegenwärtige Welt nicht bedeuten dürfen, sobald höhere Personen und Interessen im Spiel sind. Nur der neugeborene Scandal hat freien Zutritt; habe ich doch in diesem Sommer ein Billet zu „Ebergenyi und Chorinsky“ buchstäblich mir erkämpfen müssen. Allen Vorlesern aber sei Fischer’s Trauerspiel auf das Wärmste empfohlen, im Bürgerverein zu Stuttgart hat es eine bedeutende Wirkung erzielt. In diesem Stück Geschichte giebt uns der Dichter einen Ausspruch des Weltgerichtes, mahnend und erschütternd zugleich, kein romantischer Nebel hat ihm den klaren Blick umflort, nicht sclavisches Zittern seinen unerbittlichen Griffel zum Wanken gebracht. Hören wir selbst, wie er seine Auffassung des tragischen Conflicts im Vorwort darlegt: „Maximilian und seine Freunde mit ihren monarchischen Voraussetzungen erscheinen ebenso sehr im Recht als im Irrthum, und die Mißbilligung der Verstöße ist durch das Ende des unglücklichen Kaisers mit seinen josephinischen Ideen in sehr begründetes Mitleid verwandelt. Juarez aber und sein Anhang? Wer möchte das Recht der nationalen Selbstbestimmung nicht als ein ewig unbestreitbares ahnen, auch dann, wenn es noch so lang in mißlingenden Griffen sich versucht!“ Wer sich etwa an die „josephinischen Ideen“ stoßen möchte, erwäge, daß es dem Dichter gestattet ist, die Höhe des Helden mit der Tiefe des Sturzes in Verhältniß zu bringen. Der eigentliche Held freilich ist Juarez und zugleich der siegreiche, in ihm triumphirt die Gerechtigkeit, was auf der Bühne nicht immer und noch seltener in der Geschichte der Fall. Aus dem reichen Sprachschatz der Dichtung nur noch das Wort des Juarez:

 „Der Völker Interessen,
Ihr Eigensinn und ihre Consequenzen
Sind auch ein Papstthum, das nicht anders kann.“

Möchten doch endlich die Völker zum Non possumus! sich ermannen!

A. Traeger.     


Inhalt: Jedem das Seine. Von Ad. von Auer. (Fortsetzung.) - Aus dem Nachtleben der Flughörnchen. Von Brehm. Mit Abbildung. - Aus meinem Leben. Vom Capellmeister Dorn in Berlin. Ein Concertabend am Hofe des Herzogs von Cumberland. – Aus vollem Menschenherzen. Wissenschaftliche Novellette von A. Bernstein. (Schluß.) - Aus der Wandermappe der Gartenlaube. Nr. 5. Guggisberg und seine Hochgebornen. Mit Abbildungen. – Blätter und Blüthen: Eine Humboldt-Feier unter Palmen. – Das Hagestolzenrecht. – Warnung für Auswanderer. Von Friedrich Gerstäcker. - Kaiser Maximilian von Mexico. Von Albert Traeger.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_690.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)