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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)


die wenigsten Farben vertragen ein Uebereinandersetzen, so daß die Methode des Unter- und Uebermalens, wie in Oel, nicht immer anwendbar ist. Jede Farbe wird daher in der Regel besonders eingebrannt.

Gewöhnlich kommt das Gold zuletzt; es geht aus dem Feuer noch ganz matt hervor. Um ihm Glanz zu geben, wird es mit Achat polirt. Das vom Geheimen Bergrath Kühn erfundene Glanzgold kommt glänzend aus der Muffel, bedarf keiner Politur und würde dieselbe wegen der großen Dünnheit auch nicht vertragen. Daß das Einbrennen der Malerei nicht ganz ohne Gefahr für das Geschirr selbst ist, hat auch die Meißner Porcellanmanufactur, namentlich bei großen Gegenständen, erfahren müssen. Es kann daher auch nicht Wunder nehmen, wenn diese Fabrikate nur für die Geldbeutel der Reichen zugänglich sind.

So wird denn in unterbrochener Reihenfolge gemahlen und geschlemmt, geformt und gedreht, gemalt und polirt, so daß es eine Lust ist, im Verkaufslager das vollendete Ganze wiederzufinden. Die vielen Fremden, welche die Porcellanmanufactur besuchen und unter Leitung sprach- und fachkundiger Männer die Räume durchwandern, sind erstaunt, daß Alle ohne ersichtliche Aufsicht und Controle in der größten Ruhe und Ordnung sich in die Hände arbeiten und dabei auch in den Räumen, wo geschlemmt und gebrannt wird, die größte Reinlichkeit herrscht. Die Bildung, die sich von oben nach unten fortpflanzt, die Sittlichkeit in Fabrik und Familie, der Corpsgeist, sind die unsichtbare Macht, welche der Oberleitung ihr Amt erleichtert. An der Spitze der Anstalt steht ein Director, und jede Branche für Gestaltung, Malerei, Technik und Handel hat ihren Vorsteher, Inspector oder Oberfactor. Die Vorsteher der Gestaltungs- und Malereibranche vertheilen die Arbeit, geben zu deren Ausführung die nöthige Anleitung und führen die Aufsicht. Sie überwachen auch die Festhaltung der Arbeitstaxen. Alle vorhandenen Formen und Gemäldevorlagen für die Copien sind mit Nummern bezeichnet, die zugleich den Preis für die Arbeit enthalten. Werden neue Formen oder Vorlagen nöthig, so schätzt eine besondere Schätzungsdeputation aus Mitgliedern der betreffenden Branche die Vergütung unter Aufsicht der Vorsteher ab, und das Resultat der Verhandlungen enthält den Preis der Arbeit. Die wenigen Differenzen, die dabei vorkommen, werden gewöhnlich zur allgemeinen Zufriedenheit ausgeglichen und nur in den seltensten Fällen wird die Entscheidung der Vorgesetzten nöthig. So hat Jeder ein seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessenes Einkommen: die Mitglieder der Gestaltungs- und Malereibranche, die gebildeten Künstler, bis herab zu den Tellerdrehern, Ringlern, Staffirern etc. Ein Wechsel in dem Personal findet fast gar nicht statt, ein Jeder, namentlich unter den akademisch gebildeten Mitgliedern der Gestaltungs- und Malereibranche, ist von früher Jugend mit der Anstalt verbunden, was vorzüglich durch die Malerschule, die, schon im vorigen Jahrhundert gegründet, ihre talentvollen Zöglinge der Kunstakademie in Dresden zur künstlerischen Ausbildung vorbereitet, erklärlich ist. Fünfzigjährige Dienstjubiläen sind keine große Seltenheit! Beweis genug, daß das Brod der Porcellanmanufactur nicht in Thränen gegessen wird.

Die Frage, ob Staatsinstitut, ob Privatanstalt, beschäftigt uns hier weiter nicht – wir erwähnen indeß, daß die Manufactur im letzten Jahre mehr als 50,000 Thaler Reinertrag an den Staat abgeliefert hat – mehr noch die Frage: Ist die Meißener Porcellanmanufactur Kunstanstalt? Die Erfolge, die auf den Weltausstellungen zu London und Paris seit 1851 erreicht worden sind, lassen die Frage bejahen. Aber die Herren Professoren der Kunstakademie sagen mit Bestimmtheit: Nein! Die Entscheidung läßt sich nicht in der Gartenlaube geben. Die Meißner Anstalt nimmt das Gewerbe in seinen Dienst und bildet es aus der Kunst heraus. Die Formen sind sorgfältig gebildet, die Ornamente von besonderer Vollendung. Die Aufgabe der Zeit ist die Hebung der Kunstgewerbe; hat die Kunst hier Wurzel gefaßt, so wird die Industrie ihren Nutzen daraus ziehen. Güte des Rohmaterials, Sorgfalt der Behandlung, Genauigkeit der Fabrication, Anwendung der neuesten Erfindungen greifen zusammen und werden den Ruf der Anstalt erhalten. Hat die Kunstindustrie seit fünfzig Jahren in der Meißner Porcellanmanufactur festen Fuß gefaßt, so wird sie jetzt, wo ihre Hebung auf dem Banner des Fortschrittes steht, auch die Pflege dieser höhern Geistescultur fort und fort zur Geltung bringen und ein Grundstein für die Zukunft sein.




