Seite:Die Gartenlaube (1869) 522.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Der Künstler empfing zum Lohn eine lebenslängliche Pension von dreihundert Goldkronen jährlich und ward in den Adelsstand versetzt – der erste Künstler, welchem diese Ehre in Frankreich zu Theil wurde.

Von jetzt an verbreiteten sich große Schlaguhren für öffentliche Gebäude über ganz Europa, allein erst Anfangs des sechzehnten Jahrhunderts sehen wir kleinere Zimmeruhren in Gebrauch kommen. Die erste, die man kennt, ging 1518 als Geschenk des Julius von Medici, des nachmaligen Papstes Clemens des Siebenten, an König Franz den Ersten von Frankreich aus Florenz nach Paris. In demselben sechzehnten Jahrhundert war es auch, daß Purbach, 1500, die Horologie zuerst bei astronomischen Berechnungen in Anwendung brachte. Sechzig Jahre später ließ der dänische Astronom Tycho de Brahe, der Lehrer unseres großen Kepler, auf seiner grandiosen Sternwarte zu Cranniesburg eine Schlaguhr errichten, die sowohl Minuten als Secunden zeigte.

Die Erfindung von Taschenuhren war der Herstellung von Zimmeruhren um ein paar Jahre vorausgegangen. Wie Jedermann weiß, gilt unser Nürnberger Landsmann Peter Hele als der Erfinder der Taschenuhr, des sogenannten Nürnberger Eies, dessen erstes im Jahre 1490 verfertigt worden sein soll. Es waren diese Nürnberger Eier gar schwerfällige, dicke, unführliche Apparate, nicht mit Unrecht ihrer Gestalt wegen mit den Kartoffeln verglichen, und es währte beinahe einhundertundfünfzig Jahre, ehe ein Schotte, Namens Graham, das cylindrische „Echappement“ ersann und damit der Taschenuhr eine etwas acceptablere, obschon noch immer ziemlich unbequeme Form gab. Den größten, wir möchten fast sagen den letzten Fortschritt in der Kunst der Horologie verdanken wir Hugens von Zülichem, der freilich nur einen Gedanken ausführte, dessen Ruhm dem unsterblichen Galilei gebührt. Wir meinen die Benützung der Pendelbewegung. Hugens überreichte den Generalstaaten der Niederlande im Jahre 1657 die Beschreibung einer auf Galilei’s Pendellehre gegründeten Uhr und schenkte, zugleich die Spiralfeder beifügend, hierdurch der Welt eine Erfindung, die unbedingt zu den vollkommensten zählt, die jemals gemacht worden sind: denn eine bewunderungswürdigere und zugleich einfachere Maschine als die Pendeluhr läßt sich kaum denken.

Die Federtaschenuhren endlich, so wie wir sie heutzutage tragen, sind von einem Engländer, Namens Hooke, 1658 erfunden worden, und achtzehn Jahre darauf fabricirte ein Holländer in Amsterdam die ersten Repetiruhren. Seitdem ist bis zu unserem gegenwärtigen Jahrhundert, dem wir den Chronometer und die Secundenuhr mit Hemmfeder schuldig geworden sind, kein nennenswerter Fortschritt in der Kunst der Horologie zu verzeichnen, ja, wir vermögen kaum abzusehen, daß sich überhaupt noch eine höhere Entwicklung derselben erwarten läßt, es müßte denn ein Peter Hele oder ein Hugens der Zukunft eine Uhr herausdüfteln, welche, durch Elektricität in Bewegung gesetzt, uns die Mühe des Aufziehens erspart.

Bis in die erste Hälfte unsers Jahrhunderts hinein hatte Genf den Ruf, die vorzüglichsten Taschenuhren der Welt in den Handel zu bringen, gegenwärtig hat es jedoch, vom Wunsche einer billigen Production verführt, diesen Nimbus in etwas eingebüßt und ist von England und von Frankreich überflügelt worden. Das letztere liefert die kostbarsten und elegantesten Damenuhren, das erstere steht namentlich in der Herstellung von Chronometern unerreicht da. Ein englischer Chronometer ist in der That ein Ding fast absoluter Vollkommenheit, was nicht Wunder nimmt, wenn wir erfahren, daß sämmtliche Chronometer, insbesondere die amtlich benützten, vom Vorstande der Sternwarte zu Greenwich geprüft und mit dessen Namensunterschrift oder Handzeichen approbirt werden müssen. Alle Schiffschronometer haben auf der erwähnten Sternwarte eine Probezeit von sechs Monaten bis zu einem Jahre, in manchen Fällen sogar von zwei Jahren, zu bestehen, bevor sie das Liceat über See zu gehen erlangen. Während dieser Probezeit unterliegen sie einer ganzen Folge von Experimenten, werden allen möglichen Witterungswechseln ausgesetzt und müssen sich in Feuer und in Wasser bewähren, so daß der Mann, der ein solches stichhaltig befundenes Instrument gemacht hat, gewiß mit vollem Rechte den Namen eines Künstlers beanspruchen darf. Wem also „Zeit“ wahrhaft „Geld“ ist, der kaufe sich in England einen Chronometer, vorausgesetzt, daß er die dazu nöthigen unterschiedlichen Pfunde Sterling durch Befolgung seines Grundsatzes sich bereits erworben hat, nicht erst mit Hülfe derselben erwerben will.




Die Genesene.


Sie war so gut! Der Himmel war’s ihr schuldig,
Daß er sie leben und genesen ließ.
Sie litt so lang und litt es so geduldig,
Daß oft sie selbst zu klagen uns verwies.

5
„Bist du noch wach? So geh’ doch schlafen, Rette!

Du hörtest mich noch immer, wenn ich rief:
Die Medicin!“ sprach sie, „dann geh’ zu Bette,“
Und stellte sich, als ob sie wieder schlief.

Das waren Nächte! Winternächte, lange,

10
Wenn drauß’ der Sturmwind um die Dächer schnob

Und heulend umtrieb auf dem alten Gange
Und schier die Fenster aus den Angeln hob!
Im Ofen knisterte das Holz; ein Leben
Rang mit dem Tode; durch dies Schlafgemach,

15
So traut es war, sah man doch leise schweben

Den Engel, der die Lebensblüthen brach.

Ein Hüsteln und dann wieder tiefe Stille,
Ein Seufzer, und dann sprach sie was im Traum.
Der Wohlgeruch der römischen Camille

20
Durchfloß des Zimmers matterhellten Raum.

Zuweilen flackerte das Licht, es däuchte
Ein Bild des Lebens uns, das auch so lag,
Und zu erlöschen drohte wie die Leuchte;
Doch drauß’ indeß entdämmerte der Tag.

25
Es kam der Tag, und mit ihm neues Hoffen,

Es kam der Arzt, und neue Zuversicht,
Dann war’s als liege wieder vor uns offen
Die weite Welt im schönen Sonnenlicht.
Es durften an ihr Bett die Kinder kommen,

30
Sie kamen von der Schule, wangenroth

Vom Winterweh’n; ach, wie der Guten, Frommen
Zum Gruß die kleinen Händchen Jedes bot!

Jetzt ist es Frühling, jubelnd in die Lüfte
Schwingt sich der Lerche Lied zum Himmelsblau;

35
Nimm hier des Gartens erste Blumendüfte,

Du auferstand’ne, junge, schöne Frau!
Erfrische Dich an ihrem Duft, erheit’re
An ihren Farben Dich, daß Deine Brust,
Vergnügt in die Natur sich froh erweit’re

40
Zum Vollgenuß der neuen Lebenslust.


Hermann Lingg.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_522.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2022)