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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

sich über den Hund, der, unmittelbar in’s Herz geschossen, ohne Laut verendete. … Wie tief gruben sich in dem Moment die verhängnißvollen Linien in die weiße Stirn des Mannes, aber im Verein mit den fest aufeinander gepreßten Lippen machten sie nur den Eindruck eines finsteren Schmerzes.

Er sah nicht auf, als auch jetzt die Baronin und Frau von Herbeck herübereilten.

„Aber, theuerste Gräfin, wie unvorsichtig! Welchen Schrecken haben Sie uns gemacht! – mir zittern alle Glieder vor Alteration!“ rief die Gouvernante mit fliegendem Athem und breitete die Arme aus, als wolle sie das auffallend bleich gewordene junge Mädchen schützend an ihre Brust ziehen – ein finsterer Blick aus den braunen Augen machte jedoch die gehobenen Arme sofort sinken. Ihr emphatischer Ausruf war verunglückt – es schien sich Niemand dafür zu interessiren, daß sie sich alterirt hatte. Sie trat dicht an den Hund heran.

„Armes Thier – daß es hat sterben müssen!“ sagte sie mitleidig – aber diese Frau verstand sich meisterhaft auf die Modulation ihrer Stimme – der Vorwurf in diesen Tönen klang förmlich beleidigend.

Der Portugiese richtete sich empor und sah auf die Gouvernante nieder – sie meinte, unter diesem Blick versteinern zu müssen.

„Glauben Sie denn, meine Dame, ich habe das Thier zu meinem Vergnügen niedergeschossen?“ fragte er mit einem seltsamen Gemisch von Zürnen, Sarkasmus und Schmerz – der Mann sprach ein schönes, reines Deutsch.

Er streckte einem der herzugetretenen Lakaien, welcher sich niederbog, um das Fell des Thieres zu streicheln, abwehrend die Hand entgegen.

„Seien Sie vorsichtig – der Hund war toll!“ warnte er.

Jetzt schnellte Frau von Herbeck mit einem lauten Aufschrei zurück – ihr Fuß hatte fast die Schnauze des todten Thieres berührt. Die Baronin dagegen trat furchtlos näher – sie hatte sich bis dahin mehr seitwärts gehalten.

„Dann haben wir ja alle Ursache, Ihnen für die Errettung aus großer Gefahr zu danken, mein Herr!“ sagte sie – nur dieser Frauenmund konnte so hinreißend und zugleich so vornehm unnahbar lächeln – „Ich wohl ganz speciell,“ fuhr sie fort; „denn ich promenirte eben noch mutterseelenallein im Walde.“ .

Es war nur eine ganz banale Phrase, die diese rothen Lippen aussprachen, und doch schien sie den Eindruck eines tiefsinnigen, schwer zu begreifenden Orakels zu machen – denn der Fremde stand, Auge in Auge, wortlos vor der schönen Frau. Sie kannte genau den Zauber ihrer blendenden Erscheinung, ihrer bestrickenden Stimme, allein diese blitzähnliche Wirkung war ihr neu. … Der Mann rang offenbar mit sich selbst, um den Eindruck zu bekämpfen – vergebens, nicht einmal eine linkische Verbeugung brachte die so elegante, ritterlich gewandte Gestalt fertig.

Die Baronin lächelte und wandte sich ab – ihre Augen fielen auf die junge Gräfin, die mit fest aufeinander gepreßten Lippen diese seltsame Bewegung beobachtete.

„Kind, wie siehst Du aus?“ rief sie erschrocken – ihre Besorgniß ließ sie offenbar Alles um sich her vergessen – „Jetzt werde ich auch wie Frau von Herbeck schelten müssen! … Es war unverantwortlich von Dir, hierher zu laufen, wo Dir der Schuß und der schreckliche Anblick die Nerven erschüttern mußten! … Wie magst Du nur daran denken, jemals gesund zu werden, bei der Nonchalance, mit der Du Dein Leiden behandelst?“

Dieses Alles sollte der Ausdruck zärtlicher Sorge sein, und doch – wie unpassend klangen die Vorwürfe, welche ebenso gut an ein zehnjähriges Kind gerichtet sein konnten, dem Mädchen gegenüber, das so jungfräulich und so stolz dort stand! … Ueber ein heißes Erröthen, das jäh über ihr weißes Gesicht bis an das mattblinkende Haar hinauflief, hatte sie keine Macht, wohl aber über ihre Lippen, die nicht ein Wort erwiderten. Sie hatte eine eigentümliche Art zu schweigen – das war weder das Verstummen blöder Verlegenheit, noch eines trotzigen Verstocktseins – so mild und ausdrucksvoll schweigt die geistige Ueberlegenheit, die jedes unnütze Wort geflissentlich vermeidet.