Pariser Bilder und Geschichten.

In einem Versteigerungshaus.
Von Ludwig Kalisch.

Es giebt in Paris eine Anstalt, wo man vergleichende Kunstgeschichte und Alterthumskunde, Psychologie und Physiognomik studiren und sich mit einem großen Stück Pariser Leben bekannt machen kann. Diese Anstalt ist das Hôtel Drouot, in welchem die öffentlichen Versteigerungen stattfinden. Es wird deshalb auch Hôtel des Ventes (Verkaufshaus) genannt. Es ist ein massives, feuerfestes Gebäude, das seinen Erbauern, den Commissaires Priseurs, fast eine halbe Million gekostet. Solcher Commissaires Priseurs oder Taxatoren giebt es in Paris achtzig. Wie die Wechselagenten bilden auch sie eine geschlossene Körperschaft, ohne deren Vermittelung keine öffentliche Versteigerung gestattet ist. Sie erhalten zehn Procent von der Bruttoeinnahme, und zwar fünf Procent von dem Verkäufer und eben so viel von dem Käufer. Da nun in den öffentlichen Versteigerungen in Paris jährlich über dreißig Millionen Franken umgeschlagen werden und bei der zunehmenden Bevölkerung der Hauptstadt die Zahl der Versteigerungen fortwährend wächst, so wird natürlich die Stelle eines jener Taxtoren stark gesucht. Allein eine solche Stelle ist deshalb schwer zu erlangen, weil sie sehr theuer ist. Es giebt unter den Pariser Commissaires Priseurs gar manche, die ihre Stelle nicht für dreihunderttausend Franken verkaufen würden. Das Geld allein würde indessen auch nicht genügen. Der Bewerber hat sich an den Justizminister zu wenden, und die Ernennung wird von dem Staatsoberhaupt unterzeichnet. Der Candidat muß einen makellosen Namen haben und gewisse Kenntnisse besitzen. Er hat vor einer Commission ein Examen zu bestehen und dann vor der Kammer der Corporation einen Eid zu leisten. Da nun die Zahl der Commissaires Priseurs auf achtzig beschränkt ist, so sind diese Stellen sehr selten und werden gewöhnlich nur durch Todesfälle erledigt.

Die Corporation der Commissaires Priseurs datirt von 1816. Bis dahin wurden die Versteigerungen von den Huissiers (Gerichtsdienern) abgehalten, und da ging es selten ohne Unfug ab. Die Trödler verschworen sich unter und gegen einander; Händel mancher Art entstanden und gar oft wurden die zu versteigernden Gegenstände beschädigt. Jetzt ist der Versteigerer sicher, sein Interesse gewahrt zu sehen.

Das Versteigerungshaus besteht aus einem einzigen Stockwerke und aus einem Hofraum mit anstoßenden Schuppen. In den Sälen zu ebener Erde werden nur die schweren und ordinären Gegenstände versteigert, während im oberen Stockwerke, wo sich zu beiden Seiten eine Reihe mehr oder minder großer Säle hinzieht, prachtvolle Möbel, Bijouterieen und Kunstwerke losgeschlagen werden. Zu ebener Erde finden die Versteigerungen für die niederen Volksclassen statt, während die Kunst- und Luxusgegenstände, die im oberen Stockwerk unter den Hammer kommen, natürlich nur der Börse der Wohlhäbigen und der Millionäre zugänglich sind. Indessen wird das Hôtel Drouot nicht blos von Kauflustigen besucht; ein großer Theil des Publicums, welches sich in demselben hermtuzutreiben pflegt, besteht aus armen und reichen Müßiggängern, aus Leuten, die keine Beschäftigung finden, oder keine zu suchen brauchen.

In jedem Saale thront auf einer Tribüne der Commissaire Priseur mit einem elfenbeinernen Hammer in der Hand. Ihm zur Seite sitzt ein Secretär. In den Sälen, wo Pretiosen und Kunstwerke versteigert werden, befindet sich auch ein Sachverständiger, der den Ansatzpreis bestimmt. Es versteht sich von selbst, daß jeder Saal je nach den Gegenständen, die dort zur Versteigerung kommen, sein eigenes Publicum hat. Die Räume, wo Hausgeräthe versteigert werden, sind am stärksten besucht. Wer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_110.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)