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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

durch eine sehr einfache Rechnung sofort die Höhendifferenz finden können. Da diese Gleichheit der Dichtigkeit aber bekanntlich nicht stattfindet, so ist die Berechnungsart keine so einfache und erfordert die Anwendung von mathematischen Formeln, in welchen auch die Temperatur der Luft berücksichtigt wird. Natürlich kann diese Art von Höhenbestimmungen nur unter der Voraussetzung annähernd genaue Resultate liefern, daß sich der atmosphärische Druck während der Zeit, welche man gebraucht, um einen gewissen Höhenunterschied zu erreichen, nicht verändert.

Die früheren Instrumente dieser Art, wenn man von ihnen eine genügende Genauigkeit verlangte, waren oft ihrer Größe wegen unbequem und wurden im wirklichen Hochgebirge bei acht- bis zehntausend Fuß unzuverlässig. Auf Piz Ot in Graubünden, bekanntlich zehntausend Fuß hoch, ist mir der Mechanismus eines kleinen Aneroïd ganz untauglich geworden. Einer meiner Freunde, mit dem ich darüber gesprochen hatte, fand nun auf der Pariser Ausstellung ein von J. und R. Beck in London ausgestelltes Aneroïd in Uhrform, welches in Bezug auf die Vortrefflichkeit seiner Construction, wie auch auf das Zweckmäßige der Theilung, die ein directes Ablesen der Höhendifferenzen gestattet, für die angegebene Gebrauchssphäre wenig zu wünschen übrig läßt. Er schickte mir ein solches Instrument nach Gastein, wo ich meine Sommerferien verbrachte, und natürlich trat ich sofort mehrere Wanderungen mit demselben an.

Das mit einem silbernen Gehäuse versehene Instrument hat einen Durchmesser von fünfzig Millimetern, eine Dicke von vierzehn Millimetern, ist also von demselben Volumen wie eine etwas starke Ankeruhr und ganz bequem mit seinem Futteral in der Westentasche zu tragen. Unabhängig von dem Werke, dessen Einrichtung denen aller andern Aneroïden entspricht, ist das Zifferblatt, welches die Scala trägt, um seinen Mittelpunkt drehbar, und es geschieht die Einstellung auf die Höhe eines Normalquecksilberbarometers für den jedesmaligen Beobachtungsort nicht wie gewöhnlich durch Anziehen oder Lösen einer Stellschraube, welche direct auf die hohle Metallröhre wirkt, sondern durch Verschieben der Scala selbst. Daraus erwächst freilich eine Fehlerquelle, insofern nämlich demselben Extensionswinkel der Röhre unter sonst gleichen Umständen Scalentheile von verschiedener Länge als Maßstab untergelegt werden, indessen ist der Fehler nicht von größerer Bedeutung, als ihn die schon erwähnte andere Correctionsweise durch die Schraube auch darbietet, ja er könnte sogar bei dem Beck’schen Aneroïd, falls die Aneroïde überhaupt zu streng wissenschaftlichen Beobachtungen in allen Fällen geeignet, leicht durch die Rechnung beseitigt werden.

Die Marke, welche den Stand des Aneroïds zur spätern Vergleichung mit der spielenden Nadel dauernd notirt, ist an dem das über dem Zifferblatt befindliche Glas tragenden Ringe angebracht und mit diesem beweglich. Die Scala endlich ist eine doppelte, ein Mal den Barometerstand in englischen Zoll anzeigend und das andere Mal die diesem Barometerstande entsprechende Erhebungshöhe über dem Meeresspiegel angebend. Die letztgenannte Theilung befindet sich am äußern Rande des Zifferblattes, die erstgenannte in einem concentrischen Kreise dem Mittelpunkte zu. Beide sind in Zehntel, die Theilung in Zolle noch in Zwanzigstel abgetheilt, so daß man die Höhenangabe direct bis auf hundert Fuß Höhendifferenz angezeigt findet, durch Schätzung aber, und zumal wenn man sich daran gewöhnt, die daran stoßende Zollscala als Nonius (Gradtheiler) zu benutzen, leicht noch hiervon den zehnten Theil ablesen und also Höhenangaben bis zu zehn Fuß genau mit Hülfe des Beck’schen Instrumentes ausführen kann. Was die von der Ausführung des Mechanismus abhängige Empfindlichkeit anbelangt, so leistet dasselbe wohl ebensoviel wie die ungleich größeren Instrumente, die man bisher zu derartigen Beobachtungen allein zur Verfügung hatte. Es läßt sich nicht leugnen, daß bei einem so kleinen Instrument der Wärmeeinfluß, besonders wenn man es in der Westentasche trägt, leicht stören kann, daß man also die Nadel immer erst im Freien sich setzen lassen muß, sowie daß überhaupt ganz correcte Messungen schwieriger werden als mit einer größeren getheilteren Scala, daß es also mehr zum Vergnügen und zur Unterhaltung des Touristen dient, welcher schnell wissen will, wie hoch er gestiegen ist, in welcher Höhe die Schneeregion anfängt, in welcher Baum- und Pflanzenwuchs sich verändern, in welcher besondere Gebirgspflanzen vorkommen etc. Hierzu genügt aber das Beck’sche Instrument vollkommen, und wirkliche Messungen werden auch bis zu einer befriedigenden Genauigkeit gelingen, wenn man beständiges Wetter hat und das Instrument bei jedem längern Ruhepunkt sorgfältig wieder stellt. Ich glaube daher, den Apparat im allgemeinen Interesse den Freunden von Gebirgstouren warm empfehlen zu dürfen. – Zunächst stellte ich in der Nähe von Gastein, dem bekannten Wildbade im Salzburgischen, einige kleinere Versuche damit an und sobald ich die Brauchbarkeit des Instrumentes erkannt hatte, beschloß ich, es auf einem der höchsten Berge der Gegend, dem Ankogl, zu erproben. Die Partie wird von Gastein aus selten gemacht, obschon sie sehr lohnend und nicht mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Sie bietet, wie aus der nachstehenden Beschreibung hervorgeht, des großartig Schönen und Interessanten so viel, daß es wohl der Mühe werth ist die rüstigen Bergsteiger darauf aufmerksam zu machen.

