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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

– Sagt der Andere: ‚Hob i schon!‘ – Sagt der Dritte ‚Host Du g’hobt!‘“

Ein lautes Gelächter folgte, das in einen allgemeinen Hurrahruf überging, als jetzt der Krippauer mit seinen Leuten, die sich mit Stricken vor einen französischen Fourgonwagen gespannt hatten, auftauchte. Alle eilten ihm entgegen, um Hand anzulegen und den Wagen bis zu dem Wachtfeuer vor der Mühle heraufzubefördern.

„Teufel, der ist gut beladen,“ rief der Krepsacher.

„Ich mein’s,“ sagte der Krippauer, der jetzt mit den Seinen verschnaufend nebenher ging und sich die Stirn wischte, „ob er schwer ist! … Wir haben auch einen guten ausgesucht – könnt’s uns danken!“

„Ist Gepäck drin?“ fragte der Umgewendete.

„Es ist Alles drin,“ versetzte der Krippauer; „es muß solch ein Generalsküchenwagen sein, und es schaut aus drin wie in der Vorrathskammer des Abts von Neustadt; das Herz soll Euch aufgehen, Ihr Männer, wenn Ihr dreinschaut … hat dies Franzosenpack was Ehrliches zusammengeraubt!“

Und das Herz ging den Männern auf, als sie den Fourgon öffneten und seinen Inhalt plünderten. Brod und Würste, Gebackenes, kaltes Geflügel, Pasteten, Kuchen, Flaschenkörbe mit Bocksbeuteln, genug wurde aus dem Innern herausgelangt, um die ganze Mannschaft satt und – trunken zu machen. Dazu silbernes Geräth und Teller und Trinkgeschirr – das letztere diente zuerst, überströmt von dem Inhalt des goldenen Main- und Steinweins, der aus den Bocksbeuteln floß.

„Hurrah, es lebe das heilige römische Reich!“ rief der Knirps, der Krepsacher, aus, nachdem er ein Krystallglas halb geleert, „das ist Gewächs von der Harfe, denk’ ich, hab’s nie besser bekommen – so laß ich mir die Franzosenjagd gefallen!“

„Klagst jetzt nicht mehr, daß man den Kerlen nicht die Haut abziehen und sie nicht als Hasen schmoren kann?“ lachte der mit dem zerrissenen Aermel, der Schulmeister.

„Nein – so kann’s fortgehen – morgen und alle Tage,“ versetzte der Knirps, den Rest hinunterschluckend. „Ich denk’, wir machen so weiter! Was haben wir auch die Soldaten, die Oesterreicher, nöthig? Wenn Jedermann von uns Bauern wäre wie ich, und drei Gulden sich’s kosten ließe für Schießpulver – Jedermann von den Förstern und Bauern im ganzen römischen Reich, wir schlügen die Franzosen allein zum Land hinaus und nachher, dann gingen wir über den Rhein und in ihr Land hinein und machten’s dort, wie sie bei uns. Steinwein wie diesen da haben sie freilich nicht – aber was sie haben, wird auch nicht schlecht sein, und es ließ sich probiren!“

„Armer Tropf!“ sagte der Schulmeister, „meinst Du, die großen Herren ließen Dich ruhig Dein Pulver verknallen und auf Deine Faust nach Frankreich marschiren, damit, wenn Du heimkämst, Du nachher das große Maul führtest? Jetzt, weißt, haben sie uns losgelassen, weil sie uns brauchen können, wie die Hunde, wenn die Räuber auf den Hof kommen. Später werden sie Dich schon wieder an die Kette legen!“

„Ah bah, wenn wir Alle zusammen hielten – könnten wir nicht damit anfangen, daß wir die großen Herren erst einmal an die Kette legten?“

„Weshalb nicht gar,“ fuhr der Krippauer dazwischen, „wer sollt’ sie dann füttern? Die Sorte frißt zu viel!“

„Nun, so sähen wir’s den Franzosen ab, wie sie sich drüben ihre großen Herren vom Halse schaffen; die haben’s doch gekonnt!“ antwortete der Krepsacher, sich das Maul mit einem Biß in ein kaltes Feldhuhn stopfend.

Wilderich trat in diesem Augenblick in den Kreis und unterbrach diese Reden, die bewiesen, daß der gestrenge Schösser nicht so ganz Unrecht hatte, wenn er behauptete, das Volk im Lande sei von den Republikanern mit Gedanken angesteckt, die in den Zeiten seiner siegreichen Ausmärsche wider den Reichsfeind noch nicht erfunden waren.

Wilderich war in seiner Wohnung drüben gewesen, für die Unterkunft der Verwundeten zu sorgen, nach Margarethe und dem Kinde zu sehen, die gegen Abend aus einem Fluchtversteck im Walde zurückgekommen waren, und seine Vorbereitungen für seine Reise zu treffen.

