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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Zeit in allen Journalen des In- und Auslandes in so ehrender Weise von dem Meister reden machte. –

Wir finden bei unserm Besuche den Künstler im Vorraum seines Hauses und dürfen aus unserm Empfang wohl schließen, daß wir willkommen sind. Mit ehrlich sichtlichem Wohlbehagen zeigt uns der Künstler die innere Einrichtung seines Tusculums. Nicht fürstliche Pracht, aber echt künstlerische Anordnung ist es, was dieses trauliche Besitzthum so anheimelnd gestaltet hat. Knaus besitzt selbst einige Kunstwerke von bedeutendem Werth, und mit unverhohlener Freude an deren Besitz zeigt er uns seine Schätze, fröhlich plaudernd von den Eindrücken des Wiener Künstlerfestes, von dem er eben heimgekehrt, noch in der Erinnerung lebend an manche frohe Stunde, welche er dort mit den Kunstgenossen verbrachte. Das Leben in Wien scheint dem deutschen Künstler ungleich anmuthender gewesen zu sein, als das bewegte, aber häufig kalte Treiben der Weltstadt an der Seine.

Während sich Knaus einen Gartensaal mit eigener Meisterhand ausgemalt, hat er sich das Ideal eines Ateliers im oberen Stockwerk eingerichtet. Die günstigste Berechnung des Lichtes wetteifert hier mit der malerischen Anordnung, ohne daß das Ganze auch nur im Geringsten den Eindruck des Gesuchten erweckte. Prächtige Gobelins schmücken die Wände, welche eine im gothischen Geschmack geschnitzte und verzierte Decke überwölbt, wie denn der gothische Stil sich in dem ganzen Raume einheitlich kennzeichnet. Eine Perle der Malerei, eine Lucrezia von Lucas Cranach, verbirgt ein verschließbarer Schrein. Mittelalterliches Mobiliar, Geräthe und Waffen zieren den Raum, dessen hohe Fenster den Blick in’s Grüne, in das malerische Gärtchen des Hauses, leiten. Wir glauben gern der Versicherung des Künstlers, daß ihm der Aufenthalt in diesen traulichen Räumen erhöhte Lust und frischen Schaffensdrang verleihe.

Und in der That, wir sehen auf der Staffelei eine Gewähr für diese Aeußerung, da der Pinsel des Meisters aus einer harmlosen und doch so innig wahren Scene ein Bild von so ergreifender Wirkung schaffen konnte! Wir dürfen immerhin aus der Schule plaudern, denn wenn unsere Zeilen der Oeffentlichkeit vorliegen, möchte des Meisters Werk schon vollendet sein, und einer Schwatzhaftigkeit machen wir uns nicht schuldig, da unserem Knaus ein Vorwurf so leicht nicht „nachempfunden“ werden kann.

Stelle sich der Leser eine Straße, etwa in Köln, zur Zeit des Carnevals vor. Ein Kinderpärchen, der Knabe als Ritter, das Mädchen als Nonne verkleidet, – Kindermaskeraden wie diese am Rhein allüberall im Fasching Sitte sind – gehen ruhig ihre Straße, etwa um sich mit kindlichem Stolze in ihrem erborgten Schmuck Verwandten oder Freunden der Familie zu zeigen. Sie werden unterwegs von anderen Kindermasken, Strolchen in schäbiger, zusammengestoppelter Gewandung, aufgehalten und in bedrohlicher Weise attakirt. Die Letzteren, die Strolche, lockt und reizt wohl weiter nichts zum Angriff, als die bessere und kleidsamere Maske der Kleinen – der kindliche Neid. Mit ritterlicher Tapferkeit stellt sich der kleine Ritter, der Beschützer der zaghaften Begleiterin, zur Wehre, und doch kann das jugendliche Heldenantlitz die Furcht und Besorgniß vor den muthwilligen und abscheulich herausgeputzten Fratzen nicht verleugnen. Heldenmut im Streite mit kindlicher Furcht!

Und das zarte jugendliche Nönnchen, wie schmiegt es sich so innig, so schwesterlich an den ritterlichen Begleiter, dem der Helmschmuck trotzig und drollig zugleich zu Gesichte steht! Man sehe das Bild, und man erwehre sich der Rührung, welche uns aufrichtig bei dessen Beschauen ergriffen. Wahrlich! die Malerkunst ist vielleicht die schwerste, aber auch die dankbarste unter den Künsten, da eine Meisterhand mit einer so einfachen Scene eine so ergreifende Wirkung zu schaffen vermag. Es ist dies Werk ein neues Blatt im Lorbeerkranze des Künstlers, und wir wollen uns gern darüber trösten, daß es uns nicht vergönnt war, den „Katzentisch“ vollendet zu sehen, der sich zur Zeit unseres Besuches leider noch in Wien befand. Wir hoffen, daß es der Gartenlaube baldigst ermöglicht sein wird, eines der besten Werke unseres Meisters ihrem großen Leserkreis vorzuführen.

Bescheiden und deshalb nie mit sich und seinen Schöpfungen zufrieden, wie dies ja zum Glück für die Kunst das Loos des echten Künstlers immer ist, fragte uns der Meister treuherzig und offen um unser Urtheil über diese neueste Schöpfung, und wir dürfen annehmen, daß unser stummer Häudedruck ihm mehr gesagt hat, als eine Beschreibung des Eindrucks in Worten es vermocht haben würde.

