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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

des merkwürdigen Actenstücks. Viel war daran gelegen, daß keine Regierung des In- und Auslandes erfahre, wie, wo und von wem die Veröffentlichung ausgegangen sei. Alle freuten sich darauf, den gesammten polizeistaatlichen Apparat in nervöse Bewegung zu setzen und vergeblich sich abzappeln zu lassen. Vater Winter, der Heidelberger Bürgermeister und Buchhändler, die derbe ehrliche gute alte Haut, wies den Versammelten sofort nach, daß eigene, von den gebräuchlichen abweichende Typen müßten gegossen und nach vollendetem Druck sofort zerstört werden. Denn benütze man Typen, wie sie in den Schriftgießereien üblich und geliefert werden, so könne man leicht aus dem Druck die Typen, die Schriftgießerei und Druckerei und Drucker ermitteln. Er bemerkte ferner, daß Satz und Druck von Männern aus unserer Mitte müßte bewerkstelligt werden, und schlug dazu den leider zu früh verstorbenen Philologen und Philosophen A. Deeg vor, welcher denn auch seines Auftrages sich meisterhaft entledigte.

Aus dem Papier, aus dessen Format, Wasserzeichen und dergleichen könne man auf die Siebe und den Apparat zur Papierfabrikation schließen und die Papiermühle ermitteln, daher das zum Druck nöthige Papier aus besonders für diesen Zweck construirten Sieben und Geräthen hergestellt werden müsse. Winter setzte mit vielem Humor auseinander, wie die Spürhunde sich mit Cirkel, Maßstab, Vergrößerungsgläsern etc. vergebens abmühen würden.

So wurden Papier, Typen, Druck an verschiedenen Orten in verschiedenen Ländern, in Frankreich, Deutschland, der Schweiz und, als Viertem im Bunde, Nordamerika hergestellt, und die „Einbringung“ über die Grenze war für uns ein Leichtes; das hatte man seit Langem prakticirt. Und als jene drei Ständeversammlungen eröffnet wurden, da lagen, wie aus den Wolken geschneit, auf jedem Ministertische, auf jedem Sitze der Abgeordneten Exemplare der geheimen Wiener Conferenzbeschlüsse von 1834.

Die monarchische Polizei arbeitete im Schweiße ihres Angesichts, um hinter die Geschichte zu kommen – vergebens. Frustra – sed non gratis. (Zwar vergeblich – doch nicht umsonst.) Das Volk mußte deren lächerliche Arbeit bezahlen. Die Wirkung der Veröffentlichung jener geheimen Verschwörungsbeschlüsse war ungeheuer und nachhaltig, der Eindruck auf die Regierungsbänke niederschlagend. Von dort an wurde die Reaction bedenklicher, die Action schritt „im Zeug“ vorwärts.




Aus der Wandermappe der Gartenlaube.

Nr. 3. Das Eden eines Königs.

Sollte es den Hohen dieser Erde, die zumeist doch den Glanz und die ungeheuren Vorrechte ihrer eximirten Stellungen mit einer unendlichen Einsamkeit, mit einem schauerlichen Alleinstehen theuer genug bezahlen müssen, zu verdenken sein, wenn sie hin und wieder ihre hohen leeren Säle verlassen, wenn sie entfliehen dem Prunk der Ehrenbezeigungen, die für sie doch längst den ersten berauschenden Zauber der Macht verloren haben müssen, um in der Natur, im Flüstern des Waldes, im Rauschen der Wellen, in seliger Bergeinsamkeit verwandte Stimmen zu suchen, die sie im Leben nur schwer, oft gar nicht finden?

Auch der Jüngste aller jetzt regierenden deutschen Fürsten, König Ludwig der Zweite von Baiern, hat der ernsten und trüben Stunden wohl schon so manche hinter sich, die gerade ihn, eine durchaus ideal angelegte Natur, veranlassen mögen, in den herrlichen Gegenden seines oberbaierischen Gebirges oft Trost und Entschädigung für so Manches zu suchen, was ihm seine Hauptstadt trotz all ihrer Schätze nicht bieten kann. Dieser so tief ausgesprochene Zug zur Natur im Charakter des jungen Herrschers, der ihn veranlaßt oft bis weit in den Winter hinein auf seinem einsamen Bergschloß Hohenschwangau zu verweilen und mit dem erwachenden Frühling wieder hinauszuziehen an die schönen Ufer des Starnberger Sees, um dort auf seinem Schlosse Berg die heißen Sommermonate zuzubringen, hat müßigen Zungen, unzufriedenen Hoflieferanten, denen der einfache Junggesellenhof des Königs zu wenig braucht, Anlaß genug zu viel überflüssigem Gerede gegeben.

