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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

trieb ihn, das schöne Band zu lösen, das ihn an Vater und Sohn festhielt. Er hatte in Genf mit einem älteren Exilsgenossen, dem Mainzer Advocaten und Parlamentsmitglied Franz Heinrich Zitz, Umgang gepflogen. Beide faßten damals den Plan, in New-York eine Sachwalterschaft zur Betreibung deutsch-amerikanischer Rechtsangelegenheiten zu errichten, und Ende 1849 segelten sie auf verschiedenen Wegen in die neue Welt hinüber. Der Plan wurde in’s Werk gesetzt unter Zugesellung eines dritten Flüchtlings, Julius Fröbel, der, willig ihrer Aufforderung Folge leistend, eine eben in Angriff genommene Seifensiederei im Stiche ließ.

In der Firma „Zitz, Kapp und Fröbel“, deren juristische Dienstanerbietungen jetzt in den deutschen Blättern angekündigt wurden, war Kapp der jüngste und unerfahrenste der drei Partner. Zitz, in der Mitte der Vierzig, hatte eine lange glänzende Advocatenlaufbahn, Fröbel hatte als Verleger und Schriftsteller ein vielbewegtes Leben hinter sich. Aber es sollte nicht lange dauern, so entfaltete der kaum über die Studien hinaus gediehene Theoretiker die entschiedenste praktische Tüchtigkeit. Fröbel ließ sich von seinem abenteuernden und combinationslustigen Sinn wieder in eine neue unbekannte Welt treiben, ward Karawanenführer zwischen Texas und Mexico, und Zitz, der bis auf den heutigen Tag Kapp’s Gesellschafter geblieben, überließ diesem zeitweise, während er selbst farmte, die Hauptleitung der Schreibstube (Office). Mit Muth und Fleiß sich in das amerikanische Rechtswesen hineinarbeitend, gelangte Kapp von kleinem Anfang allmählich zu einer geachteten Stellung als Notar und Anwalt. Die eben gegründete Existenz sollte vor Allem zur Befriedigung eines höchsten Herzenswunsches die Mittel schaffen. Eine treue Neigung verband ihn mit der Tochter eines hochstehenden preußischen Officiers, der groß genug dachte, um in dem Augenblick, da die Vernünftigkeit des Schrittes sich nachweisen ließ, sein geliebtes Kind über’s Meer zu dem geächteten Republikaner ziehen zu lassen. Der General war freilich einer der wenigen ungeadelten Bürgerlichen. Er hatte seinen Entschluß nicht zu bereuen. Wie Alles in dieser Existenz schön und ebenmäßig zu werden berufen war, so sollte auch dieser Ehebund heranblühen, mit allen Vorzügen der Bildung und Tugend und mit anmuthreichem Kindersegen ausgestattet.

Weder die Sorge um’s tägliche Brod, noch die Süßigkeiten des Familienlebens vermochten auch nur vorübergehend im Geiste des Wahrheits- und Menschenfreundes den Sinn für die höheren und allgemeinen Interessen zurückzudrängen. Theilnahme am Schicksale der Landsleute in der alten wie in der neuen Heimath, Theilnahme am Leben des amerikanischen Staatswesens, Drang nach wissenschaftlicher Arbeit machten um die Wette ihre Rechte an den vielseitigen, unermüdlichen Mann geltend. Zugleich warf er sein Augenmerk auf die Stellung, welche die deutschen Eingewanderten als Gesammtheit in ihrem Adoptivvaterland einnahmen, denn schon damals gab sich die tiefe Antipathie zu erkennen zwischen der rohen Ueberhebung eigenwilliger und selbstsüchtiger Landsässigkeit und dem menschlich gerechten Freisinn, dessen Mitvertreter die gebildeten Deutschen wurden. Es war die Zeit, da die erste Klarheit in die Scheidung der Namen Republikaner und Demokraten kam und die eine Weile von dem Klang dieses zweiten Namens verführten Deutschen sich nach der Stellung hinzuziehen begannen, die sie zu ihrer unsterblichen Ehre im großen Krieg gegen die Sclaverei späterhin einnehmen sollten. Ein beträchtliches Verdienst um diese Scheidung erwarb sich von der ersten Stunde an Friedrich Kapp. Die Sclavenfrage, das war der gewaltige Gährungsstoff, der damals bereits auf dem Grund der amerikanischen Gesellschaft wühlte. Bei einem solchen Kampf um höchste Humanitätsfragen konnte Kapp nicht in einer Zuschauerrolle stehen. Bei der Präsidentenwahl des Jahres 1856, in welcher Buchanan, der demokratische Candidat, über den Republikaner Fremont siegte, war Kapp bereits einer der hervorragendsten Kämpfer für Letzteren. Auf solche Weise im öffentlichen Leben, wie in seinem sachwalterischen Berufe sich nützlich zu machen, Redner, Advocat, Notar, Gatte, Vater und Freund zu sein, hätte dem Gewissen auch eines Wackeren reichlich genug sein können.

