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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

getragen, auf denen wir uns lagerten und unseren Vorrath von Proviant ausbreiteten.

Mittlerweile suchte Freiberger nach Flaschen und Karten früherer Besteiger, fand aber nur Scherben, was natürlich ist, weil sich die einzelnen Schieferplatten des Gipfels so gesetzt und bewegt haben müssen, daß das als Signal aufgerichtete Steinmännl die Flaschen zerdrückt hat. Dennoch senkten wir, wie üblich, unsere Karten in eine der leeren Flaschen, verewigten darauf mit Bleistift auch die Namen unserer Führer und Träger und vertrauten wohlverkorkt die Flasche dem Steinmännl an, zum Gruß an die künftigen nächsten Besteiger des Berges. Als Flaggenstock diente der längste unserer Alpenstöcke, an dem Rick eine Jacke festgebunden hatte, denn die Luft blieb so mild und unbewegt, daß wir die Röcke nicht vertragen konnten.

Allmählich ward indeß der Druck der Sonnenstrahlen in der dünnen Luft, trotz der Schirme, unerträglich; wir empfanden fast Alle mehr oder weniger eine gewisse Mattigkeit und rüsteten uns daher nach einem Verweilen von etwa zwei Stunden zum Aufbruch. Zwei unserer Träger sandten wir zunächst voran, um beim Heruntersteigen die ganz losen Schieferstücken abzurollen und uns auf diese Weise einen festeren Steig zu schaffen; dann traten wir selbst in größeren Entfernungen den Rückmarsch an, um durch rollendes Gestein uns nicht gegenseitig überraschen zu lassen. So gelangten wir bald und bequemer, als wir es erwartet hatten, an den Fuß des Kegels, schlugen aber hier, den schmalen Grat vermeidend, den nähern Weg über den Firn und die damit in Verbindung stehenden Schneefelder des Ankoglgletschers ein. Zum Theil auf dem weichgewordenen Schnee gleitend, vom Alpstock gestützt, erreichten wir das Ende der Schneeregion schneller, als dies über die Kärthnerschneide möglich gewesen wäre.

Dabei hatte ich Gelegenheit, eine Folge der Gletscherbewegung zu beobachten, wie ich sie bisher noch nirgends wahrgenommen hatte. Wir wurden nämlich auf den Schneefeldern, die wir passirten, von einzelnen rollenden Schieferstücken belästigt; sie kamen von der Moräne des an den steilen Hängen des Ankogl und zum Theil auf der Abdachung der Kärnthnerschneide liegenden Gletschers, dessen oberes Firnfeld wir überschritten hatten. Er zieht sich etwa dreitausend Fuß lang in einer abwechselnden Breite von zwei bis dreihundert Fuß in steiler Lage nach dem Thale hinunter, seine Oberfläche ist vom Schiefergeröll, welches der Ankogl ihm sendet, schmutzig grau und in seiner Moräne ein fortwährendes Poltern und Rollen der Schiefer bemerkbar. Die sehr schräge Lage des Gletschers und die ungemein warme Temperatur schienen das ungewöhnlich rasche Bewegen des Eises zu verursachen, die lockeren Schiefer seiner Moräne wurden von ihm geschoben und stürzten zu beiden Seiten krachend und zerschellend in’s Thal. Es war höchst interessant, diesem fortwährenden Steintanze zuzusehen, mit dem sich der Gletscher jeden näheren Besuch ernstlich zu verbitten schien. Thalwärts war er zum Theil völlig geborsten, und große Eisblöcke hatten sich von ihm getrennt, die natürlich im Schmelzen begriffen waren.

Hiernach scheinen die Nordhänge des Ankogl allmählich gänzlich gletscherfrei zu werden, denn auch dieser noch allein übrige Gletscher des Hanges befindet sich auf raschem Rückzuge.

In vier und einer halben Stunde, vom Gipfel gerechnet, sahen wir die Radeckhütten wieder vor uns und fanden den Kaffee, den die Sennerin uns bereitete, vortrefflich, obschon er eigentlich mit dem Mokka nicht viel gemein hatte. Der Rückweg durch das reizende Anlaufthal erschien uns wie eine Erholung; am Tauernfall, wo der Ankogl verschwindet, nahmen wir Abschied von ihm, und kurz nach sieben Uhr saßen wir am Gehöft des sogenannten Patschke-Bauer, zehn Minuten vom Wildbad entfernt, beim Sanct-Johanner-Biere, welches die Bäuerin frisch vom Fasse zapfte.




Aus dem Leben eines Verbannten.
Von Daniel von Kászony.