„Wo bleibt Ihr, Commandant?“ riefen ihm die Bauern entgegen, „eßt und trinkt!“

„Ich habe in meinem Hause gegessen und getrunken,“ versetzte er und zog den Krippauer am Wamms zur Seite.

„Krippauer,“ sagte er dabei, „hört, ich muß Euch verlassen.“

„Verlassen – Ihr – uns – jetzt? Zum Teufel, das wäre nicht recht, Commandant!“

„Und doch muß ich. Ich muß nach Frankfurt. Fragt mich nicht weshalb!“

„Das möcht’ ich doch wissen …“

„Wohl denn, weil der Erzherzog mir einen Brief dahin gegeben.“

„Der Erzherzog? Nun, wenn das ist – aber wie wollt Ihr nach Frankfurt kommen – durch das Franzosengewühl auf allen Straßen, die dahin führen?“

„Ich denk’, ich werd’s möglich machen – ich muß eben! Unterdeß führt Ihr die Leute, wollt Ihr, Krippauer?“

„Ob ich will … fragt lieber, ob ich kann? Sie werden nicht auf mich hören!“

„Sie sollen auf Euch hören, ich werd’s schon machen.“

„Da bin ich begierig, wie Ihr’s machen wollt, daß die Respect vor dem Krippauer bekommen!“

„Hört nur – tretet neben mich an’s Feuer.“

Wilderich trat mit dem Krippauer in die Runde der Gelagerten und rief: „Ihr, Ihr Leute hier, seid ruhig … hört mich an!“

„Still, der Commandant will reden, er wird uns sagen, ob wir sie an die Kette legen oder abthun sollen, wie die Franzosen,“ schrie der Krepsacher.

„Ich muß,“ hob Wilderich an, „ich muß Euch verlassen, brave Freunde! Ihr seid mir gefolgt, habt mir gehorcht und gute Manneszucht gehalten. Dafür dank’ ich Euch. Jetzt muß ich Euch verlassen, weil ich von dem Erzherzog und Reichsfeldmarschall einen Brief bekommen habe, den ich nach Frankfurt bringen muß!“

„Ach, redet nicht so,“ fiel der Schulmeister ein. „Ihr dürft von der Compagnie nicht desertiren, Hauptmann!“

„Ich desertire auch nicht, ich nehme nur Urlaub; und unterdeß laß ich Euch einen Lieutenant, dazu hab’ ich den Krippauer erwählt, denn der ist ein wackrer Mann, stark wie Zehn und ist in seiner Jugend auch eine Weile Soldat gewesen bei den Hohelohe’schen! Wollt Ihr ihm folgen wie mir?“

Die Bauern schwiegen theils verdutzt, theils mißvergnügt, bis Wilderich fortfuhr. „Na, meint Einer, er ist nicht der Stärkste, so komm’ er vor und schlage sich mit dem Krippauer … wenn ihn Einer niederringt, so soll der mein Lieutenant werden! Hat aber Keiner jetzt den Muth dazu, so gehorcht ihm nachher auch! – Nun, hat Keiner Lust? Wie ist’s mit dem Krepsacher? Schaust ja so tückisch drein! Kremp’ doch Deine Hemdärmel auf!“

Die Anderen lachten und: „Es lebe der neue Obercommandant, es lebe der Krieg, es leben die Franzosen und ihre Küchenwagen!“ schrie es bald durcheinander.

„Siehst’s nun, Du Knirps von Krepsacher,“ raunte der Schulmeister diesem zu, „daß es gute Wege hat mit dem an die Kette legen? Eben wollten sie noch alle großen Herren köpfen und jetzt lassen sie sich einen auf die Nase setzen, um den sie sich nicht den Teufel zu scheeren brauchten, und sie kuschen Alle zusammen und schreien gehorsam: Es lebe der Krippauer! Weshalb nicht: Es leben alle Esel?“

„Na, laß sie doch – wenn sie das schrieen, müßt’st Du ja eine Dankrede halten, Schulmeisterlein, krummbeiniges,“ sagte der Krepsacher verdrießlich.

Wilderich hatte sich unterdeß entfernen wollen, aber der Krippauer hielt ihn.

„Wär’ besser,“ sagte er, „Ihr würft erst einen Blick in den Fourgon da und sähet, was Alles noch d’rin ist … es sind Koffer, Papiere, kleine Kisten d’rin – muß ein vornehmer Officier gewesen sein, dem der Wagen gehört hat, und Ihr thätet gut, zu sehen, ob darunter nichts ist, was von Wichtigkeit und was an’s Hauptquartier abgeliefert werden muß.“

„Könnt Ihr nicht selber nachsehen – ich habe Eile, fortzukommen!“

Der Krippauer schüttelte den Kopf. „Es wird’s halt nicht thun, Revierförster; was mich angeht, so ist der Teufel sicher, daß ich ihm meine Seele nicht verschreib’ … oder er müßt’ mit drei Kreuzen vorlieb nehmen.“

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