Frau von Herbeck nannte das „den gräflich Völdern’schen Dickkopf in ausgeprägtester Form“, eine Auffassung, die sie auch jetzt veranschaulichte durch maliciös zugespitzte Lippen und ein mißbilligendes Kopfschütteln.

Niemand beobachtete den raschen Blick, den der Fremde bei dem besorgten Ausruf der Baronin auf Gisela warf – wer ihn aber gesehen hätte, wie er unter den tiefgefalteten Brauen hervor die hohe, unnahbar stolze Mädchenerscheinung streifte, der würde für jenes junge Wesen gezittert haben, das unbewußt der Gegenstand einer wahrhaft fanatischen Erbitterung war. …

Der Portugiese trat geräuschlos in das Gebüsch zurück und war verschwunden, als die Damen sich wieder nach ihm umwandten.

(Fortsetzung folgt.)


Ein Tag in Düsseldorf.
Von Ferd. Heyl.


Es ist eine erfreuliche Thatsache, daß an den Ufern des „deutschen Stromes“ die bildenden Künste neuerdings eine Pflegstätte gefunden, welche neues Leben, neue Anschauungen in Kreise verpflanzt, die sich bisher in Sachen der Malerei und Sculptur allzu ablehnend verhielten. Am Niederrhein zumal, wenn auch abgeschieden von den idyllischen Schönheiten des vielbereisten Stromes, hat sich eine Pflanzstätte der edlen Malerkunst aufgethan, welche in vollster Wahrheit auf den Namen einer „deutschen Kunstschule“ Anspruch machen darf. Das freundliche Düsseldorf verbreitet in neuerer Zeit seinen Namen durch alle Welt, und mehr als sein Handel, mehr als seine Beziehungen zur rheinischen Schifffahrt, mehr als seine Fabrikate, Düsseldorfer Senfe und Düsseldorfer Punschextracte, mehr als seine Walzwerke und Maschinenfabriken trägt seinen Ruf über Länder und Meere seine Malerakademie, wenn auch die Hauptpfeiler der dortigen Kunstgenossenschaft nicht alle in bestimmter Beziehung zu der Düsseldorfer Kunstanstalt selbst stehen.

Die Gartenlaube gestattet uns wohl, eine Anzahl derjenigen Künstler hier zu registriren, welche den Ruf der Düsseldorfer Schule der Nachwelt bewahren werden. Gehören doch die meisten derselben noch heute dem Leben an, und bildet doch die Gartenlaube eine Chronik unserer Tage auch für spätere Zeiten. Da wären denn zu nennen: E. Sohn, Bendemann, Köhler, Schirmer, E. F. Lessing, Th. Hildebrandt, Rudolph Jordan, Richter, Emanuel Leutze, die beiden Achenbach, Alfred Rethel, E. Deger, Ittenbach, Carl und Andreas Müller, A. Tidemand, Hans Gude, A. Schrödter, E. Hübner, Christian Böttcher, Wilhelm Camphausen, Leu, Scheuren, Preyer, Hasenclever, Becker, Dielmann (jetzt in Frankfurt), Meyer von Bremen (jetzt in Berlin), Eduard Gesellschap, Theodor Mintrop, A. Weber, (die beiden Heß sind zwar geborene Düsseldorfer, zählen aber eigentlich zur Münchener Schule); sodann Wilhelm Sohn, J. Röting, Benjamin Vautier, Hiddemann, Litschauer, Sell, Hoff, Baur, Beckmann, von Gebhard, Carl Lasch, Kindler, Salentin, Bosch, Kessler, Alex. Michaelis, Ad. Schmitz, von Beckerath, Siegert, Deiker, Kröner, Schütz und noch viele Andere, welche sämmtlich aufzuführen unser Raum nicht gestattet. Bei einer so großen Anzahl tüchtiger Künstler scheint der Ruf Düsseldorfs als Malerschule für alle Zeiten verbürgt.

Auch unter dem jüngeren Nachwuchs wären gar manche Talente der besonderen Erwähnung werth; wir haben in unserer Zusammenstellung derselben so wenig gedacht, wie des gegenwärtig ebenfalls nach Düsseldorf übergesiedelten Ludwig Knaus, des Schöpfers der „Taufe“, der „goldnen Hochzeit“ und vieler anderer Meisterwerke, dessen Wesen und Kunstschöpfungen ihn der Düsseldorfer Schule, der deutschen Malerei so innig zugesellen, wie irgend einen der Genannten. Ihm gelte für heute unser „Tag in Düsseldorf“, indem wir uns vorbehalten, der Gartenlaube gelegentlich weitere Portraits aus der „Düsseldorfer Kunstgenossenschaft“ zu liefern.

Ein trüber Tag war es, der uns zu dem raschen Entschluß

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_180.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2021)