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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

gewinnen, und am 10. Mai 1860 die große Feier des hundertjährigen Geburtsfestes Hebel’s im Großherzoglichen Hoftheater begangen wurde. Diese Zeit nun war zugleich auch begleitet von einem freundlichen Abendroth für Vreneli, indem auch sie die Theilnahme des Publicums bei dieser Gelegenheit anregte.

Ihr Name war Veronika Rohrer. Sie war geboren in dem durch seine Erdmannshöhle bekannten Dorfe Hasel bei Schopfheim, also in der Nachbarschaft des Geburtsortes Hebel’s, Hausen.

Vreneli als Greisin.
Nach dem einzigen existirenden Portrait im Besitz des Hofbuchhändlers Müller in Karlsruhe.

Ihre Mutter hieß Geiger und war eine Arbeiterin; die Tochter Veronika war die Frucht eines Verhältnisses mit einem adeligen Herrn, welcher frühzeitig starb, ehe er noch, wie er beabsichtigt haben soll, für das Kind gesorgt hatte. Auch die Mutter starb früh, und das Kind kam unter fremde Leute.

Hebel lernte sie in folgender Weise kennen. Man erzählt sich, er sei in einem Oberländer Orte (man nennt Kirchen bei Lörrach) zum Mittagstisch bei einem Herrn Pfarrer Mylius zu Gaste gewesen, wo Vreneli sich in jener Eigenschaft befunden habe, welche die Mitte hält zwischen einer Pflegetochter und einem Dienstmädchen: das „sufere, flinke und dundersnette Meidli“ machte einen so angenehmen Eindruck auf Hebel, daß er in seiner guten Tischlaune alsbald obiges Gedicht improvisirte, welches dem Herrn Pfarrer Mylius selbst so gefiel, daß er auch der Veranlasserin desselben die Freude es anzuhören machen wollte, und Vreneli hereinrief, worauf Hebel das Gedicht ihr vortrug. Ob das Gedicht dieselbe Form hatte, wie es jetzt vor uns liegt, wollen wir nicht untersuchen, es wird zu viel behauptet sein, daß Hebel unter dem Namen Hans sich selbst gemeint habe, da er selbst ja Johann Peter hieß, indem das Gedicht gegen den Schluß eine ganz andere als auf Hebel bezügliche Richtung nimmt. Eine mündliche Tradition behauptet, daß damals schon Vreneli ihren späteren Mann, den Küfer und Bierbrauer Rohrer von Grünwettersbach bei Durlach, gekannt habe. Derselbe sei damals im Oberlande auf der Wanderschaft gewesen und habe oft dem Vreneli am Brunnen beim Wasserholen geholfen. Nach anderen Berichten folgte Vreneli der Pfarrersfamilie bei ihrer Versetzung in das badische Unterland und heirathete 1824 in Grünwettersbach den Rohrer. Es lassen sich leicht beide Angaben vereinigen.

„Du hesch mi us em Feg’füür g’holt!“ konnte Vreneli nach ihrer Verheirathung nicht sagen, sondern im Gegentheil, sie kam durch diese Ehe in’s Fegefeuer; denn Rohrer zeigte sich während derselben als ein Mann, wie ihn Hebel in seinem kleinen Gedicht „Auf den Tod eines Zechers“ schilderte „Si allerliebste Kumpani sin allewil d’drei König gsi,“ d. h. er war ein Trinker und roher Mensch, der seine Frau mißhandelte. „Zwölf johr und zwölf Chrütz! Chumm Schueflebne, schuefele mi abe!“ hätte Vreneli ähnlich dem Kätterli im „Karfunkel“ rufen können. Sie wurde von dem rohen Manne körperlich mißhandelt; ihr wurde der rechte Arm verletzt, und sie mußte sich einst vor seinen drohenden Gewaltthaten durch einen Sprung aus dem Fenster retten, wobei sie sich so verletzte, daß sie für die übrige Lebenszeit an einem Fuße etwas hinkte. Daß es unter solchen Verhältnissen mit dem Haushalte des Ehepaars zurückging, läßt sich denken. Wenn auch die Frau nach Hebel’s Vorschrift „de rothe Chrützere“ nachging, so konnte sie doch nicht „zum Gulde cho“, weil der böse Mann im Wege stand. Als dieser endlich 1836 starb, so hinterließ er ihr nichts als eine verschuldete Wohnung; die Wittwe arbeitete fleißig, spann, sammelte Blumen, die sie in die Stadt trug, wobei sie sich besonders durch geschmackvolles Ordnen und Binden ihrer Bouquets auszeichnete, verkaufte Obst, that Gänge, kurz suchte sich durch ihrer Hände Arbeit ehrlich durchzubringen, auch erhielt sie Unterstützung aus dem kleinen Kreis ihrer Freunde, welchen sie als Hebel’s Vreneli schon bekannt war, und unterdenen auch die verstorbene Großherzogin Sophie und die verwittwete Fürstin von Fürstenberg sich befanden. Sie soll sich in dieser Zeit sehr liebevoll und freigebig gegen die Verwandten ihres verstorbenen Mannes gezeigt haben. Aber mit der Zeit machte das Alter unerbittlich seine strengen Rechte geltend: mit dem Spinnen wollte es nicht mehr so rasch geben, Verlegenheiten und Mangel fingen an sich einzustellen, und zuletzt wurde der armen Frau auf Antrag des Gläubigers die Wohnung verkauft. Diese letzte Maßregel besonders erfüllte sie, bei aller sonstigen Gutmütigkeit, mit einem bittern Gefühl, und sie äußerte sich hierüber noch in späteren Tagen mit einer gewissen Erregung, da von dieser Zeit an die Zerrütttung ihrer Verhältnisse sich immer fühlbarer machte. In dieser Lage befand sie sich, als die oben erwähnte Begegnung mit ihren wohlthätigen Folgen stattfand. Die Karlsruher Zeitung fügte nämlich der Veröffentlichung des Aufsatzes von Heinrich Kurz den Aufruf zu einer Sammlung bei, zu welchem Zweck sie ein pfarramtliches Zeugniß des Pfarrers Ph. Müller in Grünwettersbach beigab, worin der Veronika das beste Zeugniß ausgestellt und bestätigt wurde, daß sie der Unterstützung vollständig würdig und bedürftig sei. Das Zeugniß hob besonders hervor, daß sie für ihre Freunde und Wohlthäter stets sehr dankbare Gesinnungen habe, kurz es lautete durchaus vortheilhaft.

Mit diesem Schritt in die Oeffentlichkeit brach nun eine

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_205.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)