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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

selbst, allein geeignet, ein ungewöhnliches Interesse für diese Versteigerung hervorzurufen. Engländer und Franzosen, ja sogar ein Amerikaner (ein Abgesandter der Congreß-Library in Washington) erschienen, um sich die seltenen Schätze streitig zu machen, und so konnte es nicht fehlen, daß dabei ganz außerordentliche Preise erzielt wurden.

Wir können dieses Capitel nicht verlassen, ohne der beiden Auctions-Institute für Kunstgegenstände (Drugulin und Rudolph Weigel) zu gedenken. Dieselben haben sich längst als die bedeutendsten dieser Art in Deutschland bewährt und sind auch über seine Grenzen hinaus allgemein bekannt und geachtet.

Ueberblicken wir nun noch einmal diese Zeilen, so freuen wir uns, aus jeder derselben zu erkennen, welcher Bienenfleiß, welche Rührigkeit und Thätigkeit auf allen Gebieten des Buchhandels herrscht und mit welcher Intelligenz derselbe in Leipzig betrieben wird. Leipzig zählt jetzt ungefähr 258 buchhändlerische Firmen, welche zugleich die eingehendste Vertretung von circa 3,500 auswärtigen Geschäften übernehmen. Um die damit verbundene Arbeit zu bewältigen, sind außer den Principalen gegen 270 Gehülfen, 110 Lehrlinge und mehrere hundert Markthelfer thätig, so daß man den Personalbestand des Leipziger Buchhandels auf etwa 800–900 Köpfe angeben kann.

Und nun mögen uns unsere freundlichen Leser noch einige Augenblicke nach der deutschen Buchhändlerbörse, welche namentlich zur Ostermesse ein lebhaftes Bild bietet, folgen. War es früher Sitte, daß der größte Theil der auswärtigen Buchhändler zur Ostermesse nach Leipzig kam, um in Person die vorige Jahresrechnung mit seinen Collegen zu revidiren und etwaige Differenzen auszugleichen, so geschieht dies zeitraubende Geschäft jetzt von Haus aus, und während der Messe, die jetzt eigentlich nur vom Sonntag Cantate bis zur Mittwoch darnach währt, werden alle Zahlungen durch die hiesigen Commissionäre geleistet. Der auswärtige Buchhändler, der zur Messe kommt, gewinnt dadurch Zeit, andere Geschäftsangelegenheiten zu erledigen, und der größere Theil entschließt sich zur Reise, um sich einige Tage im Kreise vieler Collegen zu erholen, alte Bekanntschaften zu erneuern, oder neue anzuknüpfen. Die vorige Ostermesse (1868) war von etwa 320 auswärtigen Buchhändlern besucht, deren Aufenthalt sich meist auf vier bis sechs Tage beschränkte und deren Hauptvereinigungspunkt der große Saal der Buchhändlerbörse war. Die Zahlungen, welche die Leipziger Commissionäre in dieser Ostermesse pro und contra geleistet haben, belaufen sich auf drei und eine halbe Million Thaler; zieht man hierbei den täglichen Baarverkehr, die Zahlungen, die an dem in jeder Woche einmal festgesetzten Börsentage geleistet, sowie die Saldo-Rückstände, welche in der Michaelismesse erledigt werden, in Betracht, so kann man wohl eine ähnliche Summe dafür in Anschlag bringen und demnach den buchhändlerischen Geldumsatz des Leipziger Platzes, der natürlich nur einen Bruchtheil des Gesammtumsatzes repräsentirt, auf etwa sieben Millionen Thaler jährlich berechnen.

Wir können aber die deutsche Buchhändlerbörse nicht verlassen, ohne noch einiger Institute zu erwähnen, welche in derselben eine Stätte gefunden haben. Es ist die Lehranstalt für Buchhändlerlehrlinge, welche vergangenes Jahr von 79 Schülern besucht wurde. Dieselbe ist bestimmt, die jungen Männer, welche sich dem Buchhandel widmen, wissenschaftlich fortzubilden und ihnen die für ihren Stand nöthigen theoretischen Kenntnisse beizubringen. Sie steht jetzt unter der Leitung des Herrn Dr. Bräutigam und verdankt ihm, so wie dem ihm beigegebenen Lehrerpersonale viele segensreiche und erfreuliche Resultate. Gedenken wir aber auch an dieser Stelle zweier Männer, welche sich für diese Anstalt bleibende Verdienste für alle Zeiten erworben haben. Der Erste ist der verstorbene Buchhändler Friedrich Fleischer, dessen unausgesetzter Bemühung die Anstalt großentheils ihr Entstehen verdankt, und der Zweite ist der zuerst berufene Dirigent dieser Anstalt, der nachmalige Director der hiesigen ersten Bürgerschule, Herr Dr. Paul Möbius, seit Kurzem Schulrath in Gotha, welcher die Einrichtung und erste Leitung derselben mit dankenswerthem Eifer und Erfolge übernahm. Die andere Anstalt, welche wir zu erwähnen haben, ist in praktischer Hinsicht von größter Wichtigkeit. Wir meinen die Bestellanstalt oder Geschäftspost des Leipziger Buchhandels. Dieser Anstalt übergiebt jeder Leipziger Buchhändler seine eigenen Correspondenzen, so wie die seiner Committenten und empfängt dagegen von ihr drei bis vier Mal täglich alle für ihn und seine Geschäftsfreunde bestimmten Geschäftspapiere. Da sich die Zahl derselben täglich auf durchschnittlich 60–65,000 beläuft, so kann man sich leicht einen Begriff von der daselbst herrschenden Thätigkeit machen und sich leicht vorstellen, welchen Nutzen diese außerordentlich praktische Einrichtung dem Leipziger Buchhandel gewährt.

