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verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

„Rosenhofes“, zu welchem alle die verschiedenen Racen, wie sie sich durch die Cultur und in Folge einer natürlichen Wandelbarkeit aus einigen wenigen Grundelementen entwickelten, ihre hervorragendsten Vertreter abgeordnet haben.

Und doch – wie überwältigend auch der Zauber einer solchen Ausstellung auf uns wirken mag, steht er höher, als die Befriedigung, mit der die arme Nähterin hinter dem erblindenden Fenster des Mansardestübchens ihre Monatsrose pflegt? Ja, für den Armen hat die Blumenpflege sogar eine civilisatorische Bedeutung. Denken wir uns in einen Ausstellungsraum versetzt, in welchem mit bescheidener Anmuth geschmückte Pflanzenformen zusammengebracht sind, wie sie im Fenster der Wittwe gepflegt werden, die ihr Brod mit Thränen netzt, des Arbeiters, in dem die Noth des Lebens noch nicht alle zarten Saiten zerrissen hat, der Einsamen, die doch Etwas lieben will, – denken wir uns diese Freunde der Armen in einem geschmückten Raum zusammengestellt, – das feinlaubige, das blasenblätterige Basilikum, die Meerzwiebel, die Chinarose, die Myrte, den Gelbveigelstock, die Resede, die Gartennelke und, wenn’s hoch kommt, die Rosen- und Citronengeranien und etwa einzelne bereits populär gewordene Fuchsien, so ist es weder die Hoheit und Herrlichkeit der Pflanzenwelt, noch ein glänzender Erfolg gärtnerischer Industrie, die uns zu herzlicher Antheilnahme nöthigen, sondern die einer solchen Ausstellung zu Grunde liegende Absicht, dem Schönen auch im Herzen des Armen eine Stätte zu bereiten und hier einen Gottesgedanken aufblühen zu lassen.

Und das hat man mit dem glücklichsten Erfolge in London versucht; dort ging dieser Gedanke von einem Geistlichen des armen Stadttheils aus, der sich um die Klein-Coram-Straße gruppirt und dessen Aristokratie von Obsthändlern gebildet wird. Als es sich darum handelte, den Armen den Segen eines geordneten Haushaltes, die Behaglichkeit eines sauberen, freundlich geschmückten Wohnzimmers empfinden zu lassen, da konnte man unmöglich den veredelnden Einfluß der Blumenpflege als einen der Wege zum Ziele verkennen. Und sie wurde von jenem Geistlichen und seinen Freunden nach Kräften gefördert, und schon nach einigen Jahren trug das treue Bemühen reiche Frucht. Es war wunderbar, wie bald sinnige Blumenliebe und damit der Sinn für Schönes und Geordnetes unter dieser armen Bevölkerung sich einbürgerte!

Endlich durfte man es sogar wagen, eine Ausstellung zu veranstalten. Zuerst wurden einhundertundvier Pflanzen angemeldet und davon vierundneunzig wirklich eingeliefert. Einen gar wundersamen Anblick, bemerkt der damalige Berichterstatter, bot diese erste Ausstellung. Die Tische waren mit grünem Papier überkleidet, jede Pflanze mit dem Namen ihres Ausstellers bezeichnet, Krause- und Balsam-Minze, Lavendel, Thymian, Myrte, Muscat-Hyacinthen, einzelne Thee- und Bengalrosen und wohl auch Fuchsien und Pelargonien und Aehnliches. Als Blumentöpfe dienten gesprungene Theetöpfe, Krüge mit abgebrochener Schneppe, Kaffeekannen ohne Henkel, Waschbecken und anderes, zum Theil unaussprechliches Geschirr, doch wurden die ärmlichen Scherben, soweit es anging, mit grünem Zeuge verhängt.

Man muß es der englischen Aristokratie nachrühmen, daß sie in ihrer Weise Liebeswerke auf das Bereitwilligste und reichlich unterstützt, und so hatte sich denn diese Ausstellung von „Zimmerpflanzen“ vieler Besucher aus den Kreisen des high-life zu erfreuen, und blieb nach Bestreitung der ausgesetzten kleinen Preise und anderer Ausgaben noch ein hübsches Sümmchen übrig, mit dem das angefangene Werk ausgebaut werden konnte. Im nächsten Jahr betheiligten sich schon vierhundertfünfzig Aussteller aus den ärmsten Quartieren Londons mit achthundert Pflanzen, darunter viele, deren kerngesundes Aussehen die Hand der Liebe verrieth, die sie gepflegt hatte, und manche Schau- und Musterpflanze, trotz des Staubes der Wohnräume, der die zarten Spaltöffnungen der Blätter verstopft, trotz sonstiger Unbilden, welche in den engen Stuben der Armen das Leben der Pflanzen bedrohten.

Die letzte Ausstellung brachte schon sehr ansehnliche Summen ein. Die Aussteller aus den ärmsten Revieren der Weltstadt, denen freier Zutritt zu den stolzen Räumen des Russell Square gewährt worden, bewegten sich unbefangen und durchaus anständig zwischen der aristokratischen Gesellschaft. Sechs Uhr Abends stand der Eintritt gegen Erlegung eines Penny Jedermann frei. Die Vertheilung der Preise fand in Gegenwart von mindestens zweitausend Personen aller Stände statt. Aber kein Blumenbeet wurde zertreten, keine Blüthe geknickt, kein Reis von einem Strauch gebrochen. Das einzige Zeichen der Anwesenheit einer so großen Volksmenge war das leise Knirschen der mit Kies bestreuten Wege.

