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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Es war schon vorher davon gesprochen worden, daß wir diesen Weg benutzen wollten, und als uns hier nun die Führer einen fragenden Blick zuwarfen, riefen wir ihnen ohne Bedenken ein Vorwärts zu und fort ging es in unglaublicher Schnelligkeit weiter. in der Mitte des Mordhügels befand sich wieder eine Stufe, diesmal machten wir aber einen so ansehnlichen Luftsprung, daß man nicht viel Zeit hatte, sich nach seinem Hintermanne umzusehen. Unten mäßigte sich der Lauf wieder, aber nun war auch leider das beste Ende der Fahrt zurückgelegt. Das Thauwetter der vorhergegangenen Tage hatte selbst noch in dieser Höhe zu wirken vermocht und der Schnee war nicht nur weich geworden, sondern auch durch den Wind und die Huftritte der Pferde an manchen Stellen ganz verschwunden.

Bis hierher hatten wir etwa sechs Minuten gebraucht, nun aber mußten die Schlitten an verschiedenen Stellen gezogen werden. Dies störte unseren guten Muth indessen durchaus nicht, und sobald der Weg wieder steil wurde, glitten wir wieder vorwärts, bald über Schnee, bald über Sand und Steine, bis wir endlich wohlbehalten unten am preußischen Zollhause in Oberschmiedeberg ankamen. Gegen siebenzehn Minuten hatte die Fahrt gedauert, sie würde aber bei strengem Frost in zehn Minuten zu machen gewesen sein. Es giebt, wie man uns versicherte, in Schmiedeberg Leute, die diese Strecke bereits in sieben bis acht Minuten zurückgelegt haben.

Wir verabschiedeten hier nun unsere Führer und begaben uns nach Ruppert’s Hotel, wo wir uns. mit allen Anzeichen eines respectablen Appetites zu Tische setzten. Auf der Fahrt nach Hirschberg lag noch einmal unter dem blauen Himmel die ganze in winterlicher Pracht schimmernde Kette des Riesengebirges vor uns – und fast wehmüthig nahmen Auge und Herz von der Herrlichkeit Abschied.




Polytechnikum der Gartenlaube.

Nr. 2.
Ein unfaßbares neues Metall. – Wunderbare Lichtwirkungen – Zum Besten der Farbenreiber. – Mechanischer Lichtbilderdruck. – Künstliches Krapproth. – Tränkung der Locomotiven im Laufen. – Schwimmende Telegraphenstationen. – Die Monsterbrücke zwischen England und Frankreich. – Das Lachgas. – Dampfkesselexplosionen noch einmal.


Ueber die Aufsaugung von Gasen durch Metalle bei gewissen höheren Temperaturen oder unter Einfluß der Elektricität sind von dem bekannten englischen Chemiker Graham eine Reihe interessanter Versuche angestellt worden. Die Metalle verhalten sich in den Graden ihrer aufsaugenden Kraft verschieden, allen voran aber steht dam Palladium. Wird ein Blech oder Draht dieses Metalls in ein Glasrohr gebracht, die Luft herausgezogen und dafür trockenes Wasserstoffgas andauernd hineingeleitet, so absorbirt das Metall, wenn das Rohr dabei auf hundert Grad C. erhitzt wurde, davon das Neunhundertfünfzig- bis Neunhundertachtzigfache seines eigenen Volumens. Schon bei gewöhnlicher Sonnenwärme wird das Dreihundertsechsundsiebenzigfache verdichtet; dagegen bewirken Temperaturen über hundert Grad hinaus, je höher sie steigen, in zunehmendem Maße eine Wiederaustreibung bis zur gänzlichen Erschöpfung. Auf einfachere Weise wird die Sättigung des Metalls mit dem Gase erreicht durch Verbindung des ersteren mit dem Wasserstoffgas einer galvanischen Batterie, in welcher Wasser zersetzt wird. Das im Metall verdichtete Gas zeigt die ihm eigenen chemischen Reactionen, aber energischer als unter gewöhnlichen Umständen; ein gasbeladenes Palladiumstäbchen entfärbt die blaue Jodstärke, das übermangansaure Kali bildet in einer Lösung von Blutlaugensalz Berlinerblau etc.

