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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

verdrießliches Gesicht – er mochte den Geschäftsgang bei den Wiener Polizeibehörden wohl schon kennen.

„Das wird morgen früh“ – sagte er nach der Uhr blickend – „und ich habe keine halbe Stunde mehr zu verlieren; – es ist vier Uhr vorüber – so eilen Sie wenigstens; Herr Inspector, so schnell wie möglich einen Boten an die Intendanz der Hofoper am Kärnthner Thore zu schicken, und lassen Sie sagen, daß heute Abend die ‚Zauberflöte‘ nicht gegeben werden könne, da Papageno sich in polizeilicher Haft befände.“

Der Inspector machte ein verlegenes Gesicht und stammelte dann: „Wie – Sie sind doch halt nit der –“

Hölzel“ – fiel mein Begleiter ihm in’s Wort – „ganz richtig, der Hofopernsänger Gustav Hölzel; – darum eilen Sie, den Boten abzufertigen, denn der Hof hat Besuch und der Kaiser wird heute selbst in die Oper kommen, und einen zweiten Papageno giebt’s jetzt nicht bei uns –“

„Ja schaun’s“ – sagte der rücksichtsvolle Wiener –, da müssen wir Sie halt schon aus Kunstrücksichten laufen lassen – hat mich sehr gefreut! – hab’ die Ehre! – Er riß mit außerordentlicher Höflichkeit die Mütze ab und complimentirte uns förmlich hinaus. Wir aber suchten lachend die Hietzinger Kneipe auf und erzählten den Vorfall dort unter allgemeiner Heiterkeit. Zur rechten Stunde fuhren wir alsdann nach dem Theater, und nachdem mein neuer Freund mir noch seine Stammkneipe genannt, wo er jeden Abend nach dem Theater und jeden Morgen nach der Probe zu treffen war, reichte er mir zum Abschied die Hand und eilte, sich in sein buntes Vogelgewand zu werfen. Ich aber nahm einen Platz im Parquet ein und wartete des lustigen Vogelsängers diesmal mit besonderer Ungeduld.

Der Hof kam – die Ouverture begann, der Vorhang erhob sich und entschleierte die Welt der Wunder mit ihrem finstern nächtigen Pomp, und mächtig rauschten die Tonwellen des genialen Meisterwerkes, getragen vom gewaltigen herrlichen Vollklang des großen Orchesters der kaiserlichen Hofoper. Ich saß ganz in Verzückung verloren, da weckte mich plötzlich ein dröhnender Beifallssturm aus meinen Betrachtungen. Ich blickte auf und siehe da – er war aufgetreten, der muntere Vogelsänger – der Applaus galt ihm, dem treuherzigen Freunde hungernder Bären und verirrter Reisenden – und kein Wiener wußte es anders, als den beliebten Baß-Buffo in seinen Hauptrollen wie einen alten Freund mit lebhaftem Beifallsgruße zu empfangen. Und er war dieser Liebe werth, als Künstler, der, mit seltenen Stimmmitteln ausgestattet, auch die ganze geistige Tiefe einer Partie zu erfassen wußte, wie als Mensch, welchen Jeder seiner schlichten, wohlwollenden Natur, seines harmlos heitern Wesens und seines redlichen, biedern Charakters wegen liebgewonnen hatte. Man


Charakterköpfe aus dem Schwurgericht.

Von A. A. Oberländer in München.

Nr. 1. 0 Geschworene: die Anklageschrift anhörend und den Angeklagten beobachtend.

Nr. 2. 0 Gerichtspräsident.

Nr. 3. 0 Angeklagter (Raubmord).

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_060.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2020)