Auch in München giebt es Leute die Menge, die es nicht ertragen können, daß der jetzt regierende Herrscher nicht im Soldatenspiel, nicht in kolossalen Bauten, oder in rauschenden Hoffesten seine Befriedigung findet, sondern glücklich ist, wenn er auf schäumendem Roß auf die höchsten Bergkuppen hinaufreitet, oder auf seinem Dampfer die blauen Wellen des Starnberger Sees durchkreuzt und mit verständnißinnigem Naturgenuß ein nach den ernstesten und höchsten Zielen strebendes Studium verbinden kann, und wenn er, den man menschenscheu nennt, lieber mit seinen Büchern verkehrt, als mit den seltsamen Exemplaren des Menschengeschlechts, die sich notwendigerweise, wie die Mücken zum Licht, so an den strahlenden Glanz des Hofes drängen.

Hohenschwangau ist das Eden des jungen Königs, und eines, um welches er sich beneiden lassen kann. Die Eisenbahn führt uns in die nächste Nähe der Burg auf dem Augsburg-Lindauer Strange, und zwar sind für den Eilreisenden Kaufbeuren, Kempten und Immenstadt die nächsten Haltepunkte. Das Ziel von da ist stets das gewerbsame Städtchen Füssen mit seiner malerischen Lage, seiner schönen Burg mit der prächtigen Aussicht dem Lechfall und dem seltsamen Wunder des Mangentritts, denn St. Magnus sprang hier über die Schlucht, so erzählt die Sage; den Fußtritt des Heiligen kann man heutzutage noch sehen. Wir gehen hier über die Lechbrücke und jenseits ein Stück den rasch fließenden grünen Strom abwärts, biegen dann rechts um die Ausläufer des Calvarienberges und um einen trotzigen Felskopf, den wir bald näher kennen lernen, denn auf demselben hoch über uns haben wir das Ziel unserer Wanderung vor uns. Unten aber winkt uns ein Haus, dessen Name allein schon verlockend und anmuthig klingt, das vielbelebte Wirthshaus „zur Alpenrose“, wo schon so mancher müde Wanderer gastliche Aufnahme und gute Herberge gefunden. Auch wir werden an dieser gastlichen Alpenrose nicht vorübergehen, sondern zuvor uns erfrischen, ehe wir einen der vielen Waldwege einschlagen, die auf allen Seiten den Berg hinauflaufen.

Der schattige Parkweg, welcher uns unter dem grünen Dom des herrlich sich wölbenden Laubdachs langsam bergan führt, ist die richtige Einleitung für das, was wir oben zu erwarten haben. Wem nicht hier schon unter den prächtigen Bäumen, durch die sich fort und fort neue entzückende Blicke auf wechselnde Aussichten bieten, das Herz aufgeht, wer hier nicht schon höher athmet, der, fürchte ich, wird auch oben nicht viel Genuß haben und wenig von dem Zauber empfinden, der gerade Hohenschwangau so mächtig umschwebt. Das ist jener Zauber, der uns so gern träumen läßt von den Zeiten, in denen hier zwar derselbe Wald rauschte, dort unten derselbe See in seiner Felsenkammer fluthete, aber andere Menschen durch diese Wälder schritten und dort oben in jenen Mauern wohnten; Menschen wie wir, aber mit anderen Zielen, Hoffnungen und Wünschen ausgestattet, in anderer Weise denkend und handelnd.

Die Veste, die wir jetzt Hohenschwangau nennen, führte einst den Namen Schwanstein; Hohenschwangau nannte man früher zwei Burgen, deren Ruinen heut zu Tage noch auf dem Berge Neudeck zu sehen sind. Daß hier Alles "schwant“ (Schwanstein, Hohenschwangau, Schwansee), weiß uns die Sage auf liebliche Weise zu erklären. Die allbekannte Sage, die den Stoff zum Wagner’schen „Lohengrin“ gegeben, lebt hier noch im Volksmunde. Dieselbe lautet folgendermaßen. "In grauer Vorzeit war eine fürstliche Jungfrau von hohem Gemüth und reinen Sitten Herrin auf der Burg. Als das edle Fräulein eines Tages auf der Zinne stand und weit in’s Land hineinschaute, kam ein schneeweißer Schwan auf dem See daher geschwommen, der zog einen goldenen Nachen, in dem ein schöner Jüngling schlief. Als derselbe erwachte und an das Land gestiegen war, grüßte er die Prinzessin mit so freundlichen Worten, daß das Fräulein Vertrauen gewann und ihn bat, ihr Ritter zu sein. Sie hatte nämlich einen bösen Oheim, der klagte die Verlassene vor dem Kaiser eines unehrbaren Wandels an und behauptete, ihr Bestiz sei an

ihn verfallen. Der Kaiser befahl, daß ein Gottesgericht zwischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_554.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)