Ist der Gedanke nicht schon und edel, die Lieblinge der Armen in einen festlich geschmückten Raum zu versammeln und ihre Besitzer des veredelnden Einflusses theilhaftig werden zu lassen, welcher von der Zucht und Pflege der Blumen und von dem Verständniß ihres Lebens und ihrer Schönheit ausgeht? Es wird gewiß in den Herzen aller unserer Leser nur ein Wunsch sein, solche Ausstellungen auch in Deutschland in’s Leben zu rufen. Vielleicht hilft diese Hinweisung dazu, – namentlich wenn die Glücklichen unsrer großen Ausstellungen den Armen dazu die Hand reichen.

Wenden wir uns nun zu dem Doppelbilde, welches uns zu einer solchen großen, und sogar internationalen Gartenbauausstellung einladet, die vom 2. bis 12. September dieses Jahres in Hamburg abgehalten werden soll.

Im Jahre 1862 wurde durch eine Gartenzeitung der Gedanke angeregt, es möchten die Botaniker Deutschlands, sowie Fachmänner des Gartenbaues und Freunde der Pflanzencultur periodisch zu einem Congresse zusammentreten, um gemeinsam wissenschaftliche und praktische Fragen dieses Gebietes zu berathen, um dadurch einerseits unter dem Einflüsse der Wissenschaft die Vervollkommnung der liebenswürdigsten aller Künste zu fördern und andererseits die Erfahrungen der Praxis für die Wissenschaft zu verwerthen. Mit jedem dieser Congresse sollte eine internationale Ausstellung von Erzeugnissen des Gartenbaues verbunden sein. Jeder Congreß sollte den Ort und die Zeit der nächsten Versammlung zu bestimmen haben. Mit dieser Idee erklärten sich mehrere wissenschaftliche Capacitäten und Vormänner rationeller Pflanzencultur einverstanden, und schon im Frühjahre 1863 wurde der erste Congreß, die erste Ausstellung in Mainz abgehalten. Hier entwickelte sich eines der glänzendsten Culturbilder, die Deutschland gesehen hat, ein künstlerisches, imposantes Ensemble aus all den unzähligen Fürsten und Edlen des Gewächsreiches und denjenigen pittoresken Pflanzengestalten, mit denen die Natur den Urwald auszuschmücken liebt.

Die zweite internationale Ausstellung entwickelte sich in Erfurt, der uralten Centralstätte des Gartenbaues, im September 1865 in wahrhaft großartigen Zügen und in den verschiedensten Richtungen und Zweigen der Kunst und der gärtnerischen Industrie, alle die Tausende widerstrebender Elemente aus allen Erdtheilen zu einem ausgedehnten, lieblichen Landschaftsbilde verwebend.

Aber weder in Erfurt noch in Mainz hat der Congreß selbst eine Frucht von Bedeutung gezeitigt, wenn man nicht die Erneuerung oder die Anknüpfung persönlicher Beziehungen zwischen Praktikern und Männern der botanischen Wissenschaft, zu denen diese Versammlungen reiche Gelegenheit boten, als wichtig und folgenreich betrachten will.

Der dritte Congreß und mit ihm die dritte internationale Ausstellung wird, wie bereits gemeldet, in den Tagen vorn zweiten bis zwölften September dieses Jahres in Hamburg stattfinden. Der Berichterstatter war von Anfang in der Lage, der Entwickelung dieses neuen Gliedes der Ausstellungskette folgen zu können. Hunderte von harmonisch in einander greifenden, zu einer mächtigen Gesammtwirkung vereinigten Kräften der Intelligenz und der Kunst bereiten ein Werk vor, das als ein Glanzpunkt im Culturleben des deutschen Volkes bezeichnet werden wird.

Schon das Programm läßt einigermaßen die Bedeutung dessen ermessen, was hier für die Förderung des Gartenbaues in allen seinen Zweigen an Kraft und Mitteln aufgewendet wird; es stellt für die Freunde der höchsten Aristokratie des Gewächsreiches, wie für den einfachen Markt- und Krautgärtner, den Obstbauer, die Handwerker, die Künstler, wie sie im Dienste des Gartenbaues stehen, weit über vierhundert verschiedene Aufgaben und setzt hierzu als Preise an Baarsummen und Medaillen viele Tausende von Thalern aus. Fürstenhäuser, Behörden, Städte, Vereine und Private wetteifern durch anderweitige Preise, welche zum Theil in werthvollen Kunstgegenständen bestehen, die Lebhaftigkeit der Concurrenz zu erhöhen, und in allen Staaten Europa’s, wie in außereuropäischen Ländern, vereinigen sich Freunde und Beförderer des edlen Gartenbaues zu dem Zwecke, das Hamburger Comité durch Förderung der Interessen der Ausstellung in kleineren

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verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1869, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_454.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)