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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Werke, bewahrt seine gesammelten Prachtstücke in großen umgestülpten Glasglocken, deren Deckel angeschliffen werden und so hermetisch schließen. Er selbst erläuterte uns bereitwillig seine Sammlungen, der Hauptsache nach aus den nachbenannten Mineralien bestehend. Das prachtvolle, völlig durchsichtige Salzkrystalle in beträchtlicher Größe die Sammlung schmücken, versteht sich von selbst; Stücke in blauen und rothen Farben als Seltenheiten finden sich in allen Schattirungen.

Die prachtvollsten Stücke bildet der Carnallit (dem Bergdirector Carnall zu Ehren) aus der oberen Region der Lager; rein, wasserklar, findet er sich noch in milchweißen Varietäten (sehr selten) und schön roth gefärbt durch Schüppchen von Eisenrahm oder Eisenglimmer; ein wahres Prachtstück im viereckigen Glaskasten zeigt in der Mitte die schön rothen Farben und die weißen nach außen oder auch als Adern im rothen Material, so daß das Ganze wie ein aufgeschnittener, schön marmorirter und gut durchräucherter Schinken sich präsentirt; das Mineral besteht aus Chlorkalium, Chlormagnesium und Wasser.

Kieserit (zu Ehren des Geheimen Hofraths Kieser), weißlichgrau und bald an der Luft sich trübend, bildet den Hauptbestand der zweiten Abtheilung; er besteht aus schwefelsaurer Magnesia und Wasser. Polyhalit (aus dem Griechischen: viel und Salz), hellgrau, matt, findet sich in der unteren Abtheilung schon im Steinsalz in ähnlichen Schnüren, wie die Jahresringe aus Anhydrit und besteht aus schwefelsaurem Kalk (Gyps), schwefelsaurer Bittererde, schwefelsaurem Kali und Wasser. Zwischen diesen, mehr als Einschließungen, finden sich: Sylvin (dem alten Sylvius zu Ehren), bestehend aus reinem Chlorkalium, weiß, selten röthlich, noch seltener blau (neuerdings wird auch in Kalucz in Oesterreich reiner Sylvin gefördert); dann matt gelblicher Boracit, sehr werthvoll, bestehend aus borsaurer Magnesia und Chlormagnesium in von anderen Fundorten etwas abweichender Zusammensetzung, daher auch als Staßfurtit unterschieden, wird zu Borax verarbeitet und findet sich in faustgroßen Stücken, im Salz eingefügt; Tachhydrit (griechisch: aus schnell und Wasser), das zerfließlichste Mineral, bestehend aus Chlorcalcium, Chlormagnesium und Wasser, goldgelb von Farbe, und endlich der für die Landwirthschaft so wichtige Kainit, 1865 in Anhalt vom dortigen Bergmeister gefunden, bestehend aus schwefelsaurem Kali, schwefelsaurer Magnesia, Chlormagnesium und Wasser; neuerdings wird er auch im preußischen Schachte und zwar in gelblichen Krystallen gefunden. Der Kainit wurde zuerst der Fabrik des Herrn Douglas überlassen, und hat jetzt, zu Dünger verarbeitet, als sogenanntes Doppelsalz oder schwefelsaure Kali-Magnesia die weiteste Verbreitung gefunden. Für die Industrie ist das Chlorkalium der wichtigste Artikel; aus demselben werden auch die sogenannten concentrirten Salze für die Düngung präparirt; eine andere Art Dünger sind die schwefelsauren Kalisalze; die rohe schwefelsaure Kali-Magnesia und die rohen Abraumsalze kommen als solche ebenfalls zur Düngung in den Handel. Im Jahre 1867 wurden in Anhalt 1,600,000 Centner Rohkalisalze und 160,000 Centner Kainit gefördert, während die Steinsalzförderung auf den Bedarf im Lande, 26,000 Centner, beschränkt bleibt.

Nach der Besichtigung der schönen Sammlung, die ein vollständiges Bild der Zusammensetzung der so wichtigen Lager giebt, führte der Herr Bergmeister selbst uns in die Mahlmühlen, in welchen die rohen Salzstücke zu feinem Pulver gemahlen werden; aus dem Steinsalz wird mit Zusatz von Ocker Viehsalz gemacht, letzteres auch zu Lecksteinen geformt. Die Einfahrt in den Schacht wird als nicht ganz gefahrlos geschildert, weshalb Fremde besser im preußischen Schachte in die Tiefe fahren. Auch hier trafen wir Alles schon bestens vorbereitet und wurden von den Herren Bergbeamten sofort an die Garderobe gewiesen, wo bergmännische Kleidung für Herren und Damen in Bereitschaft ist. Die Einfahrt ist nämlich hier so gefahrlos, daß sie auch von Damen gewagt werden kann. Da jedesmal nur drei von uns mit einem Bergmann einfahren sollten, so brauchten wir geraume Zeit, während welcher Jeder Gelegenheit hatte, sich mit den Einrichtungen des Fahrschachtes und den zur Beförderung der Personen und Lasten erforderlichen Maschinen bekannt zu machen.

