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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

erreicht werden, daß derselbe nicht blos mir, während meiner Wirksamkeit, sondern nach meinem Abtreten dauernd auch anderen Männern, deren Kräfte nach irgend einer Richtung für die gemeine Sache in Anspruch genommen werden, zu Statten kommt.

Denn ich äußerte es schon gegen die Deputation, das dürfen wir uns nicht verhehlen, daß uns Allen der ganzen liberalen Partei, höchlich daran gelegen sein muß, daß diese Angelegenheit in einer für Geber wie Empfänger gleich würdigen Weise geordnet werde. Es ist ein Vorgang, ein Beispiel von weitgreifender Bedeutung. Wie die Gabe im großen, freien Sinne geboten wurde, so muß sie auch im gleichen Sinne angenommen werden. Sie legen Werth auf meine Wirksamkeit, Sie wollen auch darin erhalten, darin fördern, nicht hemmen. Da haben wir vor Allem darauf zu achten, daß diese meine Wirksamkeit in ihren inneren sittlichen Bedingungen, wie in ihren äußeren Erfolgen nicht erschüttert werde. Zu diesen inneren und äußeren Bedingungen meiner Wirksamkeit, zur Erhaltung der echten Freudigkeit am eigenen Thun, sowie der allein wirksamen Stellung in socialer wie in politischer Hinsicht gehört aber vor Allem:

daß ich rücksichtlich der Hauptquellen meiner äußeren Existenz auf mich selbst angewiesen bleibe!

Wer dem Volke die Selbstverantwortung für die eigene Existenz, das Stehen auf der eigenen Kraft als Grundbedingung wirthschaftlicher Selbstständigkeit und bürgerlicher Freiheit predigt, der hat diese Principien zunächst im eigenen Leben darzustellen. Eben dem Umstande, daß ich, aus Amt und Einkommen gedrängt, meinen Weg unbeirrt wandelte, und mir eine neue Existenz aus eigener Kraft in strenger Arbeit gründete, verdanke ich zum großen Theile, daß man mir von allen Seiten mit dem Vertrauen entgegenkam, welches die wesentliche Bedingung jeder gedeihlichen öffentlichen Wirksamkeit ist. Wer ernste, oft schwere Forderungen an die Menschen zu stellen genöthigt ist, von denen ihr Emporkommen abhängt, der soll diesen Maßstab auch an sich selbst legen. Den meisten Anklang, namentlich bei unseren Arbeitern, wird naturgemäß immer der finden, der seinen Unterhalt, gleich ihnen, aus seiner Arbeit zieht und in einer so wichtigen Beziehung mit ihnen auf gemeinsamem Boden steht. Diese meiner Lebensgewöhnung und Lebenshaltung entsprechende, mir lieb gewordene Stellung, – ich darf wohl sagen, die Frucht nachhaltiger Anstrengung, die mich deshalb mit einigem Selbstgefühl erfüllt, – ist mit allen Wurzeln meines Seins und Thuns innig verwachsen. Daher mag ich wohl eine Steigerung der mir zu gewährenden Gegenleistung für meine Thätigkeit auf angemessene Höhe, sowie die Gewährung der Mittel zur Besoldung von Gehülfen annehmen, weil dies das Princip dieser Thätigkeit selbst nicht alterirt, nicht aber die Schenkung eines ganzen Vermögens, welches auf die Zukunft hin mich der Selbstsorge für mich und die Meinigen überhöbe und es gleichgültig machte, ob und wie viel ich ferner auf dem erwähnten Felde arbeitete. Denn dadurch würde meine angedeutete Stellung in ihrem Grunde verschoben und mir diejenige Freude am eigenen Thun verkümmert, welche für Jeden daraus entspringt, daß es ihm nicht nur innere Befriedigung, sondern auch die Mittel zum Leben gewährt.

Und dieser Grundforderung meinerseits wie allen sonstigen Rücksichten kann leicht und im vollsten Maße genügt werden. Wird selbst ein unerheblicher Theil der Gabe zum Erwerb einer bescheidenen Häuslichkeit für mich verwendet – ein Punkt, in welchem ich dem wiederholten Dringen der deutschen Genossenschaften nachgegeben habe –, so sind doch die Zinsen des dann noch verbleibenden eigentlichen Stammcapitals mehr als ausreichend für mich, die nöthigen Hülfsarbeiter anständig zu besolden, den Bureauaufwand zu decken, die Kosten von Reisen zu bestreiten und nach Befinden selbst einen Ueberschuß zum Honorar noch zu gewähren. Daher muß das Capital unangetastet erhalten, in Form einer bleibenden Stiftung der Einzelverfügung entzogen und der Verwaltung eines Comités, dessen Mitglieder ich mir zu ernennen vorbehalte, unterstellt werden, mit der Bestimmung:

1) daß mir, so lange ich lebe, eine Stimme in diesem Comité zusteht;

2) daß die Zinsen nach meinem Rücktritt zur Besoldung solcher Männer verwendet werden, deren Wirken und Thatkraft man in der öffentlichen Sache zum Besten des gesammten deutschen Vaterlandes in nationaler, politischer und socialer Hinsicht in Anspruch nimmt;

worüber das Comité allein entscheidet.[1]

Und diese Verfügung kann ich, wie vor mir selbst, so auch vor Ihnen verantworten. Ich gebe Ihnen die freudige Versicherung, daß ich durch Uebertragung der Hülfsleistungs-, Bureau-, Reisekosten und dergl. aus dem Zinsertrage des Fonds, in Folge deren mir das sonstige Einkommen aus meinen Arbeiten zur Deckung der eigenen Bedürfnisse völlig freibleibt, nicht nur ein reichliches Auskommen, sondern so viel besitze, daß ich für die Zukunft meiner Familie zu sorgen im Stande bin. Sie sehen also, Ihr Zweck wird durch Ihre Gabe, in der Form, wie ich sie annehme, vollständig erreicht, sie kommt mir gar sehr zu Statten. Darin aber liegt gewiß keine für Sie kränkende Ablehnung, wenn ich so damit haushalte, daß dieselbe nach mir auch noch Andern in gleicher Lage zu Statten kommt. Haben Sie doch auf diese Weise, anstatt blos einen einzigen Mann zu stützen, etwas Bleibendes geschaffen zum Wohle de gesammten Vaterlandes, den Grund zu einem Fond gelegt, aus dem die Nation Arbeiter lohnt in der gemeinen Sache. So erhebt sich Ihr Unternehmen zu einer nationalen That, und der Empfänger solchen Soldes fühlt sich nicht, wie beim Empfange einer Wohlthat, herabgedrückt, sondern gehoben, im Dienste der Nation, welche seine Arbeit verlangt und honorirt.

Und wie Ihnen verdiente Ehre, dem Vaterlande eine gute Frucht, wird mir so noch zu alledem die höchste Freude. Ich wüßte nicht, was Sie mir Lieberes hätten erzeigen können, als es möglich machen, daß ich auch an meinem Theile zu einer solchen Schöpfung mit beitragen kann. Durch nichts konnten Sie mich so stärken und erfrischen in der mir nun doppelt lieben Thätigkeit, welche durch die Anerkennung so vieler Ehrenmänner aus allen Schichten des Volks eine neue Weihe erhalten hat. Gewinne ich doch die Gewißheit, daß zur Fortführung und Sicherung so manches Begonnenen ein wichtiger Schritt gethan, daß für die Arbeiter gesorgt ist, welche künftig an unserer Stelle einzutreten haben.

So liegt denn, das, hoffe ich, werden Sie nach dieser offenen Darlegung mit mir fühlen, in meiner Verfügung über Ihre Gabe der beste Dank, den ich Ihnen überhaupt dafür zollen konnte. Seien Sie versichert, ich weiß das lebhafte wiederholte Andringen von Ihrer Seite, das ganze Capital für mich und die Meinen zum freien Eigenthum zu behalten, nach seinem vollen Werthe zu schätzen. Aber wenn es Ihnen ziemte, zu geben auf Ihre Weise, frei und unbedingt, so ziemte es mir, zu nehmen nach der meinen, d. h. bedingt, weil ich nur so die innere Freiheit, den wahren Boden meiner Wirksamkeit zu bewahren im Stande war, ohne welchen ich in dieser Wirksamkeit, die doch einzig das Motiv Ihrer Gabe bildet, gelähmt worden wäre.

Darauf Ihnen Allen, denen ich nicht persönlich danken kann, aus der Ferne Gruß und Handschlag!

Potsdam den 5. October 1863.

Schulze-Delitzsch.


Blätter und Blüthen.