Also das leichteste aller Gase, das sich noch auf keine Weise zu einer Flüssigkeit verdichten ließ, befindet sich in den Poren eines Metalls in fast tausendfacher Concentration, und es liegt nun die Frage nahe, in welchem Zustande es sich hierbei befinden möge. man könnte wohl vermuthen, die Wasserstoffatome möchten zu einer Flüssigkeit zusammengedrängt sein; Graham dagegen ist zu der Ueberzeugung gelangt, der Wasserstoff selbst sei nichts anderes als der Dampf eines höchst flüchtigen Metalls, welches sich unter den angegebenen Umständen mit dem Palladium zu einer ordentlichen Legirung zusammen thue und somit einen festen Bestandtheil in derselben ausmache. In der That zeigt sich das mit dem Wasserstoff gesättigte Metall in seinen Eigenschaften dem entsprechend verändert: seine Dichtigkeit und Fähigkeit sind wesentlich vermindert, ebenso seine Leitungsfähigkeit für Elektricität, wie dies bei Legirungen der gewöhnliche Fall ist. Dagegen erhält das Palladium, welches an sich sehr wenig magnetisch ist, durch die Verbindung mit Wasserstoff diese Eigenschaft in ansehnlichem Grade, ganz so, als sei es mit einem stark magnetischen Metall legirt worden. Auf diese Indicien hin hat Graham den Wasserstoff in die Reihe der Metalle gestellt und Hydrogeninm benannt. Daß man aber dieses flüchtige Wesen jemals in Form solider Barren in die Hände bekommen werde, ist undenkbar. Die Graham’schen Versuche sind von hohem Interesse, aber das daraus Gefolgerte ist zur Zeit noch Hypothese. –

Großes Interesse erregen in England die neuen Untersuchungen des Professors Tyndall über die chemischen Wirkungen des Lichts, die dem Gelehrten viel zu denken, dem Laien wenigstens ein magisch anziehendes Schauspiel geben, gleichsam Träume der Natur sichtbar vorführen. Der Professor gebraucht bei seinen Darstellungen eine wagerecht aufgestellte Glasröhre von etwa drei Fuß Länge und dritthalb Zoll Weite, an einem Ende mit einer Luftpumpe verbunden, während am anderen eine elektrische Lampe steht, deren Strahlen längshin durch die Röhre fallen. Statt des elektrischen kann auch Sonnenlicht dienen und die Wirkung beider ist ganz die nämliche. Durch die Pumpe wird gereinigte Luft in die Röhre geschafft, welche vorher durch eine gewisse Flüssigkeit streichen muß, um sich mit den Dämpfen derselben zu sättigen. Die verschiedenen chemischen Flüssigkeiten, welche einzeln den Versuchen unterworfen werden, sind solche, deren Empfindlichkeit gegen das Licht bekannt ist, namentlich salpetersaures Amyl, Bromwasserstoff, Jodwasserstoff etc. Eine jede bewirkt Erscheinungen von besonderem Charakter. Ist nun das Glasrohr in angegebener Weise mit dampfhaltiger Luft erfüllt und von dem starken Licht durchleuchtet, so ist anfänglich nichts Besonderes zu bemerken; nach einigen Minuten aber entstehen in der Röhre Nebel, welche bald allerlei symmetrische Formen und Gruppirungen annehmen, und zwar manche derselben von sehr complicirtem Charakter. Es zeigen sich je nach den Umständen Gestalten wie Rosen, Sonnenblumen, Fischaugen oder mit Kiemen versehene Fischköpfe, schneckenförmige Gewinde, Trichter etc. in manchen Fällen sind diese Gebilde mit den brillantesten Farben ausgestattet. stets aber herrscht bei der Gruppierung derselben eine gewisse Symmetrie, und namentlich bei den thierähnlichen Gestaltungen findet sich für jedes Bild immer ein Gegenbild. Es sind nach Professor Tyndall vorzugsweise die dunkeln, mit der stärksten chemischen Wirkung begabten Strahlen des Lichtes, welche diese Phänomene zu Stande bringen; sie zersetzen die dunstförmigen chemischen Verbindungen und gruppiren durch ihre Schwingungen die schwebenden Atome etwa in ähnlicher Weise, wie die Luftwellen musikalischer Töne die bekannten Klangfiguren erzeugen. So wäre es denn das Licht, welches, wie in der biblischen Schöpfungsgeschichte, Ordnung und Symmetrie in das Chaos bringt, und das planetarische Leben verdankte der Sonne nicht nur die Existenz, sondern erhielte von dort gleichsam auch die Modelle zu den Formen, in denen es sich ausprägt. –