Zu den Männern und Führern in großen Völkerbewegungen, welche von den verschiedenen Parteien entweder mit Koth beworfen, oder bis über die Wolken erhoben worden sind, gehört auch Ludwig Kossuth, der ehemalige Gouverneur Ungarns. Es kann nicht meine Absicht sein, den Lesern eine Biographie Kossuth’s darzubieten, ist doch dessen Wirken und namentlich die Rolle, welche er in den Märztagen von 1848 gespielt hat, allgemein bekannt. Auch enthalte ich mich jedes Urtheils über Kossuth’s neuere und neueste politische Agitationen, ich will nichts weiter als, wie es ja die Ueberschrift der Skizze darthut, einige Züge aus dem Leben des Verbannten zeichnen, wie ich solche zum großen Theile als Augen- und Ohrenzeuge wahrzunehmen Gelegenheit hatte.

Nach der Waffenstreckung Görgey’s bei Világos am 13. August 1849 floh Kossuth nach der Türkei, wo er zwei Jahre zu Kjutahia in Kleinasien internirt blieb. Seine Gattin folgte ihm dahin ebenfalls; seine Mutter, seine Kinder und seine Schwestern blieben zeitweilig gefangen in Ungarn. Im October 1851 kam Kossuth nach England und reiste von da nach Nordamerika. Nach seiner Rückkehr im Spätsommer 1852 ließ er sich in London häuslich nieder.

Hier hatte ich selbst oftmals Veranlassung, mit ihm zusammen zu treffen, ich diente ihm sogar im Jahre 1858 als Secretär, zur Zeit des Demokratencongresses zu London. Er benutzte mich hierzu wegen meiner ausgebreiteteren Sprachkenntniß und weil er meiner Discretion sicher war.

Kossuth arbeitete täglich von Morgen sechs Uhr bis spät in die Nacht hinein; er stand in Briefwechsel mit Victor Hugo, mit dem nordamerikanischen General Caß, mit den französischen Generalen Bedeau, Leflos und dem Obersten Charras in Brüssel, mit Nicolaus Kiß, seinem politischen Agenten in Paris, mit dem Oberst Bangya in Tscherkessien und anderen Häuptern der Volkspartei. An Freitagen ließ er Niemanden vor, weil dies der Tag der Correspondenz mit den Amerikanern war. Es war überhaupt nicht leicht, Zutritt zu ihm zu erlangen, eine ihn umdrängende Camarilla wußte den Eingang zu erschweren. Zuweilen traf man ihn im Kensingtongarten oder im Regentspark, und da war’s eigentlich allein möglich, offen mit ihm zu sprechen.

Kossuth’s Tisch war ebenso einfach wie seine Kleidung. Er trug stets dunkle Röcke und Beinkleider und einen niedrigen sogenannten Kossuthhut, wie dieser während seines Aufenthaltes in New-York zur Mode geworden war. Auch seine Gattin trug sich sehr einfach, gewöhnlich ganz schwarz, nur für Vilma’s, der Tochter, Toilette sorgten ihre Eltern besser; sie war stets nach der neuesten Mode und sehr geschmackvoll gekleidet.

Von den drei Kindern Kossuth’s war Vilma unstreitig das talentvollste und stets ein munteres, liebenswürdiges, anspruchloses Mädchen. Vilma, nebenbei bemerkt, eine wahrhafte Virtuosin am Piano, war eine kleine schlanke Brünette, mit funkelnden Augen, hatte ein kurzes, schmales Näschen und blutrothe etwas aufgeworfene Lippen mit wunderschönen weißen Zähnen. Sie war keine blendende Schönheit, doch konnte man sie nicht sehen, ohne von ihrer Anmuth eingenommen zu sein. Dazu besaß sie die schöne, klangvolle Stimme ihres Vaters und auch ganz sein Gemüth, nur ohne die Anwandlungen von Melancholie, zu welcher die Schicksalsschläge diesen oft herabstimmten. Wie sie sein Leibtöchterchen war, so schmiegte auch sie sich ihm besonders zärtlich an, während die beiden Söhne, wenn sie ein Anliegen an die Eltern hatten, sich eher an die Mutter wandten. Vilma hatte, wie es die Aerzte zu nennen pflegen, einen habitus phthisicus, d. h. ihre Körperbeschaffenheit neigte sich der Schwindsucht zu, und ihr junges Leben blühte auch bald ab.

Von den beiden Söhnen war der ältere, Franz, ein bescheidener Jüngling, der etwas schwerer lernte als Ludwig, jedoch die gelernten Gegenstände besser im Gedächtnisse behielt, als der mit einem schnelleren Fassungsvermögen begabte jüngere Bruder.

Eine Abendgesellschaft im Hause Kossuth’s war etwas sehr Seltenes; Kossuth entschloß sich schwer zu dergleichen, nicht aus Menschenscheu oder Ungeselligkeit, sondern weil schon die Vorbereitungen dazu ihn aus seiner Ruhe, aus seinen Gewohnheiten störten und weil Frau von Kossuth bei solchen Gelegenheiten frühzeitig

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 584. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_584.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)