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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

regte sich sein Freiheitstrotz. Während das allgemeine Interesse den Festlichkeiten sich zuwandte, die auf dem Lustschloß Solitude zum Empfange des Großfürsten Paul von Rußland stattfanden, war Schiller unbemerkt mit seinem getreuen Streicher entflohen.

Es liegt unserer Aufgabe fern, diesen dritten Aufenthalt Schiller’s zu Mannheim und Oggersheim zu schildern sammt der Noth, mit welcher er dort kämpfte, und den niederschmetternden Täuschungen, die er durch Dalberg erfuhr. Unter den Wenigen, die damals dem unglücklichen Dichter treu zur Seite standen, befand sich Schwan. Hatte Dalberg den „Fiesco“ als unbrauchbar zurückgewiesen. Schwan, in gerechter Bewunderung der Tragödie, übernahm den Druck derselben, das hierfür gewährte Honorar reichte hin, die Wirthshausschuld zu Oggersheim zu decken und die Kosten zur Reise nach Bauerbach bei Meiningen, wo eine edle Dame, die Freifrau v. Wolzogen, dem Dichter die Ruhe eines einsamen Aufenthaltes anbot, zu bestreiten.

Was die Beziehungen Schiller’s zur Familie Schwan während dieses Zeitraums betrifft, so fließen die Quellen hier äußerst spärlich. Doch können wir einen Schluß ziehen aus einem Briefe Schiller’s an Schwan (Bauerbach, den achten December 1782), worin es heißt: „Bei meiner neulichen schnellen und heimlichen Abreise war es mir unmöglich, von Ihnen, mein bester Freund, Abschied nehmen zu können. Ich thue es jetzt und sage Ihnen für Ihre zärtliche Theilnahme an meinen Schicksalen den aufrichtigsten Dank. Meine damalige Verfassung gab mir Gelegenheit genug, meine Freunde auf die Probe zu stellen, und so unangenehme Erfahrungen mir dabei aufstießen, so bin ich doch durch die Bewährung einiger weniger Freunde genug schadlos gehalten.“ Wir entnehmen es ferner aus einem Brief, den Schiller’s Vater an demselben Tage von Solitude an Schwan richtete: „Ew. Hochedelgeboren“ – so heißt es darin – „haben meinem Sohne, dem Dr. Schiller, so ausnehmend viele Freundschaft erwiesen, daß ich mich höchst verbunden erachte, Ihnen meinen aufrichtigsten Dank dafür abzustatten, mit dem eifrigsten Wunsch und der gehorsamsten Bitte, daß es Ihnen gefällig sein möchte, diesen jungen Mann auch fernerhin Ihrer schätzbaren Gewogenheit empfohlen sein zu lasten.“

Zu Bauerbach, auf seiner „literarischen Wartburg“, sollte Schiller nicht allzu lange in poetische Entwürfe sich vertiefen. Es war eine Sirenenstimme, schreibt Streicher, die ihn nach Mannheim zurückrief, die schmeichelnde, verlockende Stimme Dalbergs und so schied er nach siebenmonatlichem Aufenthalte von seiner Wohltäterin. Am achtundzwanzigsten Juli 1783 treffen wir ihn wiederum zu Mannheim, wo er eine anmuthige Wohnung neben dem Schloßplatz bezog. Zum Umgange war ihm neben dem Dalberg’schen das Schwan’sche Haus am liebsten. „Die Frauenzimmer“ – schreibt er am dreizehnten November an Fr. v. Wolzogen – „bedeuten hier sehr wenig und die Schwanin ist beinahe die Einzige, eine Schauspielerin ausgenommen,“ (er meint hier die frühverstorbene Karoline Ziegler) „die eine vortreffliche Person ist. Diese und einige Andere machen mir zuweilen eine angenehme Stunde; denn ich bekenne gern, daß mir das schöne Geschlecht von Seiten des Umganges gar nicht zuwider ist.“ Wie ein Gebild aus Himmelshöhen trat die siebenzehnjährige, liebenswürdige und geistvolle Margarethe Schwan dem empfänglichen Dichter entgegen und verdrängte schnell die Neigung, die eben erst für Charlotte v. Wolzogen in seinem Herzen zu keimen begonnen hatte.

Margarethe Schwan war, wie Frau von Wolzogen berichtet, damals, in ihrem siebenzehnten Jahre, ein sehr schönes Mädchen mit großen, ausdrucksvollen Augen und von sehr lebhaftem Geist, der sie mehr zur Welt, Literatur und Kunst, als zur stillen Häuslichkeit hinzog. Im gastfreien Hause des Vaters, welches ein Vereinigungspunkt für Gelehrte und schöne Geister war, gewann sie schon in früher Jugend eine ausgezeichnete Bildung, lernte aber auch die Kunst, diese Vorzüge geltend zu machen.

Die Züge ihres Bildes, das noch heute die Familie Götz zu Mannheim aufbewahrt, sind nicht ohne einen Anflug von Stolz und von Strenge.[1] Margarethe war gewöhnlich zugegen, wenn Schiller ihrem Vater das Netteste, was er gedichtet, vorlas; allmählich mischte das Herz sich mit ein, und schon bezeichnete die öffentliche Stimme Margarethen als Schiller’s Verlobte. Gleichwohl kam es nicht zu einem entscheidenden Schritte, selbst damals nicht, als Schiller’s Verhältniß zur Mannheimer Bühne immer mehr sich löste und er sich bereits anschickte, einer Einladung Körner’s nach Leipzig zu folgen.

