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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

wollen. Geht in den Wald und seht ihn, ihr Alle, die ihr bewußt und unbewußt die Fabeln nacherzählt, die dem Urbild aller Strolche und Diebe von den Nimroden, diesen schlechtesten Beobachtern des Thierlebens, auf Rechnung geschrieben werden; schaut ihn, den Fuchs, wenn er im geschonten Rocke der im Kampfe um’s sorgenvolle Dasein mager gewordenen Füchsin auf einem seiner Schleich- und Bummelgänge von ungefähr begegnet: – theilnahmlos „trollt“ der treulose Wicht vorüber, der im Vorfrühling um sie als echter Raufbold so manchen Strauß bestanden. Ja, sehen könnt ihr vielleicht obendrein, wie er der Begegnenden Spur folgt, nicht aus Aushänglichkeit oder auch nur aus Geselligkeitstrieb, nein, lediglich um des lieben Diebsgelüstes halber, sobald die Mutter etwa mit Beute beladen dem Geheck zueilt. Der niederträchtigste Zug eines Thiercharakters spricht aus dieser selbstsüchtigen Absicht. – Nur selten gesellt sich unser Fuchs zu Seinesgleichen; es sei denn des Fraßes auf Schindangern halber, oder in der Noth strenger Winter bisweilen in der Absicht, gemeinschaftlich zu jagen. Aber diese losen Verbrüderungen dauern nicht länger als der Zweck, der sie hervorgerufen; oft lös’t sie schon hier der Streit um eine gemeinschaftlich erfaßte Beute, dort die von Hunger gesteigerte Freßgier und der stets wache Diebssinn.

Ein Grundzug des alten Fuchses ist Bedachtsamkeit auf seine Sicherheit und in der Entfaltung dieser Eigenthümlichkeit bewährt sich Reinecke glänzend als ein Wesen mit erfinderischer Seelenthätigkeit. Man findet den in der Schule der Erfahrung Gewiegten selten auf dem breiten augenfälligen Paß der „gangbaren“ (besuchten) Baue, worin sich die ungewitzigte Fuchsjugend an stürmischwüsten Novembertagen oder beim ersten Schnee oft bis zu drei oder vier zu ihrem Schaden dem Jäger verräth.

Des alten Reinecke Wandel ist verschieden von dem alltäglicher Sünder, fern von der breiten Straße des Gewöhnlichen. Sein Weg ist schmal und verdeckt und die Pforte zu seinem auserkorenen Lager enge, verborgen, gleich dem bekannten Pfade, auf dem der tugendhafte menschliche Dulder pilgert, gleichsam, als hätte in dieser Uebereinstimmung der Zufall für den Gauner im Thierreiche auch noch mit gleißnerischem Scheine wirken wollen. Hier ist es die enge Spalte der hohlen Eiche, durch die er sich zum Lager zwängt, das nicht immer am Boden, sondern auch bisweilen über Mannshöhe in der Höhlung gewählt wird; dort im Dunkel einer Dickung läßt ihn sein Bestreben nach Sicherheit den Hebel ansetzen zur sauren, gefürchteten Arbeit, zur Anfertigung eines „Nothbaues“ (kleinen Schlupfwinkels); hier steckt er sich, echt berechnend, mitten unter der geräuschvollen Arbeit des Landmannes in die dichte Dornhecke eines Raines im Felde, einen wahren Gang in’s Gestrüppe zum Lager bildend; dort endlich, in seinen gewöhnlichen Schlupfwinkeln auf und unter der Erde beunruhigt durch Hunde und Treiber, erhebt er sich gleichsam über sein eigenes Naturell und erwählt sich den Strunk oder schiefen Stamm eines Waldbaumes zum luftigen Lager, auf dem er mit erfahrungsmäßiger Sicherheit oft erstaunlich fest schläft und, ähnlich wie in alten Steinbauten, Jagd und Hunde an sich vorüber ziehen läßt. Kein Wunder, wenn bei solcher geschmeidigen, den verschiedensten Verhältnissen sich anbequemenden Natur, bei solcher erfinderischen Vielseitigkeit unser Reinecke den großen Kampf aufnehmen und bestehen kann, den er fortwährend kämpft mit der Menschheit und kraft dessen er sich den Grad der Meisterschaft viel glänzender erworben, als mancher zweifelhafte Forscher mit dem traurigen Bemühen, das Thier zu einer bloßen Maschine herabzudrücken.





Schulze-Delitzsch und seine Stiftung.

