Seite:Die Gartenlaube (1869) 394.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Es giebt keine eingefleischteren Reactionäre als diese Parvenüs, die vom Glück nicht so sehr begünstigt würden, wenn das Glück nicht blind wäre.

Freilich giebt es auch Parvenüs, welche die Besinnung nicht ganz oder nicht für immer verlieren, und bei dieser Gelegenheit sei ein Landsmann lobend erwähnt. Derselbe verließ während der Stürme von 1848 die alte Welt, um in der neuen sein Glück zu versuchen. Mehrere günstige Gelegenheiten, die er dort keck beim Schopfe faßte, machten ihn in Kurzem zum vermögenden Mann. Er trieb dann Handel mit Rindshäuten, und nachdem er mehrere Jahre mit dem glücklichsten Erfolg seine Häute zu Markt getragen, zog er sich als mehrfacher Millionär von den Geschäften zurück und kam nach Paris. Hier kaufte er mehrere Bauplätze, die Dank dem Herrn Haußmann bald um einige hundert Procente stiegen.

Er ließ sich nun ein prachtvolles Hôtel bauen, das er durch eine glänzende Soirée einweihte. Alles, was an problematischen Baronen, an zweideutigen Grafen, Gräfinnen mit unaussprechlichen Namen und an Marquisinnen aus unentdeckten Ländern aufzutreiben war, drängte sich mit blitzenden Kreuzen und Sternen und in mehr oder minder durchsichtigen Roben, die oben nicht anfingen und unten nicht aufhörten, in den fürstlich möblirten Salons. Die Musik ließ nichts zu wünschen übrig und am Büffet hatten selbst die feinsten Schleckermäuler nichts auszusetzen. Er hatte denn auch die Genugthuung, diese seine Soirée in den Zeitungen rühmen zu hören. Dies schmeichelte seiner Eitelkeit, und die folgenden Soiréen, die er gab, übertrafen womöglich die erste an Glanz und Pracht. Es ist daher nicht zu verwundern, daß seine Salons bald für die Schaar der Gäste zu eng wurden. Er sah indessen nach und nach ein, daß man nicht seinetwegen, sondern wegen seiner verschwenderischen Gastfreundschaft kam, daß nur wenige von den zahlreichen Gästen seinen Namen auszusprechen wußten, und daß dieser in den Blättern nur verstümmelt abgedruckt war. Auch fanden sich unter seinen Gästen Manche, die seine Börse in Anspruch nahmen. Dies Alles verstimmte ihn. Der prächtigste Ball, den er gab, sollte auch der letzte sein. Es wurde nämlich bei dieser Gelegenheit von einem Baron *** ein anderer Baron eingeführt, und in diesem zweiten Baron erkannte mein Landsmann einen Abenteuerer, der in Buenos-Ayres wegen falscher Karten und anderer Betrügereien mit der dortigen Justiz in Conflict gerathen war und zwischen dicken Mauern einige Winter einsam seinen Betrachtungen obgelegen. Mein Millionär sagte nichts, schloß aber seine Salons für immer.

Ich kenne einen Andern, der als Handwerker nach Amerika ging und nach vielen Mühen und Nöthen in Petroleum-Speculationen mehrere Millionen gewann. Der gute Mann hatte in den Vereinigten Staaten einen beträchtlichen Theil seiner Muttersprache vergessen, ohne von der englischen viel zu lernen. Er sprach das Englische deutsch, das Deutsche englisch aus, und kaum war er ein Jahr in Paris, als er sein Englisch-Deutsch mit französischen Wörtern so stark versetzte, daß Engländer, Deutsche und Franzosen sehr viel Mühe hatten, sein kauderwelsch zu verstehen. Auch er richtete sich ein prachtvolles Hôtel ein und gab glänzende Soiréen. Plötzlich wird er durch einen unbedeutenden Geldverlust, den ihm einer seiner Neffen verursachte, gemüthskrank, setzt sich in den Kopf, seine Verwandten wollen ihn an den Bettelstab bringen, und verfällt endlich in Wahnsinn. Er hat die fixe Idee, daß er nur eilf Hemden besitze und daß ihm die Mittel fehlen, das zwölfte zu kaufen, und es zu einem anständigen Dutzend zu bringen. –

Schon Juvenal sagt, daß die Welt niemals frage, woher der Millionär das Geld bekommen. Der Mammon ist still und schweigsam. Das redlich erworbene Geldstück unterscheidet sich nicht im allergeringsten von dem gestohlenen, und geht ohne zu seufzen aus den Händen des Ehrenmannes in die Hände des Schurken. Es giebt in Paris gar manche Crösusse, deren Herz viel weiter ist, als ihr Gewissen, und die nicht freiwillig aus fremden Ländern hier eingewandert sind. Das hindert sie jedoch nicht, in ihren Salons die vornehme Welt zu empfangen und mit großer Zuvorkommenheit in hohen Kreisen empfangen zu werden. Wenn diese Leute fünfzig Franken an die Armen geben, lassen sie es in hundert Zeitungen ausposaunen und alle Welt ist ihres Lobes voll.

