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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Bas’ net angehen lassen … sie soll ihr die Flausen net leiden und soll ihr sagen, daß sie mit mir sein soll, wie sich’s gehört, und net so kurz und so voll Stacheln, wie ein Igel, von dem man net weiß, wo man ihn anrühren soll!“

„Laß mich damit in Ruh’, Ambros,“ rief die Bäuerin entgegen, „in so was misch’ ich mich net hinein! Du bist mir lieb und werth und bist mein nächster Gefreundeter, es ist mir also ganz recht, wenn Du auf den Hof einheirathen und Funkenhauser werden willst – aber einreden thu’ ich dem Madel nichts! Sie muß einmal mit Dir leben, sie muß Dich also mögen und muß Dich freiwillig nehmen… Thätst Dich net schämen, wenn Dich ein Weib Deinem Schatz erst aufdisputiren müßt’? Bist sonst überall voran, wirst wohl so viel Schneid’ haben, daß Du einem Madel unterm Brustfleck so warm machen kannst, daß es nimmer von Dir lassen will …“

Der Bursche erwiderte nichts, sondern biß sich auf die Lippen. Eben traten die Knechte und Mägde durch die hintere Thüre in’s Haus, sich die sonnenheißen Gesichter trocknend und der kühlen Wohnstube zueilend, in welcher bereits, von Tonerl aufgetragen, die Suppenschüssel auf dem großen Eßtisch dampfte. Das von dem Oberknechte vorgesprochene und von Allen ebenso eintönig wiederholte Gebet war bald zu Ende, aber Ambros lehnte noch immer am Thürgerüst; die Bäuerin, es gewahrend, blieb wie wartend stehen, und eben trat Tonerl wieder aus der Stube.

„Willst Du net hineingeh’n zur Morgensuppe?“ rief sie ihm flüchtig zu.

„Nein,“ antwortete er, „mir ist der Appetit vergangen …“

Ohne sich daran zu kehren, ging das Mädchen den Gang entlang; eine Magd, die sich etwas verspätet haben mochte, kam ihr fragend entgegen. „Wie ist’s,“ sagte sie, „soll das Herrenstübel heut’ noch ausgeräumt werden oder hat’s damit Zeit bis morgen?“

Eh’ eine Antwort erfolgen konnte, hatte Ambros sich hastig aufgerafft und stand neben ihnen. „Was ist’s mit dem Herrenstübel?“ rief er. „Warum soll mein Stübel ausgeräumt werden?“

„Ich weiß nicht davon,“ sagte die Bäuerin, „ich hab’s nicht angeschafft …“

„Ich hab’ es angeschafft,“ unterbrach sie Tonerl; „Du weißt ja, daß es jedes Jahr geschieht, wenn die Sommergäst’ kommen; in dem Stübel schlaft der Herr Günther …“

„So?“ rief Ambros, der bis in die Lippen hinein kreidenweiß wurde, „und wo soll ich denn schlafen?“

„Wo Du noch jedes Jahr während der Zeit geschlafen hast,“ entgegnete Tonerl, ohne seine Erregung zu beachten. „Drüben in der vorderen Kammer im Heustock …“

„Bei den Knechten?“ stieß Ambros grimmig hervor. „Freilich! Warum denn nicht? Ich bin ja auch nichts Anderes als ein Knecht … Aber ein Knecht hat auch das zu fordern, was ihm versprochen ist, und noch bin ich, so viel ich weiß, bei der Funkenhauser-Bäuerin im Dienst und net bei ihrer Tochter. Ist das der Bas’ recht? Leid’t das die Bäuerin?“

„Was ist da viel zu leiden!“ sagte diese gelassen. „Es ist alle Jahr’ so gewesen und ist nichts Besonderes dahinter. Es ist nur eine Voreiligkeit von der Tonerl, denn es ist ja noch gar net gewiß, ob unsere Gäste heuer kommen oder nicht!“

„Und wenn sie auch kommen,“ rief Ambros wild, „ich will ihnen net alle Mal Platz machen, denen hochmüthigen Leuten, die Einen immer über die Achsel ansehen, als wenn man schlechter wär’ als sie, weil man die Reden net so spitzig setzen kann! Das Herrenstübl ist einmal mein und ich seh’ net ein, warum das Preußigen, das siebengescheidte, nit auch einmal drüben im Heustock schlafen kann!“

„Siehst das net ein?“ fragte die Bäuerin und stemmte die Arme in die Hüften, „dann will ich Dir ein Licht aufstecken, daß Du besser siehst. Wenn die Fremden kommen, ziehst Du wieder in den Heustock hinüber, das sag’ ich Dir, weil ich, wie Du selber sagst, noch die Funkenhauser-Bäuerin bin und weil in meinem Haus’ Alles tanzen muß, wie ich’s will. Hast Du es jetzt verstanden?“

„Freilich wohl,“ sagte Ambros grimmig, „es ist ja deutlich genug! Jetzt seh’ ich gut, wie’s steht, und kann mich darnach richten … Na, wenn’s in dem Haus keinen Platz mehr für mich giebt, dann kann ich ja auch ganz und gar gehen!“

Tonerl hatte inzwischen die Thür zur Wohnstube zugezogen, damit die Dienstboten das immer lauter werdende Gespräch nicht hören sollten; jetzt trat sie wieder hinzu und hielt Ambros, der rasch enteilen wollte, mit kräftiger Hand an der Schulter fest.