Wenn uns der Salzburger Lohnkutscher mit dem unvermeidlichen Vorspann von Lend den steilen Hang hinaufgeführt hat in die wunderschöne Klamm, wo die Ache sich schäumend ihr Bett tief unter uns gegraben hat und die Straße sich hoch am Felsen hin nach dem Gasteiner Thale senkt, sieht man von den letzten Höhen vor dem Marktflecken Hofgastein den Ankogl mit seinen Gletschern liegen; bald aber, wo der Weg hinüberführt nach der Schweizerhütte, einem Vergnügungsort der Gasteiner Badewelt, auf das linke Ufer der Ache, verschwindet der höchste Gipfel des Gasteiner Gebirges, gedeckt vom Gamskahr, Graukogl und dem Rathhausberge, die das Wildbad unmittelbar umgeben.

Von einem alten Sägemüller in der Nähe, der früher selbst ein tüchtiger Bergsteiger gewesen, war mir ein ehemaliger Bergknappe und jetziger Zimmermann, Namens Joseph Rick, als Führer empfohlen worden. Es war ein strammer Bursche, und mit ihm besprach ich, daß er, wenn das Wetter schön bliebe, mit zwei Trägern nebst den erforderlichen Stricken, Steigeisen und Kraksen (Tragen) bei mir eintreffen solle. Das Wetter hielt aus; ein lieber Freund, der mich begleiten wollte, ordnete mit mir, was wir von Proviant, Decken und sonst mitzunehmen gedachten, unsere Mannschaft erschien, theilte sich in die Last, und Nachmittag drei Uhr wanderten wir fröhlich im Böcksteiner Thale hin, dem Anlaufthale zu, in dessen Kessel die Radeckhütten liegen, wo wir heut übernachten wollten.

Schmal beim Eintritt in dasselbe, öffnet sich das Anlaufthal bald zu einer breiten Wiese, von hohen Felswänden und fichtenbewaldeten Hängen umgeben. Am südlichen Hange kommt der Hienkahrbach als schäumender Wasserfall herunter, wo der Weg über die lange Wand nach Kärnthen führt, dann tritt man in lichte Fichtenwaldung, in der kleine Wiesen zur Ruhe laden. Bald beginnt das Thal sich zu heben, der Triftweg wird steinig, die Thalhänge rücken näher zusammen und der Anlaufbach drängt sich durch Felsen schäumend an uns vorüber. Schärfer bergan geht der Weg über eine Brücke nach dem rechten Ufer, und hoch vom Felsen herunter stürzt ein anderer Wasserfall, den der Traunbach da bildet, wo ein anderer Weg, von den Hirten der Römersteig genannt, am Todtenstein hinauf nach dem Mallnitzthale führt. Noch einige hundert Schritte weiter, und um einen Felsenvorsprung biegend sieht man den Ankogl vor sich, den Kessel des Thales schließend. Ein kahler, schroffer Felsenkegel, von Gletschern und Schneefeldern umgeben, erhebt er sich aus dem Gebirgsrücken, der zu beiden Seiten noch ähnliche niedrigere Kuppen bildet.

Bei den obersten Radeckhütten, wo der Felsenkessel des Ankogl, ein starres Bild der Einsamkeit, dicht vor uns liegt, erwartete uns ein österreichischer Alpenfreund, um Tags darauf die Partie mitzumachen; er hatte den bekannten Bergführer und Botaniker Freiberger nebst einem Träger für das Gepäck mitgebracht. Die untergehende Sonne warf ihren röthlichen Glanz auf den Gipfel des Berges und ein fernes Wetterleuchten zuckte über die Höhen als Vorbote des nahenden Gewitters. Wir theilten uns mit den Führern in die beiden Hütten, indem wir ihnen die ein paar hundert Schritte tiefer liegende allein überließen, und richteten ein Heulager im Kuhstalle her, der, von der Heerde verlassen, weil sie zu der Zeit im Freien übernachtet, ein famoses Schlafzimmer abgab. Der bekannte Straubinger Platz im Wildbad liegt dreitausend dreihundert und fünfzehn Fuß über Meeresfläche, das Aneroïd gab die Höhendifferenz von da bis zur Hütte mit zweitausend einhundert Fuß an, daher Höhenlage der Hütte über Meeresspiegel fünftausend vierhundert und fünfzehn Fuß. Die Sennerin hatte kochendes Wasser am Heerde geschafft

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_582.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)