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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


Den ersten geregelten Unterricht im Zeichnen und Malen empfing Knaus in Wiesbaden durch den Zeichenlehrer Albrecht, später durch den vormals Nassauischen Hofmaler Professor Jacoby. Knaus’ eigentliche Schule aber war das Leben, seine Vorbilder waren ihm überall gegeben, seine Empfänglichkeit für Alles, was an seinem körperlichen und geistigen Auge vorbeiflog, bildete ihn zu dem, was er geworden; seine höchste Zierde und die Grundlage seiner Meisterschaft ist – sein Gemüt, seine echt deutsche Empfindung. Knaus ist ein deutscher Maler, wie wenige, das kennzeichnet sich durch seine Stoffe. Nicht als ob Knaus in Paris nicht viel für seine Kunst gewonnen und erfahren, die Wahrheit künstlerischen Schaffens gehört indeß nicht einer Nation, sie gehört nicht einer Schule ausschließlich, sie gehört eben nur der Wahrheit an.

Knaus bezog sehr früh die Malerschule in Düsseldorf und erregte hier in kurzer Frist die allgemeine Aufmerksamkeit nicht nur des Publicums, sondern auch seiner Genossen. Professor Sohn und andere Meister der Düsseldorfer Schule glaubten Knaus zur Historie berufen, das Talent des Künstlers fand indeß seinen Weg in anderer Richtung. Dies zeigten seine Erstlingswerke. Eine durch Frische und Leben ausgezeichnete Composition: „Tanz um die Dorflinde“ überraschte durch treffliche Ausführung in Zeichnung und Colorit. Ihr folgten „Die Spieler“, gegenwärtig in der städtischen Gemäldegalerie zu Düsseldorf, wenig unterschieden von einer andern Ausführung desselben Vorwurfs, die zur Zeit das Leipziger Museum besitzt (Gartenlaube Nr. 3 1862[WS 1]). Das Bild begründete zuerst den Ruf des Künstlers, und in der That, der gewaltige Eindruck dieser Scene, so fern von aller Uebertreibung, so ergreifend und wahr und gleichzeitig so erschütternd wirkend, mußte die allgemeine Aufmerksamkeit auf den jugendlichen Autor lenken. Knaus’ Künstlerschaft war documentirt, und als das Jahr 1852 der Berliner Kunstkritik das „Leichenbegängniß im Walde“ auf der Ausstellung der Akademie vorführte, war das Urtheil allgemein, daß Düsseldorf in ihm einen Stern erster Größe besitze.

Wir können uns bei den einzelnen Werken des Meisters leider nicht verweilen und müssen, dem Wunsche der Gartenlaube entsprechend, der naheliegenden Versuchung eingehenderer Schilderung seiner einzelnen Compositionen widerstehen, zugleich voraussetzend, daß Stich und Druck die Schöpfungen unseres Künstlers der deutschen Nation schon genügend nahe gebracht haben.

Knaus hat nicht versäumt, die Welt zu sehen, seine künstlerischen Wandertage führten ihn nach Belgien, Italien, der Schweiz, Tirol, München, Holland; er streifte durch die Ebenen des hessischen Landes, wie über die Höhen des Schwarzwaldes und des Rheines, und hatte stets das Ziel im Auge, durch lebendige frische Anschauung sich selbst und sein Talent zu bilden. Im Jahre 1852 übersiedelte Knaus nach Paris, zum Glück für ihn, zum Glück für uns. An den Meisterwerken und Sammlungen der Weltstadt bildete sich des Künstlers Auge und Erfahrung; mitten in dem Getriebe der französischen Metropole verbreitete sich der Ruf seiner Meisterschaft. Fast unbekannt erschien er dort mit seinem den Franzosen fast unaussprechlichen Namen Knaus (Knos)! „Qui est ce Monsieur Knaus? C’est un Russe – un barbare!“ Und wie lange währte es, – der stille, ruhige, deutsche Knaus erschien mit seinem „Morgen nach einer Kirmeßnacht“ auf der Ausstellung und errang sich die goldene Medaille zweiter Classe als Preis. Von da ab haben sich unsere Nachbarn jenseits des Rheines zum Oefteren die Mühe gegeben, Knaus für sich zu annectiren; man sah in Paris von dem barbarischen Namen ab und stempelte in öffentlichen Berichten den Künstler ohne Weiteres zum Franzosen. Diese Annexion sollte der großen Nation indeß nicht gelingen, und der Künstler gehört nunmehr nach den politischen Veränderungen der letzten Jahre in doppelter Beziehung dem selbstgewählten Heimath- und Vaterlande Preußen an, obschon die französische Regierung durch eine Reihe von Auszeichnungen ihn an Paris zu fesseln suchte.

Das deutsche Vaterland vergaß des Künstlers ebenso wenig wie er die Heimath; was Knaus in jener Periode in Paris geschaffen, hat größtenteils auch dort bleibende Stätte gefunden.

Mit wahrhaftem Enthusiasmus wurden aller Orten die Meistergebilde begrüßt, die er 1859 und 1860 in Paris vollendete: die „Taufe“ und die „goldene Hochzeit“. Diese beiden echt deutsch empfundenen Compositionen haben Knaus zu einem Volksmaler gestempelt, denn wer hätte nicht im Kupferstich, in Photographie oder sonstiger Nachbildung das tiefe Gemüth des Künstlers und seine geniale Wiedergabe dieser innig empfundenen Familienscenen bewundert! Die Nachbildungen dieser Werke, besonders in den Goupil’schen Stichen, sind in ganz Europa verbreitet.