„So?“ sagte sie und sah ihm fest und ruhig in das zornbebende Gesicht. „Du willst fortgehen wegen dem? So geh’ zu, aber merk’ Dir Eins, Ambros … bist draußen, so giebt’s für Dich keinen Gangsteig, der wieder auf den Hof führt! Ich halt’ Dich nicht auf; einem bockbeinigen Menschen, der wie Du seinen Trutzkopf aufsetzt wegen nichts und wider nichts, dem wird kein Hahn nachkrähen!“

Er wollte sprechen, sie ließ ihn aber nicht zu Worte kommen. „Du willst Funkenhauser werden?“ rief sie wieder. „Willst, daß ich Dich heirathen soll? Da mußt Du es schon anders anstellen, Du geschmerzter Bub’; auf die Manier wirst es kaum zuwegen bringen. Ich nimm’ kein’ Mann, wegen dem man sich schämen müßt’, weil er daher redt, wie ein klein’s Kind, das noch kein’ Verstand hat! Red’ jetzt, wenn Du einen vernünftigen Grund hast – sag’s, warum Du Dein Stübl nicht herlassen willst, wie alle Jahr’ …“

„Weil ich die Fremden net leiden kann,“ sagte Ambros stockend und mit Widerstreben, „weil es ein zuwideres Volk ist, das Einen über Alles ausfratschelt und dem man’s über’s Gesicht ansieht, daß sie nichts im Sinn haben, als sich lustig zu machen und über uns dumme Menschen zu spötteln! Weil ihnen hinten und vornen nichts recht ist und weil sie doch jedes Jahr wiederkommen wie die Maikäfer! … Und kurz und gut … ich hab’s gesagt und ich bleib’ dabei, wenn ich auf dem Funkenhauser-Hof nur noch so viel gelt’, als das Schwarze unter’m Nagel ausmacht, so kommt die preußische Sippschaft heuer nimmer in’s Haus!“

„Wie er sich anstellt!“ sagte die Bäuerin. „Wie er thut, wenn er die Leut’ alle miteinander net aussteh’n könnt’, und wenn sie da sind, ist er doch die Freundlichkeit und die gute Stund’ selber mit ihnen! Wie oft hast Du stundenlang die Fräul’n ’rumgeführt, – ich glaub’, Du hätt’st sie stundenweit getragen, wenn’s hätt’ sein müssen, und bist auf das höchste Gewänd’ am Kogel hinaufgestiegen, blos weil sie sich eingebildet hat, sie möcht’ einmal ein ganz frisches Edelweiß haben …“

„Ja die Fränl’n,“ sagte er, um Vieles milder, „bei der ist es was anders – die ist krank, mit der muß man Erbarmniß haben …“

„Das ist mir eine schöne Erbarmniß, die Du mit ihr hast!“ rief Touerl darein. „Du weißt, wie krank sie ist und daß sie nirgends gesund werden kann, als da bei uns, und aus lauter Erbarmniß willst Du sie nimmer in’s Haus lassen? Oder soll sie vielleicht allein bis aus Preußen zu uns herreisen? Oder …“ fuhr sie etwas langsamer fort, indem sie ihm mit den Augen in’s Herz zu bohren schien, „hast Du vielleicht einen andern Grund, den Du selber nicht eingestehen magst?“

Ambros sah schweigend zu Boden; er kämpfte mit sich selbst, ein Wort nieder zu ringen, das sich ihm wieder und wieder auf die Zunge drängen wollte – es gelang ihm; er blickte ruhiger auf und gewann es über sich, in gelassenem Tone zu antworten. „Kannst Recht haben, Tonerl,“ sagte er, „ich will nachgeben; aber wer ist denn schuld daran, wenn mir die Geduld reißt und die Gall’ übergeht? Niemand als Du! Warum vergönnst Du mir nicht einmal ein kleinleiziges Wörtel zum guten Morgen und nickst mir nur so von der Seiten zu, wie einem landfremden Menschen? Warum bist Du alleweil so auf der Höh’ mit mir und weißt doch, daß Du mich um den Finger wickeln kannst mit einem einzigen freundlichen Wort?“

„Na, wenn Du weiter nichts verlangst,“ rief Toni lachend, „das kannst Du haben, und eine Hand dazu! Willst hernach,“ fuhr sie fort und streckte ihm die Rechte entgegen, „Dein Stübl ausräumen und die Preußen, wann sie kommen, net hinauswerfen aus dem Hof?“

„Auf dem Buckel will ich sie herein tragen!“ rief er und schlug fröhlich ein. „Heut’ noch richt’ ich mir selber die Liegerstatt auf dem Heustock ein!“

„So ist’s recht!“ entgegnete Tonerl. „So könntest Du mir bald anfangen zu gefallen! Siehst Du’s, Mutter, so muß er sein; also red’ ihm zu, wenn Du haben willst, daß es bald eine Hochzeit giebt … Wer weiß, was im Herbst geschieht, wenn der Sommer gut vorübergeht!“

(Fortsetzung folgt.)
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