Es war ein düsterer Märzabend, als der Dichter schweren Herzens Margarethen die Hand zum Abschied reichte, die in all ihrer Lieblichkeit und voll inniger Rührung vor dem Scheidenden stand und ihn nicht entließ ohne ein freundliches Andenken. Mit dem Frühroth des nächsten Morgens warf Schiller der Neckarstadt die letzten Scheidegrüße zu. Er hat Mannheim nicht wieder gesehen.

„Töne, Wandermelodei,
Durch die öden Straßen!
Wie so leicht einander doch
Menschen sich verlassen! …“

Am 17. April 1785 war Schiller zu Leipzig angekommen und schon acht Tage darnach hielt er bei Schwan um die Hand seiner Tochter an. Nachdem er in dem betreffenden Briefe zuerst seine Reise nach Leipzig und seine dortigen Bekanntschaften geschildert, fährt er also weiter: „Hier bin ich Willens, sehr fleißig zu sein, an dem ‚Carlos‘ und der ‚Thalia‘ zu arbeiten, und was Ihnen vielleicht das Angenehmste zu hören sein wird, unvermerkt mich wieder zu meiner Medicin zu bekehren. Ich sehne mich ungeduldig nach dieser Epoche meines Lebens, wo meine Aussichten gegründet oder entschieden sein werden, und wo ich meiner Lieblingsneigung blos zum Vergnügen nachhängen kann. Ueberhaupt hab’ ich ja die Medicin ehemals con amore studirt, soll ich das jetzt nicht um so mehr können? Sehen Sie, bester Freund, das könnte Sie allenfalls von der Wahrheit und Festigkeit meines Vorsatzes überzeugen dasjenige aber, was Ihnen die vollkommenste Bürgschaft darüber leisten dürfte, was alle Ihre Zweifel an meiner Standhaftigkeit verbannen muß, hab’ ich noch bis auf diese Minute verschwiegen. jetzt oder nie muß es gesagt sein. Nur meine Entfernung von Ihnen giebt mir Muth, den Wunsch meines Herzens zu gestehen. Oft genug, da ich noch so glücklich war, um Sie zu sein, oft genug trat dies Geständniß auf meine Zungen aber immer verließ mich meine Herzhaftigkeit, es herauszusagen. – Ihre Güte, Ihre Theilnahme, Ihr vortreffliches Herz haben eine Hoffnung in mir begünstigt, die ich durch nichts, als Ihre Nachsicht und Freundschaft zu rechtfertigen weiß. Mein freier zwangloser Zutritt in Ihrem Hause gab mir Gelegenheit, Ihre liebenswürdige Tochter ganz kennen zu lernen, und die freimütige gütige Behandlung, deren Sie Beide mich würdigten, verführte mein Herz zu dem kühnen Wunsch, Ihr Sohn sein zu dürfen. Meine Aussichten sind bis jetzt unbestimmt und dunkel geblieben; nunmehr fangen sie an, ach zu meinem Vortheil zu verändern. Ich werde mit jeder Anstrengung meines Geistes dem gewissen Ziel entgegengehen. Urteilen Sie selbst, ob ich es erreichen kann, wenn der angenehmste Wunsch meinen Eifer unterstützen wird. Noch zwei Jahre, und mein ganzes Glück wird entschieden sein. Ich fühle es, wie viel ich begehre, wie kühn und mit wenigem Recht ich es begehre. Ein Jahr schon ist es, daß dieser Gedanke meine Seele beschäftigt; aber meine Hochachtung für Sie und Ihre vortreffliche Tochter war zu groß, als daß ich einem Wunsche hätte Raum geben sollen, den ich damals durch nichts unterstützen konnte. Ich legte mir die Pflicht auf, Ihr Haus seltner zu besuchen und in der Entfernung Zerstreuung zu finden aber dieser armselige Kunstgriff gelang meinem Herzen nicht. Der Herzog von Weimar war der erste Mensch, dem ich mich öffnete. Seine zuvorkommende Güte und die Erklärung, daß er an Anderer Glück Antheil nehme, brachten mich dahin, ihm zu gestehen, daß dieses Glück auf einer Verbindung mit Ihrer edeln Tochter beruhe, daß er mehr handeln wird, wenn es darauf ankommt, durch diese Verbindung mein Glück zu vollenden. Ich setze nichts mehr hinzu, als die Versicherung, daß vielleicht hundert Andere Ihrer Tochter ein glänzenderes Schicksal verschaffen können, als ich in diesem Augenblick ihr versprechen kann, aber ich leugne, daß ein anderes Herz ihrer würdiger sein wird. Von Ihrer Entscheidung, der ich mit Ungeduld und furchtsamer Erwartung entgegensehe, hängt es ab, ob ich es wagen darf, selbst an Ihre Tochter zu schreiben.“

Was war der Erfolg dieser Werbung? Die Biographen

  1. Ein wohlgelungenes Bild Margarethens, ihres Vaters, der Karoline Ziegler und Anderer, nebst einer Anzahl interessanter Autographen findet der Leser in dem in Mannheim erschienenen Prachtwerk von Götz: "Geliebte Schatten“ – ein Buch, das die wohlverdiente weitere Verbreitung nicht gefunden zu haben scheint.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_428.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)