Verheirathete Bäume. Es ist das wohl eine merkwürdige Ueberschrift, entspricht aber vollkommen der Sache und der Leser würde die Bezeichnung durchaus gerechtfertigt finden, wenn er selber im Stande gewesen wäre jene wunderlichen Baumgruppirungen zu beobachten, die ich auf meiner letzten Reise in Venezuela in der Nähe des Apure und in den Llanos fand. Die Vegetation in den Llanos, nördlich vom Apure und zwischen Caracas und diesem ganz tüchtigen Strom, besteht hauptsächlich – und nur solche Strecken abgerechnet, wo der kleine verkrüppelte Chaparro mit seinen rauhen, aber hellgrünen harten Blättern in den Vordergrund tritt – aus einer Palmenart, die dort palma sombrero oder Hutpalme genannt wird und fächerartige Blätter trägt. Von diesen fächerartigen Palmen giebt es überhaupt drei verschiedene Hauptarten, von welchen jede ihren besonderen District zu haben scheint. Die vorgenannte ist die kleinste, und wächst überall in den trockenen Llanos – wenn sie sich auch dort die tiefsten, also feuchtesten Stellen sucht. Um Bolivar oder Angostura, herum kommt die größer und eleganter geformte Morichepalme vor, und südöstlich von dort, in den dichten Wäldern des Innern und in der Nähe der jetzt dort entdeckten Goldminen steht die hochstämmige und prächtige Caratapalme. Alle diese aber tragen die fächerartigen Blätter, nur in etwas verschiedener Form, und alle werden zum Decken der Hütten benutzt, da sie, fest ineinandergreifend und mit ihren rinnenartigen Falten, selbst den strömenden Regengüssen der Tropen Trotz bieten.

Alle diese Palmenarten findet man theils zerstreut, in einzelnen Exemplaren, was besonders in der Ebene eigenthümlich aussieht, theils auch in kleinen und oft dichten Wäldern zusammengedrängt, mit selten einem Laubholzbaum dazwischen. Ist die Panne noch jung, so hat sie einen kurzen, etwas ruppig aussehenden Stamm da die herumstehenden Blätter abfallen, aber ein etwa fußlanges Stück vom Stiel, das eine bräunliche Färbung annimmt, zurücklassen. Der Wipfel ist dabei nicht groß und ziemlich rund, der Stamm fest und gerade emporstehend, und ohne die zierliche Biegung der Cocospalme, auch holzig und ohne jenes den Palmen sonst eigene leichte Mark. Wird der Baum älter und höher, so nimmt der Stamm nicht an Dicke zu, sondern steigt nur empor: die Patine selber wird dadurch schlanker und verliert ihr früher etwas plumpes Aussehen. Jetzt fallen auch die alten braunen Blattstiele ab, sie bekommt eine ziemlich glatte und silbergraue Rinde und verschönt sich merklich.

Auf dem ganzen Marsch nun, von da, wo ich unterhalb San Juan del Morro, einer höchst merkwürdigen Felsenpartie mit einem durch ein Erdbeben auseinandergerissenen Gebirge, die Llanos zum ersten Mal betrat, und weit noch über die Steppenstadt Calabozo hinaus, bis ziemlich in der Nähe des am Tortuga liegenden Städtchens Camahuan, fand ich nichts außerordentliches in diesen Palmen. Sie standen einzeln oder in Gruppen, bald junger, üppiger Nachwuchs, bald ihre schlanken grauen Stämme in der Brise schaukelnd, und wenn sie mir auf meinem heißen und sonngebrannten Ritt auch keinen Schatten gewährten, freute sich doch das Auge an der zierlichen Form derselben. Noch anderthalb Tagereisen vom Apure entfernt erreichte ich mit meinem Führer, einem einarmigen Mestizen, den trockensten District dieser ganzen Gegend. Sogar die Hütten, die wir, in weiten Zwischenräumen, unterwegs antrafen, waren verlassen und standen öde und leer, und wenn wir an solchen Plätzen nach einem Brunnen suchten – denn die Revolution hatte ebenfalls viel dazu beigetragen das Land zu entvölkern – so trafen wir wohl den Brunnen selber, aber ohne einen Tropfen Wasser, ja selbst ohne die geringste Feuchtigkeit. Die Vegetation sah dabei verkümmert genug aus; war doch die trockene Jahreszeit diesmal sehr früh eingetreten und noch kein erfrischender Schauer in der ganzen Zeit gefallen, um den gedörrten und auseinander gerissenen Boden nur in etwas zu erfrischen. Selbst die Blätter der Palmen, die schon angefangen hatten eine kleine schwarze Frucht zu reifen, nahmen ein bräunliches Ansehen an.

Hier aber traten einzelne Bäume mit hellgrünem Laub auf, die ich

  1. Der Fond ist bereits einem interimistischen Comité bis zur definitiven Ordnung der Angelegenheit überwiesen.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 767. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_767.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)