Scherz und heitere Mittheilungen aus Wiesbaden, der bisherigen Heimath des Künstlers, täuschten uns einige Stunden hinweg. Ein glückliches Familienleben, geschmückt durch eine Zahl blühender Kinder, gewährt dem Künstler auch nach dieser Richtung Liebe, Freiheit und Anregung zu künstlerischem Schaffen.

Knaus steht im Zenith seiner Laufbahn. Die deutsche Nation darf von ihrem ersten Genremaler noch viele Kunstschöpfungen erwarten – und jener glückliche Humor, der nicht allein in seinen Werken, der sich auch im Umgang mit ihm ungebunden fühlbar macht, sichert dem Meister eine stets andauernde Frische. Wir schieden, um gegen Abend gemeinschaftlich den „Malkasten“ zu besuchen.

Düsseldorf, die Malerstadt, besitzt eine städtische Gemäldesammlung mit trefflichen Werken, aber leider – keine entsprechende Räumlichkeit für die Ausstellung dieser Perlen der edlen Malerkunst. Eine Stadt, die ein so großartiges Gebäude zur Pflege einer verwandten Kunst, der Musik, erbauen konnte, als welches die städtische Tonhalle sich darstellt, sollte des Näherliegenden nicht vergessen. Recht wie ein verlassenes Waisenkind hat die städtische Sammlung in den obersten Räumen der genannten Tonhalle eine dürftige Stätte gefunden. Entlegen und kaum aufzufinden in dem weitläufigen Gebäude, im Sommer der Sonne ausgesetzt, so daß sich die hier entwickelte Temperatur recht wohl mit den weiland Bleidächern Venedigs messen könnte! Und doch finden sich hier Werke, wie die Weinprobe von Hasenclever, Tidemand’s Haugianer, Knaus’ Spieler, Schrödter’s Don Quixote und Meistergebilde von Lessing, Andreas und Oswald Achenbach, Röting, Schirmer, Sohn und Jordan.

Neuere Bilder wurden bisher in einer Privatausstellung bei E. Schulte dem Publicum zur Ansicht geboten, und da viele dieser Stücke verkäuflich sind, so gewinnt diese Ausstellung mehr den Anschein einer größeren Kunsthandlung. Gegen eine bestimmte Summe zum Vortheil der Künstler-Unterstützungscasse hatten sich die Maler Düsseldorfs zur Ausstellung bei Schulte verpflichtet. Dieses Uebereinkommen hat indeß durch die Entstehung eines Concurrenzgeschäftes – Bismayer und Kraus – beinahe ein Ende gefunden, denn auch die letztgenannte Firma unterhält eine permanente Ausstellung an neuen und älteren Bildwerken. Und wohl finden sich auch in den Räumen dieser Privatunternehmern treffliche Gemälde. Es sind dort alle Meister der Düsseldorfer Schule, auch einzelne der verstorbenen, vertreten. Die Stadt aber ist der Kunst die Gründung eines Ausstellungslocales, einer Kunsthalle, schuldig, in welcher sowohl der städtische Besitz als Mittelpunkt der Gesammtausstellung, als auch die etwa zum Verkauf auszubietenden neueren Bilder einen Sammelplatz finden. Auf diese Weise würde der Beschauer ein einheitliches Bild der Düsseldorfer Bestrebungen in künstlerischer Hinsicht gewinnen, und an klingendem Erfolge dürfte es sicher auch nicht fehlen. Kann sich die Stadt zu diesem Werke der ausgesprochensten Notwendigkeit nicht ermannen, nun, so stehe die in sich selbst so fest geschlossene Künstlerschaft in Ausführung dieses Planes zusammen. Zeugt doch für die herzliche Gemeinschaft der Düsseldorfer Kunstgenossen der weltbekannte – Malkasten.

Es kann unsere Absicht nicht sein, dieses Künstlervereins in ausführlicher Weise zu gedenken, umsomehr, als die gewandte Feder Wolfgang Müller’s der Gartenlaube schon eine treffliche Schilderung lieferte (Jahrgang 1863, Nr. 37). Weilen auch einzelne der Haupthelden jener Mittheilungen, wie Leutze, Michaelis und Andere, nicht mehr unter den lebenden Genossen, der Geist des Malkastens, die Zusammengehörigkeit der Mitglieder desselben, hat sich seitdem womöglich noch inniger gestaltet.

Alle Welt weiß, daß sich die Maler Düsseldorfs durch eigene Werke die ausgedehnten Räumlichkeiten und Parkanlagen des „Malkastens“ selbst erworben haben. Eine Lotterie von Gemälden Düsseldorfer Schule mußte die Mittel beschaffen, und Dank dieser Veranstaltung, das historisch interessante Besitzthum des Philosophen Friedrich Jacobi, geweiht durch den mehrmaligen Aufenthalt Goethe’s, durch die Anwesenheit Georg Jacobi’s, des Lyrikers, der Grafen Stolberg, Jung-Stilling’s, Georg Forster’s und Heinse’s, des Dichters des Ardinghello, kam nicht in profane Hände, es blieb Eigenthum der Kunst, der Musen und ihrer Jünger.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_183.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)