Auch hier wurde uns jede Auskunft und Unterweisung mit größter Zuvorkommenheit gegeben. Der Schacht mündet in einer großen hohen Halle und ist an der Ausmündung mit einem Verschlag umgeben; an diesem hält ein Steiger Wache und läßt durch besondere Thüren ein und aus. Die Fahrkörbe sind viereckig, mit hoher, geschlossener Brüstung umgeben und mit starkem Schutzdach versehen, so daß kein Unfall geschehen kann. Der Schacht selbst ist 600 Fuß tief von oben ausgezimmert. Die beiden Fahrkörbe, der auf- und der absteigende, werden durch eine zwölfpferdige Dampfmaschine mittelst starker geflochtener Drahtseile in der Art auf- und niedergewunden, daß diese auf zwei großen Radtrommeln sich auf- und abrollen. Der Fahrkorb selbst ist jedoch nicht direct mit dem Seile verbunden, sondern an einem Federsystem, ähnlich dem an Eisenbahnwaggons üblichen, aufgehängt. Die durch die Last des Fahrkorbes zusammengedrückte Feder schnellt beim etwaigen Reißen des Seiles entlastet auseinander und bewirkt dann durch einen Hebel die Umdrehung zweier Wellen mit gezahnten Scheiben. Die Zähne greifen mit Gewalt in die hölzernen Führungsbalken des Fahrstuhls ein und halten somit dessen fallende Bewegung auf; der Stuhl hängt dann in der Schwebe still, bis er aus seiner Lage befreit wird.

Aehnlich ist die Einrichtung in dem Förderungsschacht, nur mit dem Unterschiede, daß dort je zwei Körbe untereinander angebracht sind; zusammen fassen sie an 25 Centner Last. Die Fördermaschine hat hundertunddreißig Pferdekraft, ihre Seiltrommel siebenzehn Fuß Durchmesser. Das Einsteigen in den Fahrstuhl geschieht nach erhaltenem Signal von unten. Ein verkleinerter Apparat, welcher sich an einer an der Wand angebrachten Scala, auf welcher die zurückzulegenden Entfernungen mit den Mündungen der Querschläge und dergleichen genau verzeichnet sind, bewegt, zeigt dem Maschinisten eben so genau an, wo die abwärts- und aufwärtsgehenden Fahrstühle in jedem Augenblicke sich befinden, und legt es somit in seine Hand, bei der gewünschten Haltstelle ohne Stoß anhalten zu lassen. Die Fahrt abwärts geht ohne merkliche Erschütterung; das trübe Licht der mitgenommenen Lampe, wirft eilig gleitende Schatten auf die Wandungen, welche in etwa Handbreite von dem Fahrkörbe abstehen. Man fährt, freilich ohne viel davon zu sehen, 27 Fuß durch Schwemmland und Diluvialkies, dann 576 Fuß durch rothe Schieferletten mit Bänken von feinkörnigem Sandstein, Roggenstein und festem grauem Kalkstein, dann mit Aufhören der Verschalung 192 Fuß tief durch hellen strahligen, festen Gyps und Anhydrit und durch derben Gyps mit Mergel, dann 21 Fuß durch Salzthon (dunkelgrauen bituminösen Mergel mit Anhydrit und Steinsalz); dann folgt die Carnallit-Region, 135 Fuß mächtig, dieser die Kieserit-Region, 180 Fuß, dieser die Polyhalit-Region, 200 Fuß, und endlich die Anhydrit-Region, 685 Fuß mächtig; in den beiden letzteren ist das krystallinische Steinsalz mit den schon erwähnten Jahresringen. Rechnet man aus Allen das Vorkommniß im Einzelnen, so besteht das Ganze aus 989 Fuß Steinsalz, 36 Fuß Anhydrit, 18 Fuß Polyhalit, 51 Fuß Kieserit, 98 Fuß Carnallit und 13 Fuß Chlormagnesiumhydrat, und daraus ergiebt sich, daß das damalige Salzwasser eine vom heutigen Meerwasser etwas abweichende Zusammensetzung hatte.

Das Aufstoßen im Schachte unten geschieht in sehr sanfter Weise, wie denn überhaupt wohl nicht leicht eine Fahrt in die Tiefe mit so großer Annehmlichkeit und Sicherheit, wie dort in Staßfurt, gemacht werden kann. Gleiches gilt von der Besichtigung des Werkes selbst. Die ausgehauenen Gänge, „Strecken“, sind in ihrer Sohle vollkommen trocken, 27 Fuß hoch und 75 Fuß weit angelegt, so daß man mit großen Lastwagen in ihnen fahren könnte und nirgends durch die Arbeiter oder die hier überall angelegten Schienenstränge, resp. die auf denselben beförderten kleinen Frachtwagen, in der Besichtigung gestört wird. Große Gesellschaften können sich mit vollster Bequemlichkeit unten bewegen. Anfangs hatte man in den Strecken größere Pfeiler stehen lassen, das Steinsalz ist aber so fest, daß man einen Einsturz nicht zu befürchten hat. Nicht minder gut ist für die Lüftung durch besondere Ventilationsvorrichtungen gesorgt; die unten allmählich sich verschlechternde Luft wird durch den Fahrschacht nach oben, die frische Luft durch den Förderschacht in die Abbaustrecken und von da wieder durch besondere senkrechte Schlote in einen dazu angelegten wagrechten Gang, die Wettersohle, geleitet, von wo sie in den Fahrschacht zieht.

Brennbare Gase erzeugen sich nur selten und brennen ohne Explosion ruhig an den Wandungen weiter; man löscht sie mit alten Lumpen; Gefahr wäre nur dann vorhanden, wenn das an den Wänden ruhig brennende Gas vor gegebenem Warnungsruf eine Sprengstelle erreichte und das Pulver hier entzündete. Es

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 712. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_712.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)