Während in früheren Zeiten der Verleger mit seinen Novitäten zur Messe zog und sie dort an seine Collegen zu verkaufen oder zu vertauschen suchte, so finden wir jetzt im kleinen Saale der Buchhändlerbörse während der Ostermesse eine geschmackvoll arrangirte Ausstellung, auf welcher sich die wichtigsten und hervorragendsten Erscheinungen der letzten Zeit oder Proben von demnächst zu erwartenden vereinigt finden. Die Ausstellung gewährt einen interessanten Ueberblick über die deutsche und fremde Literatur der Neuzeit und wird eben so fleißig von den Buchhändlern als von dem Publicum besucht und benutzt.

Hiermit schließen wir unsere kleine Skizze über den Leipziger Buchhandel. Ist es uns gelungen, dem Leser ein zwar flüchtiges, aber doch anschauliches Bild von seinem Thun und Treiben zu entwerfen, so möge er mit uns in den Wunsch einstimmen, daß Leipzigs Buchhandel fort und fort zum Segen aller ihm Angehörenden oder ihm Nahestehenden blühen und gedeihen möge!

H. F.




Am Tage nach der Schlacht.

Zur Erinnerung an den vierten Juli 1866.

Es war spät, als es andern Tags in den Bivouacs lebendig wurde. Man hatte unter Todten fest geschlafen. Nun begann das Suchen und Bestatten; furchtbare Anblicke boten sich, aber man kam darüber hinweg, die Einen durch die hohe Freudigkeit des Sieges, die Andern durch lethargische Ermattung, die Körper und Geist gefangen hielt. Noch Andere stumpften ab unter der Fülle der Eindrücke. Eine Thatsache ist es, man richtete sich ein, man machte sich’s bequem; wer schreiben konnte, schrieb; mancher Tropfen fiel auf’s Papier, aber – man lachte auch wieder. Ein Soldatenherz trauert nicht auf lange.

Wo Zeit und Ort es gestatteten, unter Obstbäumen, im Schatten einer Scheune, saß man beisammen und plauderte von den Erlebnissen des Tages vorher. Das Lieblingsthema waren natürlich die Heldenstücke. Hier erzählte man von einem fünfzehnjährigen Fähnrich, der, eben aus dem Cadettencorps gekommen, gerade so viel Kanonen erobert habe, als er Jahre zählte, dort von einem Tambour, der einen Oesterreicher mit seiner Trommel eingefangen, von einem andern, der nach Verlust seiner Trommelstöcke mit blutigen Fingern Sturmmarsch geschlagen, dort gar von einem ganzen Musikcorps, das, im Walde überrascht und eingeschlossen, mit Tuba und Posaune sich den Weg in’s Freie gebahnt habe. Besondern Beifall fand auch Folgendes. Bei Dohalitz hielt ein Fuhrwerk hinter einem Geschütz, das seine Bespannung verloren hatte. Der Kutscher sah neugierig zu. Der Batteriechef sprengte an den Fuhrmann heran: Spannen Sie Ihre Pferde vor’s Geschütz. Rasch!“

„Zu Befehl, Herr Hauptmann.“

„Waren Sie Soldat?“ –

„Vierte Artillerie-Brigade.“

„Da können Sie gleich den erschossenen Stangenreiter ersetzen.“

Der Fuhrmann that, wie ihm befohlen.

An andrer Stelle ließ man das Heroische und hielt sich an’s Scherzhafte.

„Wo willst Du hin mit der Gans?“

„Sie ist verwundet, Herr Leutnant, ich hab’ mich ihrer blos angenommen.“

Bei der 7. Division wußte man von der Jagd zu erzählen, an der plötzlich, auf zehn Minuten hin, Alles theilgenommen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_424.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)