Für Kapp’s Arbeitskraft und Pflichtgefühl war es zu wenig. Er wollte der Erkenntniß, welcher er mit Kopf und Herz angehörte, auch auf dem weiter und tiefer führenden Wege des gedruckten Worts Bahn machen. Den Amerikanern deutsches Wesen zu verständigen, den Deutschen das amerikanische zu entziffern, diesseits und jenseits des Oceans für die richtige Anschauung und die richtige Stellung zu den Dingen warme Sorge zu tragen, das war es, was ihm für seine schriftstellerische Thätigkeit leitender Gesichtspunkt ward und bis heute geblieben ist.

Seine beiden ersten Werke vertreten sofort die doppelte Richtung. Zunächst erschien „Die Sclavenfrage in den amerikanischen Staaten, geschichtlich entwickelt“ (Göttingen, bei Wigand 1854).

In dem vier Jahre darauf veröffentlichten „Leben des amerikanischen Generals Friedrich Wilhelm von Steuben“ (Berlin, bei Duncker 1858), einem umfang- und inhaltreichen Buch, erzählt Kapp die Schicksale eines deutschen Adeligen, der mit Ruhm für die Sache der Union kämpfte, vindicirt den Deutschen ihren Antheil Verdienst um die Ehre der Freiheitswaffen und zeigt ihnen selbst an den Leistungen seines Helden die Tüchtigkeit eines in der Schule der großen preußischen Feldherren erzogenen Anführers.

Nach Verlauf eines Jahrzehents war Kapp tief in das amerikanische Leben der Gegenwart eingedrungen; sein gewinnendes und tüchtiges Wesen hatte ihm nun auch bei dem englischen Element der Newyorker Bevölkerung eine hervorragende Stellung verschafft. Im Jahre 1860 bei der Präsidentenwahl, aus welcher Lincoln hervorging, wurde er in der Stadt Newyork Wahlmann (je dreißigtausend Wähler ernennen einen Wahlmann). So fügte es sich natürlich, daß damals die Reihe wieder an die inneren Zustände kam, seinen Forscherfleiß und Lehrberuf in Anspruch zu nehmen. Das Ergebniß dieser Studien war „Die Geschichte der Sclaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika“ (Hamburg, bei Otto Meißner, 1861), ein Schlüssel zum Verständniß der Ursachen und Folgen des darin vorausgesagten und bald darauf ausgebrochenen großen Secessionskrieges, der auch für unsere deutschen Angelegenheiten von unberechenbar heilsamer Wirkung wurde. Denn er bildet ein starkes Glied in jener Kette glücklicher Ereignisse, an welcher vom Jahre 1859 an die gedrückte und entmuthigte Welt wieder in Zuversicht auf die Höhe ihrer humanen Aufgaben sich emporschwang. Es war durchaus derselbe gute Geist, der über den Kaiser Nicolaus an der Küste des schwarzen Meeres, über Franz Joseph in den Ebenen der Lombarbei, über Ferdinand von Neapel in Marsala, über Jefferson Davis in Virginien, über den Marschall Bazaine in Mexico und über Benedek in Böhmen den Sieg davon trug. So verschieden auch die Losungsworte von den Lippen der Kämpfer schallten, so verschieden die Köpfe und Herzen in dem einen oder anderen Lager bewegt waren: es ist doch die nämliche aufsteigende Linie des großen Weltenschicksals, welche durch den Mittelpunkt dieser sämmtlichen Ereignisse hindurchgeht und in ihrer correcten Verlängerung den Thron Isabella’s von Bourbon umgestürzt hat. Nur noch drei ausgehöhlte, von diesem Siegeslauf des neuen Geistes auf den Tod getroffene Gewalten stehen schwankend auf ihren Postamenten: der Bonapartismus, die deutsche Kleinstaaterei und das weltliche Papstthum. Wer leben bleibt, wird’s erleben.

Kapp war Einer und der Besten Einer von den vielen wackeren Deutschen, welche der Sache Lincoln’s und der Union gegen Sclaverei und Particularismus mit höchster Kraftanstrengung dienten und dafür sorgten, daß die beträchtliche Leistung der Deutschen in diesem guten Kampf zur Anerkennung kam, um dem deutschen Element für die Zukunft eine darnach bemessene Stellung in der Republik zu sichern. Zugleich unternahm er es damals, dem Sohne eines fränkischen Bauern ein gleiches Ehrendenkmal zu errichten wie dem adeligen v. Steuben. Er schrieb „Das Leben des amerikanischen Generals Johann Kalb“ (Stuttgart, bei Cotta, 1862).

Im August desselben Jahrs kam Friedrich Kapp von Newyork nach England und machte von da aus eine Reise durch Deutschland. Wie der blühende Mann für die alten Freunde nach so langem Zwischenraum in Zügen und Gebahren kaum eine Spur der über ihn hingegangenen Zeit und Mühen verrieth, wie seine heitere Kraftnatur ihm auf die erste Berührung die Herzen erschloß und wieder erschloß, so öffnete sich auch seine eigene Brust und sog tief und beglückt den Odem der alten Mutter Heimathserde ein. Damals bereits schlug mit starkem Ansatz der Gedanke in ihm Wurzel, daß er zurück müsse nach Deutschland. Nicht weichliche Gemüthsbedürfnisse zogen an ihm. Keinem liegen sie ferner. Die lange Trennung und die reiche Erfahrung hatten sein Auge geschärft für die Erkenntniß der großen Veränderungen, welche im

Schooße des deutschen Lebens vorgegangen waren. Zwar in der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_342.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)