Das Verreiben von Farben mit Leinöl, Firniß u. dgl. ist bekanntlich, wenn es nicht einer Maschine übertragen werden kann, eine so mühsame wie zeitraubende, dabei scheinbar ganz unausweichliche Arbeit. Dennoch hat sich gefunden, daß man sich in mehreren Fällen davon dispensiren und auf weit leichtere und raschere Art zum Ziele gelangen kann. Dies ist thunlich, so weit bis jetzt constatirt worden, bei Bleiweiß, Zinkweiß und Zinkgrau, Mennige, Kienruß, also gerade den meist gebräuchlichen Substanzen, während andere, namentlich Erden und Ocker, für das Verfahren nicht taugen. Die einfache, im kleinsten wie größten Maßstabe ausführbare Operation ist folgende. Das Farbepulver wird in viel Wasser eingerührt (der Ruß nach vorheriger Durchfeuchtung mit etwas Spiritus) und die dünne Suppe durch ein Haarsieb gelassen, womit man der gröberen Theile ledig ist. Hat sich der Farbstoff zu Boden gesetzt, so gießt man das meiste Wasser ab, gießt Leinöl zu und arbeitet die Masse mit Spatel, Kelle u. dgl. durch. Nach einigen Minuten schon fangen Oel und Farbstoff an sich zu verbinden, das Wasser sondert sich als obere Schicht völlig klar ab und ist leicht zu entfernen. Durch weitere knetende Verarbeitung läßt sich alles noch etwa mechanisch eingeschlossene Wasser absondern und die Farbe ist dann zum verstreichen fertig, kann auch beliebig mit mehr Oel oder Siccativ versetzt werden. Bei den für diese Behandlung ungeeigneten Stoffen bleibt das Durcheinanderrühren ohne Erfolg, es sondert und bindet sich nichts, und man muß demnach bei jenen andern eine besondere Neigung annehmen, mit dem Oel in chemische Verbindung zu treten. –

Mit dem Auftreten der wunderhaften, uns jetzt so alltäglich gewordenen Lichtbildnerei war eine große Aufgabe gelöst und eine neue gegeben: die Ermöglichung des Abdrucks photographisch erzeugter Bilder auf dem gewöhnlichen mechanischen Wege. Die Versuche dazu begannen alsbald nach dem Bekanntwerden von Daguerre’s Erfindung; man bemühte sich damals, die Quecksilberbilder durch Aetzen der Metallplatten abdruckbar zu machen. Seitdem ist die Sache noch von mancher anderen Seite angegriffen worden und zwar von so vielen Gelehrten und Praktikern und mit solchem Eifer, daß man sich sagen konnte, die volle Lösung – denn an halben Erfolgen hat es nicht gefehlt – werde sicher noch gefunden werden und die Angelegenheit sei nur eine Zeitfrage. Jetzt haben sich der Lösungen gleich zwei angekündigt, ganz verschieden in der Art des Verfahrens, aber beide den Versicherungen zufolge zu solcher Vollendung gebracht, daß nichts zu wünschen übrig bleibt. Die von Herrn Hofphotograph J. Albert in München erfundene Methode liefert von Glasplatten gedruckte Bilder, die sich in nichts von gewöhnlichen Photographien unterscheiden und die ganze Kraft und Weichheit der Töne wie Feinheit der Details, deren photographische Aufnahmen fähig sind, getreulich wiedergeben. Ganz das Nämliche wird behauptet von der jetzt zur Reife gediehenen, Erfindung des Franzosen Drivet. Sein Verfahren besteht im Allgemeinen darin, daß über dem auf photographisch-chemischem Wege gewonnenen Original eine Kupferplatte galvanisch niedergeschlagen wird, welche das Bild nach Belieben erhaben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_190.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)