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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Der Bürger zweier Welten.

Von Ludwig Bamberger.

In der Literatur giebt es Etwas, das dem sokratischen Ideal von der schönen Seele im schönen Körper entspricht, nämlich das vortreffliche Buch eines vortrefflichen Menschen. Mutter Natur bringt es selten zum ersten jener Ideale, Tochter Cultur nicht häufiger zum zweiten. Darum schon lohnt es der Mühe, stehen zu bleiben, wo eine Erscheinung von solcher Harmonie uns entgegenkommt. Was zudem vermöchte einem Buche mehr Anziehungskraft zu verleihen, als die ihm vorangehende Gewißheit, daß geschriebenes Wort und lebendiger Wandel Eins sind in der Person des Redenden, daß seine Thaten der Beleg sind zu seinen Gedanken? Solcher Art ist Friedrich Kapp und solcher Art sind seine Schriften.

Friedrich Kapp.

Er gehört einer Familie an, deren ältere Generation bereits der deutschen Wissenschaft manchen tüchtigen Arbeiter gegeben hat, studirte die Rechtswissenschaft in Bonn, Heidelberg und Berlin als kräftiger, schlanker, blonder, blauäugiger Recke vom schönsten deutschen Typus. Einen flotteren Kanonier hatte wohl selten die Garde-Artillerie in ihren Reihen, als da er sein Freiwilligen-Jahr zu Berlin absolvirte. Die Bewegung von 1848 fand ihn naturgemäß unter ihren eifrigen Streitern. Er hielt es für Pflicht bei dem Aufstand vom 18. September jenes Jahres in Frankfurt seine Person miteinzusetzen und ließ sich nach unterdrückter Erhebung nur mit Widerwillen von älteren Freunden bereden, einer ihm unvermeidlich bevorstehenden Verhaftung und Verfolgung aus dem Wege zu gehen.

Die Katastrophe von 1849 nöthigte ihn endlich mit so Vielen seines Gleichen den Weg der Verbannung zu betreten. Kapp war damals fünfundzwanzig Jahre alt. Er lebte kurze Zeit in Paris und wurde hier in dem Hause des berühmten russischen Schriftstellers und Patrioten Alexander Herzen Erzieher des Sohnes, zugleich Freund und in gewissem Sinne Mitarbeiter des Vaters, dem er bei der Abfassung seines deutsch erschienenen Buches „Vom anderen Ufer“ (Hamburg bei Hoffmann und Campe 1849) zur Hand ging. In dem Hause des liebenswürdigen, edlen und geistvollen Russen dem er von Paris später nach Genf folgte, wurde der junge Mann mit einer neuen, großen, interessanten Welt bekannt. Französische, russische, schweizerische Politik, kurz, die Welt in allen Maßstäben und ihren modernsten Richtungen trat an ihn heran, wurde wißbegierig und lebensfroh von ihm aufgenommen.

Aber die Nothwendigkeit, sich einen selbstständigen Beruf zu gründen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_341.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)