Im folgenden Jahre übersiedelte Knaus, nachdem er schon früher aus seiner Vaterstadt Wiesbaden eine Gattin heimgeführt, von Paris nach Deutschland und wählte zunächst seine Vaterstadt, dann Berlin als bleibenden Aufenthalt. Die Sommermonate brachte er regelmäßig in seiner Heimath zu. In Berlin entstanden in kurzen Zwischenräume der bekannte „Taschenspieler“, den Goupil in Paris ankaufte, und ferner der „Auszug zu einem ländlichen Fest“, welche Werke beide in Paris ausgestellt waren. Während des Sommeraufenthaltes in Wiesbaden schuf der Meister die „Puffspieler“, denen in Berlin dann in verhältnißmäßig kurzer Reihenfolge „Die Wochenstube“, „Die Kleinstädter in der Schenke“ (jetzt Eigenthum des Kunst-Vereins seiner Vaterstadt) und die „Passeyrer Raufer“ folgten.

Die letzten drei Jahre war Knaus fast ausschließlich seiner Geburtsstadt Wiesbaden wiedergegeben und vollendete hier vornehmlich das allgemein bekannt gewordene Gemälde „Seine Hoheit auf Reisen“, dessen Entstehen und Fortschreiten wir selbst Gelegenheit hatten zu verfolgen. Gegen die Annahme, daß der Künstler bei diesem Werke portraitirt habe, verwahrte er sich stets auf das Entschiedenste, und wir dürfen ihm um so mehr Recht geben, als seine Figuren im strengsten Sinne des Wortes eigentlich alle Portraits sind. Hierin beruht ja eben die gewaltige Wirkung der Knaus’schen Schöpfungen, seine Gebilde tragen den ewig wahren Stempel der Natur, seine Figuren sind alle vorhanden, sein Pinsel zeichnet uns immer nur – Menschen!

So sagt Friedrich Pecht in seinen Pariser Briefen bei Gelegenheit der Welt-Ausstellung: „Es möchte schwer fallen, auch nur einen einzigen Menschen bei Knaus zu treffen, den er nicht lebendig empfunden, leibhaftig vor sich herumspazieren gesehen. Es sind niemals Modellfiguren, die er bringt, sie sind alle im Leben beobachtet, mit Blitzesschnelle in jedem Zuge einem getreuen Gedächtnisse einverleibt worden. Kurz, niemals wird man von Knaus weggehen, ohne erfreut und erheitert zu sein, und man wird sich erst nachher darauf besinnen, wie groß das malerische Talent sein müsse, welches eine so unwiderstehliche Wirkung auf Alt und jung, Kenner und Nichtkenner, auf alle Nationen und Stände ausübt.“

Der Aufenthalt in Wiesbaden konnte dem Meister im Allgemeinen die Anregung nicht bieten, welche für seine Entwürfe so erforderlich war. Die innige Liebe und Anhänglichkeit an Heimath und Familie hatten den Künstler nach Wiesbaden zurückgeführt. Hier arbeitete er in beschaulicher Ruhe, gänzlich abgeschieden von dem bunten und geräuschvollen Getriebe der Badestadt. Eine aussichtreiche Garten-Anlage umgab das auf einer Anhöhe in nächster Nähe der Stadt gelegene Atelier des Künstlers, und selten nur verließ er seine freundliche Häuslichkeit, aber die Annehmlichkeiten dieses Wohnsitzes konnten Knaus auf die Dauer ebensowenig, wie die Reize der seine Vaterstadt umgebenden Landschaften, den so notwendigen und anregenden Verkehr mit den Collegen ersetzen. Die Erinnerungen an die Studienjahre wirkten mächtig in ihm, und wenn auch ungern, doch zum Vortheil seiner Kunst, sahen wir ihn im vorletzten Herbst von Wiesbaden nach Düsseldorf scheiden, wo er unterdessen sich ein neues Heimwesen selbst hergerichtet hatte. Von den Kunstgenossen dort ward er mit aufrichtiger Freude empfangen; wie Oswald Achenbach dem Schreiber dieses gelegentlich eines Zusammentreffens in Aßmannshausen versicherte: „Von Euch kann der Verlust nicht so tief empfunden werden, als uns Alle der Gewinn des Meisters für unsere künstlerischen und geselligen Kreise erfreut.“

Und in der That, Knaus ist ein frischer lieber Genosse, für seine Freunde ein Charakter so offen und ehrlich, so bescheiden und anspruchslos wie wenige. Diese Bescheidenheit bei der bewährten Anerkennung seiner Künstlerschaft thut doppelt wohl im Umgang mit ihm, um so mehr, als man sofort erkennen lernt, wie streng er in seinen Anforderungen gegen sich selbst ist. „Er ist ein Mann, nehmt Alles nur in Allem!“

Das erste größere Werk des Düsseldorf Aufenthaltes war der kürzlich in Wien ausgestellte „Katzentisch“, der noch in jüngster

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nr. 5 1862
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_182.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)