Nichts ist interessanter, als die Parvenüs auf der Glücksleiter zu sehen. Mit jeder Sprosse, die sie höher steigen, tragen sie den Kopf höher; ja, sie zerbrechen hoffährtig die Sprosse, die sie bereits erstiegen, und wenn ihnen das Glück plötzlich die Gunst entzieht, können sie nicht langsam wieder herunter steigen, sondern stürzen jählings zu Boden. Seit dem Staatsstreich hat man in Paris unzählige solcher Individuen gesehen, die von schwindelnder oder vielmehr von erschwindelter Höhe wieder in Armuth zurückgesunken und, statt in glänzender Equipage mit üppig zurückgelehntem Kopfe und behaglich ausgestreckten Beinen über die Boulevards zu rollen, gesenkten Hauptes auf dem Asphalt wandeln, unbeachtet von Denen, die während der Zeit des Glanzes demüthig in ihren Vorzimmern harrten. Nichts gewährt einen trübseligern Anblick, als ein solch’ zerquetschter Glückspilz.

Die Emporkömmlinge haben auf die socialen Verhältnisse in Paris einen sehr traurigen Einfluß ausgeübt. Sie haben die Gesellschaft verflacht und und allen höheren Bestrebungen feindlich entgegen getreten, so daß ein großer Theil der aufkeimenden Generation in dem schnellen mühelosen Erwerb von Reichtümern das schönste Ideal sieht und in der Befriedigung sinnlicher Begierden das höchste Glück findet. Das Hetärenthum, das im Leben, in Kunst und Literatur noch immer eine so leidige Rolle spielt, ist durch die Parvenüs ganz besonders befördert worden. Sie haben auch in vielen Familien dadurch sehr viel Unheil angerichtet, daß man ihren Luxus nachahmt, ohne die Mittel zu demselben bestreiten zu können. Es giebt viele Häuser in Paris, wo es bei Abendfesten außerordentlich glänzend hergeht; allein das ist ein erborgter Glanz. Die Gemälde, die dein Auge fesseln, sind vom Bilderhändler, die vergoldeten Sessel und Gueridons vom Möbelhändler, die Diamanten und Perlen, welche die Hausfrau um den Hals und in den Haaren trägt, vom Bijoutier gemietet, und kaum daß der letzte Gast den Salon verlassen, müssen die erwähnten kostbaren Gegenstände wieder ihren Eigentümern zugestellt werden. Selbst die Früchte, die riesigen Aepfel und Birnen, die in silberner Vase auf der Tafel prangen, und, wie die Vase selbst, blos gemietet. Nicht selten wird auf solche Tafeln eine herrliche Lachsforelle gestellt und, nachdem sie einige Augenblicke die Bewunderung der Gäste erregt, wieder entfernt. Den Gästen werden dann kleine Stücke einer winzigen Lachsforelle servirt; von dem prächtigen Fisch aber ist, wie von Schiller’s Mädchen aus der Fremde, jede Spur verloren. Er war ebenfalls gemietet und ist nach seiner kurzen Gastrolle zu dem Delicatessenhändler zurückgewandert. Ein Fisch kann nun freilich nicht auf die Länge als Augenweide dienen, ohne zu beleidigen, hingegen giebt es in Paris immer Früchte von seltener Schönheit, die während einer Wintersaison in unzähligen Häusern auf den Tafeln erscheinen, und es kann wohl geschehen, daß der Gast eine Birne, die er im Januar auf einer Tafel in der Rue Richelieu gesehen, im Februar auf einer andern Tafel in einem ganz entgegengesetzten Stadtteile als alte Bekanntschaft wieder begrüßt. Man sucht eben den Leuten Sand in die Augen zu streuen, dadurch einsflußreiche Gäste in’s Haus zu ziehen, die Töchter an den Mann, die Söhne in Staatsämter zu bringen. Gelingt dies nicht Allen, so gelingt es doch Einigen, und der Zweck ist wohl der Mittel wert. Diejenigen aber, welchen es nicht gelingt, richten sich zu Grunde und sehen zu spät ein, daß Fortuna ihren Günstlingen nachrennt und nur selten von denen erreicht wird, die hinter ihr herkeuchen.





Zur Vorfeier des Düsseldorfer Jubelfestes.


Die Düsseldorfer Kunst-Akademie wird in wenigen Tagen die Feier des fünfzigjährigen Jubiläums ihrer Neugestaltung begehen. Schon vor nunmehr einhundertundzwei Jahren wurde eine Akademie zu Düsseldorf von dem kunstliebenden Kurfürsten Karl Theodor von Pfalzbaiern, der in Folge von Erbschaften und Verträgen zugleich Herzog von Jülich und Berg war, begründet, die jedoch nie zu rechter Blüthe kam und namentlich dadurch verfiel, daß der bairische Kurfürst und spätere König Maximilian Joseph bei

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_394.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)