Seit einiger Zeit haben die Gegner des Gründers der deutschen Genossenschaften öffentlich die Beschuldigung ausgesprochen, daß Schulze-Delitzsch von der „Bourgeoisie“ mit einem Capitale von 45,000 Thalern geworben worden sei, um ihre Interessen wahrzunehmen und zu vertheidigen. Diese Anklage des hochverehrten Volksmannes ist nichts weiter als eine wissentliche Lüge, wie der einfache Thatbestand hinlänglich beweist. Bekanntlich traten im Jahre 1863 eine Anzahl wackerer Männer aus allen Ständen zusammen, um Schulze-Delitzsch, der nicht nur seine Zeit, sondern auch einen großen Theil seines eigenen Vermögens dem Wohle des Volkes geopfert hatte, für die Zukunft die Mittel zu sichern, um mit ungeschwächter Kraft und frei von Sorgen seinem verdienstvollen Werke sich widmen zu können. An dieser Sammlung betheiligten sich damals alle Volksclassen ohne Ausnahme, nicht nur die sogenannte Bourgeoisie, sondern vor Allen dreißigtausend Mitglieder der deutschen Genossenschaften, meist aus dem Handwerker- und Arbeiterstande. Trotz der dringenden Vorstellungen und Bitten seiner Freunde und Gesinnungsgenossen ließ sich Schulze nicht bewegen, den reichen Ertrag dieser Sammlung als sein Eigenthum anzunehmen, sondern er begründete mit demselben eine Stiftung „zur Besoldung solcher Männer, deren Wirken und Thatkraft man in der öffentlichen Sache zum Besten des gesammten deutschen Vaterlandes in nationaler, politischer und socialer Hinsicht in Anspruch nimmt.“ Erst auf das wiederholte Drängen der Geber, besonders der Genossenschaften, ließ er sich bewegen, den kleinsten Theil der Sammlung zum Ankauf eines Hauses und Gartens zu verwenden in Erwägung, daß ihm zweimal, im Herbst 1863 und Sommer 1864, bereits abgeschlossene Mietsverträge durch Einwirkung der Reaction in Potsdam rückgängig gemacht worden waren. Schulze hatte zu diesem Zwecke 11,500 Thaler angenommen, da aber der Ausbau des Hauses erhebliche Kosten machte, fernere 6000 Thaler verbraucht, die er jedoch von freien Stücken an die Stiftung zurückgezahlt, als er durch Erbschaft des väterlichen Vermögens dazu in den Stand gesetzt worden war, so daß gegenwärtig der sogenannte Schulze-Delitzsch-Fonds sechsunddreißigtausend Thaler beträgt. Dies ist der wahre Sachverhalt, welcher noch durch die wenige Tage nach der Schenkung erlassene „Erklärung und Dank“ von Schulze-Delitzsch bestätigt wird. Das wichtige Actenstück, welches hier zum ersten Mal abgedruckt und der verdienten Öffentlichkeit übergeben wird, enthält folgende Motive seiner eben so edlen als ehrenwerthen Handlungsweise:

Von Freunden und Gesinnungsgenossen, von Mitstrebenden auf politischem und socialem Felde, Männern aus allen Classen des Volks und aus ganz Deutschland, insbesondere auch von Genossenschaften und Vereinen ist ein bedeutendes Capital zusammengebracht und mir gestern als Eigenthum zu freier Verfügung durch eine Deputation, nebst mehreren Ehrengaben der sinnigsten und schönsten Art, überwiesen.

Ich habe mich im Drange und in der Bewegung des Augenblicks vor den Mitgliedern der Deputation über Annahme dieser Gabe wie über die Art ihrer Verwendung meinerseits nur sehr kurz und andeutungsweise aussprechen können. Indem ich hierdurch nun offen und herzlich meinen Dank abstatte, fühle ich mich gedrungen, das bei der Ueberreichung Gesagte der Gesammtheit der Geber, wie den Einzelnen gegenüber theils zu wiederholen, theils zu ergänzen und mich überhaupt bestimmt über Alles zu erklären. Es ist meines Wissens das erste Mal in Deutschland, wenigstens innerhalb der liberalen Partei, daß man, um die Thätigkeit eines Mannes für die gemeine Sache zu erhalten, ihm die Mittel zu seinem Lebensunterhalt bietet. Desto ernster und größer ist aber ebendeßhalb die Verpflichtung, welche damit an mich herantritt.

Was den Charakter der Gabe anlangt, so weiß ich und sprach es schon gegen die Deputation aus: daß von einem sogenannten Nationaldanke nicht im Entfernten die Rede ist. Ich sehe hierbei von dem in jeder Hinsicht Mißlichen eines Wägens und Vergleichens der eigenen Leistungen mit denen Anderer ganz ab, und enthalte mich aller in solchen Fällen vorkommenden Bescheidenheitsphrasen. Aber das steht fest: es würde ein hoher Grad von Geckenhaftigkeit dazu gehören, wollte ich eine Auszeichnung vor einer Schaar trefflicher Männer darin erblicken, in deren Reihen auch nur mitzuzählen schon die höchste Ehre ist. Nein, „Leistung und Gegenleistung“, das ist Ihre Losung bei dieser Gabe. Weil der Zweig der Thätigkeit, dem ich mich speciell im Interesse des Gemeinwohls gewidmet habe, meine Zeit und Kraft so vollständig in Anspruch nimmt, daß ich wenig für mich und meine Familie übrig behalte, während ich es doch jeden Augenblick in der Gewalt habe, mir ein reiches Einkommen aus eigener Kraft zu schaffen, und schon verschiedene dahin zielende Anerbietungen von mir zurückgewiesen sind: deßhalb wollen Sie die Differenz ausgleichen, damit ich im Stande bleibe, mich dem erwählten Berufe nach wie vor zu widmen und manches Begonnene weiter zum Ziele zu führen.

Und weil dies die einfache Wahrheit ist, so nehme ich das Dargebotene an, mit dem selbstverständlichen Vorbehalt der Verfügung darüber nach meinem eigensten Sinne und Geiste. – Ich werde daraus, den Absichten der Geber gemäß, mir Erleichterung und die mit wachsender Arbeit in immer größerem Maße nöthig werdende Hülfe schaffen, mich von manchen Sorgen für meine und der Meinigen Zukunft befreien, mir eine feste Häuslichkeit gründen. Ich darf hoffen, dadurch meine wankende Gesundheit zu befestigen, mich länger und frischer in meiner Thätigkeit zu erhalten, auch mehr als bisher durch Reisen in den verschiedenen Theilen Deutschlands für meine Bestrebungen wirken zu können. – Aber Alles dies kann und wird durch den zusammengebrachten Fonds in einer Weise

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 766. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_766.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2021)