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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869)

Alfred Brehm.

oder ein Ballet berühmter Tänzer unter den Vögeln zu besuchen. Der Morgen graut durch den thautriefenden, wasserdichtenden Wald herein und schimmert mit zweifelhaftem Lichte auf den Tanzplatz des balzenden Birkhahns. Die Waidmänner schleichen sich, mit dem Knaben Brehm in der Mitte, heran und harren mit schlagenden Herzen des ersten Tones. Bald dringt auch ein vernehmliches „Töd“ durch die Zweige und ihm folgt mit beschleunigter Geschwindigkeit eine ganze Reihe von Töd-öd-öd-öd’s, welche mit einem schnalzenden „Glack“ abschließen. Niemand rührt sich, und auch der blonde Junge muß mäuschenstill sein, bis der eigentliche Tanz beginnt, wozu sich der verliebte Hahn mit einem schleifenden und wetzenden „Heide-heide-heide-heide-heide-heiderei“ selbst die Musik macht. Das ist der Augenblick, sich auf künstlerische Weise näher heranzuschleichen und das tödtliche Rohr zu richten. Plötzlich knallt es durch die Waldesstille und der Knabe sieht es heute noch als Mann, wie sich die Dampfwolke schwer auf das nasse Gesträuch senkt, als wollte sie den mitten in seinem Lieblingstanze dahingestreckten Tänzer wie mit einem Leichentuche bedecken. Aber der Auerhahn, der höchste Triumph des Waldjägers, wird freudig dem alten Priester Gottes und der Natur für sein unvergleichliches Vogelmuseum übergeben.

Wir können uns nun ungefähr vorstellen, wie der Sohn des alten Brehm heranwuchs. Doch war er freilich auch manchmal zu Hause und in der Schule und saß Abends oft mit seinen Geschwistern still und lauschend in dem Studirzimmer des Vaters, und sie sahen zu, wie er „stopfte“, während die Mutter sehr dramatisch Erlebnisse erzählte oder aus Goethe und Schiller vorlas. Ihr dramatisches Talent war sehr bedeutend und ist ziemlich ungeschwächt auf den Sohn und dessen Bruder Reinhold, den Doctor in Madrid, übergegangen. Mit einer von den Gebrüdern gemeinsam verfaßten Posse, benannt „Die beiden Zimmerleute“, die beide Meier heißen, beide aus Ruhla und beide verheirathet sind (die ganze Handlung des spannenden Stücks), haben sie manchen Thüringer Philister und Bauer in Lachkrämpfen unter den Tisch gebracht. Er hätte einen vortrefflichen Schauspieler gegeben und auch als Sänger seinen Mann gestellt. Doch sein Beruf waren nicht die Breter, welche die Welt nur bedeuten, sondern die vieltausendgestaltig belebte Erde selbst. Schon im achtzehnten Jahre überraschte den Jüngling das seltene Glück, von einem begeisterten Natur- und Geschichtsfreunde (Baron von Müller) die Mittel zu seiner ersten Reise in die weite Welt zu erhalten; so zog er denn mit einem älteren Bruder den geheimnißvollen Nil bis zum zwölften Grade hinauf und sah all die Wunder Gottes in Berg und Thal, Strom, Feld, Wald und Wüste. Wir sehen es noch heute in seinen dreibändigen „Reiseskizzen aus Nordost-Afrika (Aegypten, Nubien, Sennaar, Rosseres und Kordofan)“, wie er zwischen Pyramiden, Sphinxen, Mumien, Tänzerinnen, Krokodilen, Kranichen heiligen Ibis, Straußen, Marabus, Pharao-Ratten, Geiern, Scorpionen, Affen, wunderbaren Vogelherbergen durch „dicke Urwälder und hoch auf dem Rücken des Wüstenschiffes“ über unabsehbare Steppen und Einöden dahinforscht und mit allerhand schwarzen und braunen Völkern, Racen und Menschen in fabelhaften Dörfern und Städten unter brennender, stechender Sonne oder dem goldbesternten nächtlichen Himmel Allah’s Brüderschaft trinkt, ißt und nicht selten auch hungert und dürstet oder mit bösartigen Bestien in Menschengestalt auf Leben und Tod kämpfen muß. Wir sehen ihn in fünfziggradiger Samumhitze auf dem Kameelrücken in Wolle gehüllt und vom Fieber geschüttelt, hülflos darnieder

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_021.jpg&oldid=- (Version vom 8.8.2016)